Flüssigkern-Faser für die Datenübertragung

Der Kern der kilometerlangen optischen Faser besteht durchgehend aus Glycerin. (Bild: Empa)

Die glyceringefüllte Hohlfaser ist sehr viel robuster als ihr Glasfaser-Pendant, überträgt Daten aber ebenso zuverlässig. Die Zweikomponentenfaser könnte der Empa nun neue Marktnischen eröffnen.

Warum sind Glasfasern so empfindlich?

 

Glasfaserkabel sind für die Datenübertragung über lange Strecken ideal, die Technik erprobt und ausgereift. Doch Glasfasern lassen sich nur bedingt biegen und reagieren sehr empfindlich auf Zugbelastung. Der gläserne Kern der Faser kann schnell reißen. Kunststofffasern werden typischerweise für kürzere Übertragungsstrecken eingesetzt: für einzelne Gebäude, Firmenareale oder in Fahrzeugen. Der Faserkern besteht meist aus PMMA, bekannt als Plexiglas, oder aus Polycarbonat. Diese Kunststoffe sind zwar biegsamer als Glas, aber fast ebenso empfindlich gegen Zugkräfte. „Sobald sich ein Mikroriss im Faserkern bildet, wird Licht daran gestreut und geht verloren“, sagt Dr. Rudolf Hufenus, Advanced Fibers, Empa. „Die Datenübertragung wird also zunächst schlechter, später kann der Faserkern an dieser geschwächten Stelle sogar ganz reißen.“

Flüssigfaser mit Glycerinkern
Die von der Empa entwickelte Faser könnte ganz neue Anwendungsfelder erschließen. (Bild: Empa)

In der Empa-Forschungsabteilung „Advanced Fibers“ in St. Gallen steht eine Maschine, die kilometerlange, mit Flüssigkeit gefüllte Fasern herstellen kann. „Zweikomponentenfasern mit festem Kern gibt es seit über 50 Jahren“, sagt Hufenus. „Aber einen durchgehenden Flüssigkern zu fabrizieren, ist erheblich komplexer. Da muss schon alles genau zusammenpassen.“

Den flüssigen Kern auch zum Übertragen von Licht zu nutzen, war der nächste logische Entwicklungsschritt. Es war der Genfer Physiker Jean-Daniel Colladon, der 1842 erstmals Licht im Inneren eines Wasserstrahls entlang leitete – und damit eine der physikalischen Grundlagen für die heutige Glasfasertechnik entdeckte.

Wie übertragen die Fasern das Licht?

Für die Lichtleitung in Hohlfasern mit Flüssigkern ist der Unterschied des Brechungsindex zwischen der Flüssigkeit und dem transparenten Mantelmaterial entscheidend. Denn der Brechungsindex der Flüssigkeit muss deutlich größer sein als der des Mantelmaterials. Nur dann wird das Licht an der Grenzfläche sauber gespiegelt und bleibt innerhalb des Flüssigkerns gefangen.

Zugleich müssen alle Zutaten temperaturstabil sein. „Die beiden Komponenten der Faser müssen zusammen unter hohem Druck und bei 200 bis 300 °C durch unsere Spinndüse laufen“, sagt der Empa-Forscher. „Wir brauchen also eine Flüssigkeit mit passendem Brechungsindex für die Funktionalität und mit möglichst geringem Dampfdruck für die Herstellung der Faser.“ So entschied man sich für einen Flüssigkern aus Glycerin und eine Hülle aus einem Fluoropolymer.

Wie flexibel ist die Flüssigkern-Faser?

Rudolf Hufenus
Rudolf Hufenus und sein Team entwickelten an der Empa die mit flüssigem Glycerin gefüllte Hohlfaser. (Bild: Empa)

Die daraus erzeugte Faser hält bis zu 10 % Dehnung aus und findet dann wieder in ihre Ursprungslänge zurück. Etwas, das keine andere optische Festkernfaser im Stande ist.

Doch die Faser ist nicht nur extrem dehnbar, sie kann auch messen, wie weit sie gedehnt wurde. Hufenus und sein Team versetzten das Glycerin mit einer kleinen Menge fluoreszierenden Farbstoffs und untersuchten die optischen Eigenschaften dieser Leuchtfaser während des Dehnungsvorgangs. Beim Dehnen der Faser verlängert sich dadurch der Weg des Lichts, die Zahl der Farbstoffmoleküle in der Faser bleibt hingegen konstant. Dies führt zu einer kleinen Farbänderung des abgestrahlten Lichts, die man durch geeignete Elektronik messen kann. So kann die flüssig gefüllte Faser eine Längenänderung oder eine auftretende Zugbelastung anzeigen.

„Wir erwarten, dass sich unsere flüssig gefüllten Fasern nicht nur für Signalübertragung und Sensorik, sondern auch für Kraftübertragung in der Mikromotorik und Mikrohydraulik einsetzen lassen“, blickt Hufenus voraus. Die exakte Zusammensetzung von Faserhülle und Füllung kann dann spezifisch auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung angepasst werden.

Quelle: Empa

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