Zeichnung: Aufbau der Extrusionslinie zur Compoundherstellung.

Bild 1: Aufbau der Extrusionslinie zur Compoundherstellung. (Bild: IKV)

Kurzfaserverstärkte Kunststoffcompounds (KFVC) werden aufgrund ihrer positiven Eigenschaften wie hoher Festigkeit und Steifigkeit bei geringem Gewicht vor allem in technischen Anwendungen eingesetzt [2]. Die Zusammensetzung von KFVC ist jedoch aufgrund zunehmender Umweltbelastungen und sich ändernder gesetzlicher Rahmenbedingungen problematisch, da der Großteil der KFVC am Ende der Produktlebensdauer nicht wiederverwendet, sondern energetisch verwertet oder in der Zementherstellung verwendet wird [4, 5, 8, 9]. Typische Verstärkungsfasern in KFVC sind Glasfasern und Carbonfasern. Sie erfüllen die technischen Anforderungen hochbelasteter Bauteile, weisen jedoch aufgrund ihres spröden Verhaltens ein geringes Recyclingpotenzial auf [5]. Als Alternative können thermoplastische Fasern dienen, bei denen die Faserschädigung durch die mechanische Beanspruchung während der Wiederaufbereitung aufgrund des niedrigeren Elastizitätsmoduls geringer ausfällt [1]. Zur Substitution von Kurzglasfasern in Produkten, bei denen primär eine höhere Schlagzähigkeit gefordert ist, erwies sich die Materialkombination der untersuchten Compounds aus einer Polypropylen-Matrix (PP-Matrix) und Polyethylenterephthalat-Fasern (PET-Fasern) als geeignet [6]. Da jedoch fundierte Kenntnisse über die schonende Verarbeitung und das Recycling dieser Materialpaarung fehlen, gilt es nun, ein geeignetes Prozessfenster im Spritzgießprozess zu erarbeiten und ein Recyclingkonzept zu entwickeln.

Materialien, Versuchsaufbau und Prüfmethodik

Als Matrix wurde ein PP des Typs 579S (Hersteller: Sabic) verwendet. Da PP und PET unverträglich miteinander sind, wurde ein Kompatibilisator (Typ: Scona TPPP 9012 GA) zu 2 Gew.-% und zusätzlich ein Stabilisator (Typ: BYK-Max HS 4303) zu 1 Gew.-% eingesetzt (Hersteller jeweils BYK-Chemie, Wesel). Die verwendeten Fasermaterialien und Probenbezeichnungen sind in der Tabelle 1 aufgelistet.

Tabelle 1: Verwendete Fasermaterialien (jeweils zu 30 Gew.-%).
Tabelle 1: Verwendete Fasermaterialien (jeweils zu 30 Gew.-%). (Bild: IKV)

Für das Herstellen der Compounds wurde ein Doppelschneckenextruder (Typ: ZSK26Mc18, Hersteller: Coperion, Stuttgart) verwendet. Der Schneckendurchmesser D beträgt 26 mm und die Extruderlänge 44 D. Für die Herstellung der Granulate haben sich ein niedriges Gehäusetemperaturprofil (200 °C), eine niedrige Drehzahl (200 U/min) und ein hoher Durchsatz (15 kg/h) als vorteilhaft erwiesen [3]. Die Spritzgießversuche wurden auf einer vollelektrischen Spritzgießmaschine (Typ: Intelect 100-250, Schneckendurchmesser 30 mm, Hersteller: Sumitomo (SHI) Demag Plastics Machinery, Schwaig) durchgeführt. Es wurden Prüfkörper für die Charpy-Kerbschlagzähigkeitsprüfung nach DIN EN ISO 179-1 hergestellt. Vorangegangene Untersuchungen zeigen, dass die Steifigkeit und die Moduln nur geringfügig, die Festigkeit gar nicht erhöht werden konnten. Die Kerbschlagzähigkeit konnte stark erhöht werden und übertrifft auch eine Glasfaserverstärkung mit 30 Gew.-% Glasfasern, was das Hauptargument für den Einsatz thermoplastischer Fasern liefert [6]. Daher wird im Folgenden lediglich auf die Kerbschlagzähigkeit eingegangen. Die Recyclingfähigkeit der Compounds wurde sowohl auf dem Doppelschneckenextruder (DSE) als auch einem Planetwalzenextruder (Typ L-WE 30, Hersteller: Entex Rust und Mitschke, Bochum) untersucht. Dabei wurden die Parameter Gehäusetemperatur, Drehzahl und Rezyklatanteil variiert. Im Folgenden werden jedoch lediglich die Ergebnisse der Versuche auf dem DSE vorgestellt. Für die Recyclingversuche wurde die Schneckenkonfiguration angepasst, indem die zweigängigen Schneckenelemente durch dreigängige Elemente ersetzt wurden, um die Fasern in den Rezyklaten nach Zugabe in den DSE nicht übermäßig zu schädigen [7].

Grafik: Einfluss der Verarbeitungstemperatur im Spritzgießen auf die Kerbschlagzähigkeit.
Bild 2: Einfluss der Verarbeitungstemperatur im Spritzgießen auf die Kerbschlagzähigkeit. (Bild: IKV)

Einfluss der Spritzgießparameter

In den Untersuchungen zum Einfluss des Spritzgießprozesses auf die mechanischen Eigenschaften wurden die Parameter Zylindertemperatur, Umfangsgeschwindigkeit (Drehzahl der Schnecke), Staudruck, Einspritzgeschwindigkeit und Werkzeugtemperatur herangezogen. Ein signifikanter Effekt zeigte sich lediglich für die Zylindertemperatur. Bei niedrigen Zylindertemperaturen liegen die Kerbschlagzähigkeiten von PP-PET-17 und PP-PET-1.7 über denen von PP-GF und unverstärktem PP. Hebt man diese Temperaturen an, sinkt die Kerbschlagzähigkeit von PP-PET-17 von 45,1 kJ/m² auf     22 kJ/m², liegt aber weiterhin oberhalb von PP-GF und unverstärktem PP. Die Kerbschlagzähigkeit von PP-PET-1.7 sinkt von 14,8 kJ/m² auf 3,5 kJ/m² und damit knapp unter die Werte von PP-GF und des Referenzmaterials. Der Grund hierfür kann bei Betrachtung der Prüfkörpermorphologie unter dem Auflichtmikroskop gefunden werden: Während für eine Zylindertemperatur von 200 °C die Fasern homogen verteilt und im Querschnitt weitgehend unbeschädigt sind, zeigen sich für 240 °C teils dünnere, teils dickere Faserquerschnitte. Ursache hierfür kann ein Schädigen der Fasern durch Erweichung unter Temperatureinfluss und Schereinwirkung sein.

Prüfkörpermorphologie in Abhängigkeit der Verarbeitungstemperatur im Spritzgießen mit „dünneren“ (1) und „dickeren“ (2) Faserquerschnitten.
Bild 3: Prüfkörpermorphologie in Abhängigkeit der Verarbeitungstemperatur im Spritzgießen mit „dünneren“ (1) und „dickeren“ (2) Faserquerschnitten. (Bild: IKV)

Recycling thermoplastfaserverstärkter Thermoplaste

Zur Untersuchung der Recyclingfähigkeit wurde die Kerbschlagzähigkeit der Neuware (initiale Compoundierung mit anschließendem Spritzgießen; Bezeichnung in Bild 4: Comp.+SG) mit Mehrfachdurchläufen des Materials durch den DSE mit anschließender Prüfkörperherstellung auf der Spritzgießmaschine (Comp.+XDSE+SG) und einem konventionellen Recyclingprozess verglichen. Das Recycling wurde dabei durch das Schreddern der Spritzgießprüfkörper, einen weiteren Durchlauf durch den DSE zur Granulatherstellung und anschließendem Spritzgießen von Prüfkörpern abgebildet (Comp.+SG+SP+DSE+SG). Bild 4 zeigt die resultierenden Werte der Prüfkörper aus Neuware (links) nach bis zu fünf zusätzlichen DSE-Durchläufen (die drei mittleren Versuchspunkte) und nach dem Recycling (rechts). Das PP-GF-Compound wurde nach zwei Zyklen aufgrund einer niedrigeren Kerbschlagzähigkeit als der des geschredderten Materials keinen weiteren DSE-Durchläufen mehr unterzogen, sodass dieser Balken im DSE-Versuchspunkt nicht erscheint. Es ist ersichtlich, dass für alle Fasermaterialen die Kerbschlagzähigkeit nach einem zusätzlichen Durchlauf im DSE bereits um etwa die Hälfte abnimmt und mit jedem weiteren weiter sinkt. Während PP-GF und PP-PET-1.7 nach zwei Zyklen bereits etwa das Niveau des geschredderten Materials erreicht haben, liegt PP-PET-17 immer noch über diesem Wert, nach fünf Zyklen aber ebenfalls darunter. PET-Fasern zeigen somit auch nach dem Schreddern und zusätzlichen Zyklen auf DSE gegenüber PP-GF überlegene Eigenschaften, auch wenn der Abbau beim PP-PET relativ gesehen stärker ist. PP-PET-17 weist mit dickeren und längeren Fasern eine höhere „Reserve“ an Kerbschlagzähigkeit auf. PP-PET-1.7 verliert zwischen dem zweiten und fünften Zyklus kaum an Kerbschlagzähigkeit.

Balken-Diagramm: Einfluss der Anzahl der zusätzlichen DSE-Zyklen  auf die Kerbschlagzähigkeit.
Bild 4: Einfluss der Anzahl der zusätzlichen DSE-Zyklen auf die Kerbschlagzähigkeit. (Bild: IKV)

Diese Rezyklat-Aufbereitungsversuche wurden durchgeführt

In Rezyklat-Aufbereitungsversuchen wurden dem Rezyklat neues Matrixmaterial und Neufasern zugefügt, um zu prüfen, ob die mechanischen Eigenschaften hierdurch wieder angehoben werden können. Untersucht wurde ein Rezyklatanteil von 50 %, wobei das Rezyklat bereits fünf Durchläufe durch den DSE hinter sich hatte. Aufgrund der abweichenden Viskosität des fasergefüllten Rezyklates musste die Zylindertemperatur leicht angepasst werden. Der Durchsatz von 15 kg/h wurde beibehalten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Kerbschlagzähigkeiten des Rezyklats mit PET-17-Fasern von 9,4 kJ/m² auf 27,5 kJ/m² erhöht werden kann. Es wird also nicht der Wert der Neuware (Comp.+SG) mit 47,3 kJ/m² erreicht, sondern in etwa der durch eine rein volumetrische Mischungsregel zu erwartende Bereich. Für das PP-PET-1.7 zeigt sich eine Verminderung der Kerbschlagzähigkeit bei einer erhöhten Drehzahl. Die Kerbschlagzähigkeiten des Rezyklats kann bei diesem Fasertypen von 6 kJ/m² auf circa 11,5 kJ/m² erhöht werden. Der Wert liegt ebenfalls niedriger als bei Neuware (circa 15 kJ/m²), aber etwas höher, als mit der Mischungsregel zu erwarten wäre.

Das sind die Ergebnisse und der Ausblick

Thermoplastfaserverstärkte Compounds aus PP mit 30 Gew.-% PET-Faser bieten eine höhere Kerbschlagzähigkeit als ein Compound mit 30 Gew.-% Glasfasern. Wie bei der Compoundierung erweist sich beim Spritzgießen eine geringe Verarbeitungstemperatur für die thermoplastischen Fasern als vorteilhaft. Compounds mit dicken Thermoplastfasern zeigen trotz der in der Plastifiziereinheit erlittenen Reduktion der Kerbschlagzähigkeit um fast 50 % immer noch einen deutlich höheren Absolutwert auf als eine vergleichbare Glasfaserverstärkung. Auch beim Recycling übertreffen die Absolutwerte der Kerbschlagzähigkeit der Compounds mit dicken PET-Fasern in allen Versuchspunkten deutlich die Werte der Glasfasern und des unverstärkten Compounds. Selbst nach fünf Durchläufen durch den DSE liegt die Kerbschlagzähigkeit über der Glasfaserverstärkung nach zwei DSE-Durchläufen oder dem Schredderprozess. Eine Zugabe von 50 % Neufasern und neuem Matrixmaterial zum rezyklierten Compound kann etwa 75 % des Verlusts an Kerbschlagzähigkeit kompensieren. Der in den Untersuchungen verwendete Schredderprozess stellte sich als unvorteilhaft heraus. Hier besteht noch Optimierungsbedarf durch die Wahl anderer Zerkleinerungsparameter (zum Beispiel die Drehzahl) oder eines anderen Zerkleinerungsverfahrens.

Balkendiagramm: Kerbschlagzähigkeiten der aufbereiteten Materialien in Abhängigkeit des Fasertyps und der Drehzahl im Recycling bei 210 °C Zylindertemperatur.
Bild 5: Kerbschlagzähigkeiten der aufbereiteten Materialien in Abhängigkeit des Fasertyps und der Drehzahl im Recycling bei 210 °C Zylindertemperatur. (Bild: IKV)

Dank

Das IGF-Vorhaben 21779 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank. Weiterhin danken wir allen Materialspendern und dem projektbegleitenden Ausschuss für die Unterstützung.

Quelle: IKV

Literatur

[1]          ABRAHAM, T. N.; GEORGE, K. E.: Studies on Recyclable Nylon-reinforced PP Composites: Effect of Fiber Diameter. Journal of Thermoplastic Composite Materials 22(1) 2009, S. 5–20

[2]          BAUR, E., BRINKMANN, S., OSSWALD, T.A., RUDOLPH, N., SCHMACHTENBERG, E.: Saechtling Kunststoff-Taschenbuch Ausg. 31. München: Hanser Verlag, 2013

[3]          HEYMANN, S.: Analyse des Prozessfensters zur faserschonenden Verarbeitung von thermoplastischen Fasern im Doppelschneckenextruder. Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen, Masterarbeit, 2021. – Betreuer: L. Leuchtenberger

[4]          OLIVEUX, G.; DANDY, L. O.; LEEKE, G. A.: Current status of recycling of fibre reinforced polymers: Review of technologies, reuse and resulting properties. Progress in Material Science 72 (2015), S. 61–99

[5]          RUDOLPH, N.; KIESEL, R.; AUMNATE, C.: Einführung Kunststoffrecycling. Ökonomische, ökologische und technische Aspekte der Kunststoffabfallverwertung. München: Hanser Verlag, 2020

[6]          STOLZ, P.; SCHÖN, M.; HOPMANN, C.; LEUCHTENBERGER, L.; HEYMANN, S.: Thermoplastische Fasern – Eine nachhaltige Alternative für faserverstärkte Kunststoffe?, Extrusion 28 (2022) 5, S. 34-38

[7]          STEINMANN, J.:  Prozessfensteranalyse zur faserschonenden Verarbeitung im Spritzgießen und Entwicklung eines Recyclingkonzepts für thermoplastfaserverstärkte Bauteile. Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen, Masterarbeit, 2023. – Betreuer: P. Stolz

[8]          N.N.: Packaging waste – EU rules on packaging and packaging waste, including design and waste management. environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/packaging-waste_en#law, 21.05.2023

[9]          ZHANG, J.; CHEVALI, V.S.; WANG, H.; WANG, C.-H.: Current status of carbon fibre and carbon fibre composites recycling. Composites Part B 193 (2020)

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

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