Schwarzes aufgerolltes Tape und am Ende des Tapes schwarzes Granulat. Die UD-Tapes wurden im Schmelzedirektimprägnierprozess mit Polyamid beschichtet.

Die UD-Tapes wurden im Schmelzedirektimprägnierprozess mit Polyamid beschichtet. (Bild: Domo Chemicals)

Die neue Mobilität fordert neu gedachte Leichtbaulösungen, denn jedes überschüssige Kilogramm Gewicht geht zulasten der Reichweite und der möglichen Zuladung eines Pkw. Komponenten, die zum Erzielen hoher Steifigkeiten aus Compounds mit hohen Glasfaseranteilen hergestellt werden, werden aufgrund ihres Gewichtes überdacht. Und zu diesem Neudenken von Leichtbauteilen gehören UD-Tapes. Sie werden lastgerecht eingesetzt und vereinfachen die Konstruktion, da beispielsweise auf Verstärkungsrippen verzichtet werden kann. Und mit den Verstärkungsbändern erhöhen sich die Zugfestigkeit und der Zugmodul bei geringerem Bauteilgewicht. Um ein neuartiges Tape mit Polyamid-Matrix und Glasfaser- oder Kohlefaserverstärkung auszuarbeiten, forschten das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Halle, und Domo Engineering Plastics Europe, Leuna. Die Forschungseinrichtung brachte ihre Erfahrung in der Verfahrenstechnik und der Polymerhersteller seine Kenntnis in der Modifikation von Polyamiden in das gemeinsame Projekt „Highpertherm“ ein, das von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt gefördert wurde. Im Technikum in Halle sind seit 2018 zwei Anlagen, eine Versuchs- und eine Pilotanlage zur Tapeherstellung verfügbar. Diese arbeiten mit einem Schmelzedirektimprägnierprozess, der eine Benetzung der Fasern mit verschiedenen Thermoplasten – Polyolefine, Polyamide, Hochtemperaturkunststoffe – erlaubt. Mit der Laboranlage am Fraunhofer IMWS können Tapes mit einer Breite von 50 mm, auf der Pilotanlage mit 500 mm Arbeitsbreite hergestellt werden. Die Laboranlage ist flexibel hinsichtlich der Verarbeitung von Fasern und Polymeren bei gleichzeitig geringem Materialeinsatz, sodass sie sich sehr gut für Forschungszwecke eignet. Es kann mit bis zu 16 Spulen gearbeitet werden, um den benötigten Faserteppich zu generieren.

Drei Maänner in einer Maschinenhalle. Gruppenfoto: v. l.: Dr. Maarten Veevaete, Entwicklungsleiter Domo, Stephan Lehmann, Projektleiter Domo, und Benjamin Tillner, Projektleiter Fraunhofer IMWS, waren für die Entwicklung der mit Polymer durchtränkten UD-Tapes verantwortlich.
Gruppenfoto: v. l.: Dr. Maarten Veevaete, Entwicklungsleiter Domo, Stephan Lehmann, Projektleiter Domo, und Benjamin Tillner, Projektleiter Fraunhofer IMWS, waren für die Entwicklung der mit Polymer durchtränkten UD-Tapes verantwortlich. (Bild: Redaktion)

Was ist das Ziel der Schmelzedirektimprägnierung?

„Ziel dieses Prozesses ist, die einzelnen Fasern der eingebrachten Faserstränge vollständig mit der thermoplastischen Matrix zu durchtränken, um die Lastübertragen zwischen den eingebrachten Faserfilamenten homogen zu gewährleisten“, berichtet Benjamin Tillner, der seitens Fraunhofer IMWS das Teilprojekt leitete. Den Schmelzedirektimprägnierprozess bezeichnet Tillner als Hochzeit zwischen Faser und Matrix. Die Fasern werden dem Prozess als Endlosfasern von Spulen zugeführt, aufgespreizt, mit dem Polymer imprägniert und abgekühlt, sodass am Ende der Linie ein UD-Tape aufgewickelt werden kann. Im Projekt wurden verschiedene Fasertypen auf Faseraufspreizverhalten, -ausrichtung und -prozessierbarkeit untersucht, um das Verhalten im Prozess vor der Imprägnierung in Erfahrung zu bringen. Würden sich beispielsweise Faserpartikel abspalten und sammeln, so könnten diese zu Fehlstellen im Halbzeug führen. Die Anzahl an Filamentsträngen, die der Anlage zugeführt werden, ist abhängig von den Eigenschaften, die das Tape besitzen soll. „Wird ein sehr dünnes und zugleich leichtes Tape gewünscht, gilt es mit so wenigen Fasersträngen wie möglich die größtmögliche Spreizbreite zu erreichen“, erläutert Tillner. Denn die UD-Tapes sollen für gute mechanische Eigenschaften bei geringem Flächengewicht sorgen. „Der maximale Faseranteil liegt bei diesen Tapes bei 75 %“, sagt Maarten Veevaete, Entwicklungsleiter Domo. Doch bis dieses Faser-Matrix-Verhältnis hergestellt werden konnte, hatten die Projektpartner verschiedene Hürden zu überwinden.

Darum sollte die Chemie stimmen

Mann mit kurzen grauen Haaren und hellblauem Hemd. „Damit ein neues Produkt entstehen kann, müssen sich Werkstoff und Technologie finden“, erklärt Maarten Veevaete.
„Damit ein neues Produkt entstehen kann, müssen sich Werkstoff und Technologie finden“, erklärt Maarten Veevaete. (Bild: Redaktion)

Glasfasern werden zur besseren Verarbeitbarkeit mit Schlichte benetzt. Die Schlichte macht die Fasern geschmeidiger sowie widerstandsfähiger gegenüber mechanischer Belastung und variiert anwendungsabhängig in ihrer Rezeptur. Eine unserer Aufgaben im Projekt war es, eine sehr gute Benetzbarkeit und Anbindung des Polymers zur Schmelze zu ermöglichen“, berichtet Veevaete. „Hauptverantwortlich dafür sind Schmelzeviskosität und die Endgruppen des Polymers.“ Die Entwicklung begann mit den linearen Standard-Polyamiden, deren Schmelzeviskosität jedoch zu hoch war. „Dies hatte zur Folge, dass die Fasern sehr ungleichmäßig mit Matrix benetzten“, beschreibt Stephan Lehmann, Projektleiter Highpertherm seitens Domo. Deshalb wurde von den linearen Polyamiden zu den verzweigten des Polyamidherstellers gewechselt. Zur Produktgruppe Technyl Star gehören leichtfließendes PA 6 und 6.6, deren Schmelzeviskosität bei niedriger Scherrate gering ist.

Doch die Fließfähigkeit allein führt noch zu keiner guten Faser-Matrix-Anbindung. Um diese zu erzielen, müssen die funktionellen Gruppen der Schlichte und des Polymers aufeinander abgestimmt werden. Die im Projekt ausgearbeitete Kompatibilität von Polymer zu Faser sorgt für eine sehr gute Anbindung und damit für hohe mechanische Eigenschaften der UD-Tapes. Außerdem wurde laut Lehmann vor allen Dingen die Biegefestigkeit des Tapes verbessert. Eine weitere Wechselwirkung war jedoch herausfordernd – die zwischen Polyamid und der Oberfläche des Benetzungswerkzeugs. Das Werkzeug ist in diesem Fall eher als Benetzungskanal zu verstehen. Dieser wurde so optimiert, dass die Fasern aufgrund der hohen Affinität des Thermoplasten zum Werkzeug beim Durchlaufen nicht mehr rissen. Stephan Lehmann beschreibt: „Nachdem wir diese Hürden alle gemeistert hatten, waren wir nach rund 3,5 Jahren am Ziel und hielten ein 0,2 Millimeter dünnes Halbzeug mit 25 Masseprozent Polymermatrix und 75 Masseprozent Glasfaser bei einer Garnstärke von 2.400 tex in den Händen.“

Schematische Darstellung des Schmelzedirektimprägnierprozesses.
Schematische Darstellung des Schmelzedirektimprägnierprozesses. (Bild: Domo Chemicals)

Hierfür können die Tapes eingesetzt werden

Die entwickelten UD-Tapes, die zwischenzeitlich unter dem Namen Technyl Lite am Markt in einer Dicke von 250 µm und Faser-Masse-Anteilen von 60, 65 und 70 verfügbar sind, eigenen sich beispielsweise für

  • Rahmenbauteile für die Mikromobilität,
  • den Hybrid-Leichtbau – das glasfasergefüllte Compound kann durch ein ungefülltes Polyamid mit lastabhängiger Verstärkung ersetzt werden und ist dadurch besser recycelbar,
  • Aufhängungen im Automobilsektor, die im Wickelprozess hergestellt werden,
  • Ringe und Rohre, die verschweißt oder hinterspritzt werden können,
  • netzartige Verstärkung von flächigen Bauteilen,
  • das Herstellen von Gastanks im Wickelverfahren.
Eine Rolle schwarzes Tape und darauf zwei graue Platten in Schachmuster. Die UD-Tapes können beispielsweise zu Tape-Gewebe verarbeitet werden. Das abgebildete Produkt wurde von dem Unternehmen W8SVR produziert.
Die UD-Tapes können beispielsweise zu Tape-Gewebe verarbeitet werden. Das abgebildete Produkt wurde von dem Unternehmen W8SVR produziert. (Bild: Domo Chemicals)

Warum auch carbonfaserverstärkte Tapes sinnvoll sind

Parallel zu den Glasfasertapes wurden Carbonfasertapes entwickelt. Auch hier liegen zwischenzeitlich drei Varianten vor: 130, 150 und 210 µm. Mit dem Tape mit 210 µm lässt sich schnell Materialdicke beim Wickeln aufbauen, wohingegen die 130 µm Tapes sehr gut geeignet sind, um anisotrope Werkstücke bei kleinem Bauraum zu realisieren. „Verwendet wird eine 50k-Faser, um das Preis-Leistungs-Verhältnis im Rahmen zu halten. Für hochbelastete Anwendungen, wie beispielsweise die Wasserstofftanks haben wir auch eine Type mit einer 24k-Faser“, führt Lehmann aus. Und weiter: „Anwendungsspezifische Tapes können für beide Fasertypen ausgearbeitet werden.“ Die spezifische Festigkeit der Kohlefasertapes liegt um den Faktor 3 und die Steifigkeit um den Faktor 5 über der von Aluminium, die spezifische Festigkeit der glasfaserverstärkten Tapes liegt pro Kilogramm Materialeinsatz um Faktor 2 darüber. Und wie steht es um den Carbon-Footprint beim Einsatz von Kohlefasertapes? Auf diese Frage geht Stephan Lehmann ein: „Wird das Bauteil aktuell aus einem PA6CF30 hergestellt, so kann es künftig durch die lokale Verstärkung mit UD-Tapes aus PA6CF10 gefertigt werden, und der Carbon-Footprint des Teiles sinkt.“ Außerdem besteht die Möglichkeit, Rezyklate einzusetzen, die durch die Bänder auf ein höheres Eigenschaftsniveau gehoben werden. Weiterhin ist der CO2-Fußabdruck eines solchen Bauteils geringer als der eines aus Neuware hergestellten. Bei hochbelasteten Produkten kann es notwendig sein, zur Verstärkung Gewebe einzusetzen. „Hierfür können die Tapes in 25 mm breite Streifen geschnitten, verwebt und verpresst werden. Dieses Gewebe besitzt den erfreulichen Nebeneffekt, dass die Fasern bereits rundum mit Matrix imprägniert und somit die mechanischen Eigenschaften des Gewebes konstant hoch sind“, weiß Veevaete. Durch den großen Abstand der Tape-Umschlingungspunkte werden zudem die Fasern weniger belastet, wodurch das Gewebe ein sehr gutes Langzeitverhalten besitzt.

Wie die Überführung in die Serie erfolgt

Für die industrielle Serienproduktion arbeitet Domo mit der A+ Composites zusammen, die bereits Bänder im industriellen Maßstab herstellt. Aktuell werden Tapes mit 104 mm Breite gefertigt, und Ziel sei noch in diesem Jahr die Skalierung auf 150 mm Breite, ist von den Entwicklungspartnern zu erfahren. Perspektivisch wird die Herstellung von 600 mm breiten Tapes angestrebt, um großflächige Anwendungen für New Mobility bedienen zu können. Aber hierfür ist es notwendig, die Anlagentechnik zur Tape-Herstellung zu skalieren. „Hier wären bis zu 120 Spulstellen erforderlich und die Konstanz des Faser-Masseanteils wäre herausfordernd“, berichtet der Verfahrenstechniker aus Halle. Auch die Technologien, um die neuen Designs der Bauteile in der Serie abzubilden, gilt es zu entwickeln. Hierfür werden neue Simulationsmodelle notwendig, denn die lokal verstärkten Spritzgussteile sind nicht mit solchen aus Kurzglasfaser-Compounds vergleichbar. Hierfür laufen beim Polymerhersteller erste Entwicklungen. So arbeitet das Simulationsteam an Materialmodellen, die vor allen Dingen die Faserorientierung des Verbundes und die Haftfestigkeit zwischen UD-Tape und Spritzgussmatrix berücksichtigen. Denn dieses Verhalten zwischen den beiden Phasen ist im nichtlinearen Versagensbereich sehr komplex. Außerdem ist die Frage zu beantworten: Wie lassen sich Tapes während des Spritzgussprozesses effizient ins Werkzeug einlegen und bis zum Einspritzen der Matrix halten? Hier sei es notwendig, dass die Spritzgießtechnologien auf die neuen Werkstoffe abgestimmt werden und Kunststoffverarbeiter den Umgang mit den UD-Tapes oder den daraus hergestellten Halbzeugen lernen. Für beides sind die Entwicklungspartner aus Sachsen-Anhalt sehr zuversichtlich.

Quelle: Fraunhofer-Institut IMWS, Domo

Fakuma 2023, Fraunhofer-Institut IMWS: Halle B2, Stand 2108, Domo: Halle B4, Stand 4216

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