Viele offene Glasbehälter mit verschiedenfarbigen Kunststoffgranulaten. Aus verschiedenen Naturprodukten werden Additive für Biopolymere.

Aus verschiedenen Naturprodukten werden Additive für Biopolymere. (Bild: Twins Crew)

Die chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Polymers decken bereits eine Reihe wesentlicher Eigenschaften wie Festigkeiten und Chemikalienbeständigkeit ab. Um die Eigenschaften für die jeweilige Anwendung anzupassen, die Lebensdauer eines Kunststoffes zu verlängern oder ihm eine gewünschte Farbe zu geben, werden Additive eingesetzt. Typische Stabilisatoren gegen prozess- und anwendungsbedingte Alterungen sind petrochemische Phenolantioxidantien, die oft direkt nach der Polymerisation zugefügt werden. In Bezug auf ihre potenzielle Schädlichkeit gibt es Bedenken hinsichtlich der Toxizität und Umweltauswirkungen bestimmter Phenolantioxidantien. Gleiches gilt für brombasierte Flammenschutzmittel, UV-Stabilisatoren, Farbpigmente oder Weichmacher aus der Gruppe der Phthalate. Eine Studie aus dem Jahr 2020 [1] kam zu dem Ergebnis, dass markterhältliche biobasierte Kunststoffe genauso toxisch sind wie viele petrochemische Kunststoffe mit Blick auf die eingesetzten Chemikalien. Dies liegt allerdings weniger an den biobasierten Kunststoffen als an den oft identischen petrochemischen Additiven. In den meisten Migrationsprüfungen werden sie zunächst nicht detektiert, da sie fest in der Polymermatrix eingebunden sind. Über die Zeit können die Additive aber zur Oberfläche migrieren.

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

So werden die Eigenschaften der Natur übertragen

Auch die Natur muss sich gegen Alterung und Deformationen schützen. Neben natürlichen Farbstoffen befinden sich die für den Schutz zuständigen sekundären Pflanzenstoffe, die Phytochemikalien, meist in den Samen und Schalen der Pflanzen und Früchte. Diese fallen als sogenannte Sekundärrohstoffe beziehungsweise biogene Nebenprodukte in der Lebensmittel- und Forstindustrie sowie Landwirtschaft im Bereich mehrerer Milliarden Tonnen pro Jahr an. Sie besitzen oft sogar noch mehr natürliche Antioxidantien, die als Radikalfänger dienen und die Pflanze schützen. Die für den Fressschutz zuständigen Pflanzenstoffe können selbst auch toxisch sein. Die meisten dieser Stoffe sind jedoch für den Menschen in geringen Dosen nicht schädlich. Ein prominentes Beispiel ist Koffein. Da es auch ein natürliches Antioxidans ist, kann es auch zur Stabilisierung gegen oxidative Degradation genutzt werden. Weitere Beispiele für biogene Nebenprodukte sind Agrarabfälle wie Stroh, Kornschalen, Blätter oder Stiele, Obstschalen, -samen und -trester aus der Lebensmittelindustrie sowie Baumrinden aus der Forstwirtschaft. Besonders die in den Ballaststoffen (Fasern) unlöslichen Polyphenole wirken während der Extrusion antioxidativ und können das Biopolymer vor einer verarbeitungsbedingten Degradation schützen [2, 3, 4]. Eine Übersicht über biogene Nebenprodukte und die darin enthaltenen natürlichen Antioxidantien ist Bild 1 zu entnehmen. Diese Materialien können regional beschafft werden und tragen somit zur lokalen Wertschöpfung bei. Aktuell werden diese meist der Kompostierung und energetischen Verwertung zugeführt, beides CO2-verursachende Prozesse. Das Verwerten zu sekundären Lebensmitteln sowie das stoffliche Nutzen der primär sortenreinen Nebenprodukte sind jedoch vorzuziehen und binden den Kohlenstoff. Die größten Herausforderungen zur stofflichen Nutzung sind dabei die Logistik kontinuierlicher Biomasseströme, die Feuchtigkeit und Lagerstabilität biogener Nebenprodukte sowie deren Größe und Gestalt.

Schaubild: Quellen biogener Nebenprodukte und die darin enthaltenen funktionalen Antioxidantien.
Bild 1: Quellen biogener Nebenprodukte und die darin enthaltenen funktionalen Antioxidantien. (Bild: Twins Crew)

Die Bedeutung von Feuchte und Partikelgröße

Ein besonders wichtiger Faktor beim Verwenden biogener Nebenprodukte ist deren Feuchtigkeitsgehalt. Bei einer Restfeuchte von circa 12 % setzt die Schimmelbildung und somit der mikrobiologische Zerfall der potenziell funktionalen Inhaltsstoffe ein. Um die Phytochemikalien zu erhalten, werden die biogenen Nebenprodukte getrocknet und postum oder simultan zu einem feinen Pulver gemahlen. Anschließend sind die biogenen Nebenprodukte in trockener Atmosphäre lagerstabil. Eine ausreichend geringe Restfeuchte ist zudem wichtig, um keine zusätzliche Feuchtigkeit in die Kunststoffschmelze bei der Extrusion einzubringen. Dies könnte zu hydrolytischer Degradation des Polymers sowie des Nebenproduktes oder zur Bildung von Kavitäten beziehungsweise Gasblasen führen. Eine enge Partikelgrößenverteilung sowie eine geringe Partikelgröße und somit eine große Partikeloberfläche ist zudem relevant, um die biogenen Additive gleichmäßig im Kunststoff zu verteilen, damit sie wirken können und keine Störstellen bei einer späteren mechanischen Deformation darstellen. Das feine Pulver kann anschließend weiteren Extraktionen unterzogen werden, um einzelne funktionale Pflanzenstoffe zu gewinnen. Da sich viele der vorhandenen Pflanzenstoffe aber gegenseitig stabilisieren, kann es von Vorteil sein, lediglich die für die Extrusion störenden Bestandteile zu extrahieren wie freies Wasser und Fette.

Vier Einzelbilder nebeneinander: Vom Tomatenblatt, zu Pulver, zu Granulat, zu Platten. Vom Nebenprodukt zur Biokunststoffanwendung – hier wird der Farbstoff der Tomatenblätter zum Einfärben verwendet.
Bild 2: Vom Nebenprodukt zur Biokunststoffanwendung – hier wird der Farbstoff der Tomatenblätter zum Einfärben verwendet. (Bild: Twins Crew)

Der Weg von der Natur in den Biokunststoff

Beim Compoundieren werden die biogenen Pulver mit Biopolymeren gemischt, vergleichbar mit dem Würzen beim Kochen. Dieser Prozess ist essenziell für das Herstellen von Biokunststoffen, die gegen verschiedene Formen der Degradation wie oxidative, thermisch-oxidative, thermische, hydrolytische oder UV-induzierte Alterung, die freie Radikale im Kunststoff erzeugen, stabilisiert werden müssen. Das Ergebnis sind haltbarere und funktionale Biokunststoffe, die auch für technische Anwendungen geeignet sind. Als Matrixpolymere werden Fermentationspolymere bevorzugt wie die Biopolyester PHA, Bio-PBS oder PLA. Aber auch konventionelle Polymere oder Rezyklate können damit geblendet und deren Eigenschaften verbessert werden. Beim Verarbeiten ist auf die externe Temperierung und prozessbedingte Scherungen zu achten, um die biogenen Additive schonend im Biopolymer zu dispergieren und nicht zu schädigen.

Umweltauswirkungen und ökonomische Vorteile

Sofern biogene Additive unkontrolliert in die Umwelt gelangen, schaden diese weder Böden noch Gewässern und können sogar als Stickstoff-, Phosphor- und Kaliumlieferant die Bodenfruchtbarkeit fördern. Die natürliche Eigenfarbe der biogenen Nebenprodukte ermöglicht auch ihre Verwendung als umweltfreundliche Farbpigmente für Kunststoffe. Aktuelle Marktzahlen verdeutlichen, dass Biokunststoffe aufgrund ihrer zwar steigenden, aber global noch geringen Nachfrage teurer sind als konventionelle petrochemische Kunststoffe. Die kostengünstige Beschaffung und Beimischung biogener Nebenprodukte bietet jedoch die Chance, dennoch wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.

Drei Haselnüsse liegen auf braunem Granualt. Mit Haselnussschalen können Biopolymere verstärkt und vor UV-Strahlen geschützt werden.
Bild 3: Mit Haselnussschalen können Biopolymere verstärkt und vor UV-Strahlen geschützt werden. (Bild: Twins Crew)

Den Kreislauf schließen

Die Entwicklung von Biokunststoffen mit biogenen Additiven ist ein vielversprechender Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft für die Kunststoffindus-trie. Mit kontinuierlichen Forschungen und Kooperationen zwischen Unternehmen, Landwirten und Forschungseinrichtungen können nicht nur umweltfreundliche Alternativen geschaffen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit dieser Lösungen verbessert werden. Es liegt an der Branche, diese Chancen zu nutzen und einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt zu leisten. Denn der Autor ist sich sicher, dass die große Nachfrage nach biogenen Nebenprodukten kommen wird, wenn fossile Quellen zunehmend eingeschränkt werden. In der Vision der Twins Crew werden lokale heterogene, schadstoffhaltige Biomassegemische vorrangig für das Herstellen von Fermenten und Fermentationspolymeren wie für biobasiertes PBS oder PHAs und die sortenreinen biogenen Stoffströme für die Aufbereitung zu natürlichen Additiven genutzt.

Quelle: Twins Crew

Literatur

[1] Zimmermann, L.; Dombrowski, A.; Völker, C.; Wagner, M. Are bioplastics and plant-based materials safer than conventional plastics? In vitro toxicity and chemical composition. Environ. Int. 2020, 145, 106066. DOI: 10.1016/j.envint.2020.106066

[2] Rennert M. Utilizing the Antioxidant Properties of Coffee By-Products to Stabilize Bioplastics. Proceedings 2023, Vol. 89, No. 1, p. 7; DOI: 10.3390/ICC2023-14847

[3] Rennert, M.; Hiller, B.T. Influence of Coffee Variety and Processing on the Properties of Parchments as Functional Bioadditives for Biobased Poly(butylene succinate) Composites. Polymers, 2023, 15, 2985. DOI: 10.3390/polym15142985

[4] Hiller, B. T., Azzi, J. L., & Rennert, M. Improvement of the Thermo-Oxidative Stability of Biobased Poly (butylene succinate) (PBS) Using Biogenic Wine By-Products as Sustainable Functional Fillers. Polymers, 2023, 15(11), 2533. DOI: 10.3390/polym15112533

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