Demonstratorbauteil und verschiedene natürliche Füllstoffe; (v. l.): Holzfasern, Holzspäne und Stroh.

Demonstratorbauteil und verschiedene natürliche Füllstoffe; (v. l.): Holzfasern, Holzspäne und Stroh. (Bild: TH Rosenheim)

In Deutschland sind im Jahr 2021 rund 6,3 Mio. t Kunststoffabfall entstanden. Davon entfielen 5,4 Mio. t auf den Endverbraucher. Eine besonders große und stetig steigende Menge Kunststoffabfall entsteht durch Verpackungen. Deren Anteil an den Kunststoffabfällen beträgt 60 %. Lediglich 1 % der global eingesetzten Kunststoffe beziehungsweise Strukturpolymere basiert auf nachwachsenden Rohstoffen [1]. Die restliche Menge wird aus Erdöl gewonnen. Im Jahr 2020 wurden nur etwa 60 % der Kunststoffverpackungsabfälle stofflich recycelt, 40 % wurden thermisch verwertet [2,3]. Die in unserer Umwelt gelangten Verpackungen sind dabei nicht berücksichtigt. Nach Schätzungen des WWF sind dies jedes Jahr zwischen 4,8 bis 12,7 Mio. t [4]. Verpackungen sind aus dem alltäglichen Leben nicht wegzudenken und beispielsweise essenziell für die Lebensmittelindustrie (Haltbarkeit, Transport und weitere). In den Industrieländern gingen ohne Verpackungen circa 30 % der Lebensmittel verloren. Würden Kunststoffverpackungen durch Glas oder Papier ersetzt, würde der Energieverbrauch nach Angaben der Branche 2,2-mal höher ausfallen [5]. Die Kunststoffverpackungen haben somit einen hohen Stellenwert, sollten aber aufgrund der aktuellen Geschehnisse bezüglich Umweltschutz und Verfügbarkeiten ressourcenschonender eingesetzt werden. Dies kann beispielsweise durch die Erhöhung der Recyclingfähigkeit, Erweiterung der Recyclingströme oder durch den Einsatz von biobasierten und biologisch abbaubaren Rohstoffen erfolgen. Im Forschungsprojekt Naverpa untersuchte die Inotech Group gemeinsam mit der Technischen Hochschule Rosenheim den Einsatz nachwachsender Rohstoffe als Füll- und Verstärkungsmaterial für biobasierte Polymere und deren Einflüsse auf die Bauteileigenschaften sowie Verarbeitung und demonstrierte das Ergebnis an einem Tiegel für die Kosmetikindustrie. Dabei war es unter anderem Ziel, ein für die Kosmetikbranche ausgelegtes Inlay mit einem geringen Gewicht und damit Materialeinsatz umzusetzen sowie mit einer optisch, olfaktorisch und haptisch ansprechenden und nachhaltigen Außenschicht zu schützen. Die betrachteten Materialkombinationen wurden trennbar oder im gesamten recycelbar gestaltet.

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Eigenschaften im Verbund

Im ersten Schritt des Projektes wurden geeignete Biopolymere und Füllstoffe identifiziert. Anforderungen an den Füllstoff waren neben den ökonomischen Gesichtspunkten die natürliche Basis, eine stete lokale Verfügbarkeit und keine Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Agrargütern. Stroh wurde in Form von Halmen für die Untersuchungen eingesetzt. Die Halme zeigen einen länglichen Querschnitt von bis zu 0,5 mm x 5,0 mm mit einer Länge von mehreren Zentimetern. Holz wurde in Form von Spänen und Fasern untersucht. Zur Herstellung von Fasern ist ein Aufschlussverfahren der cellulosehaltigen Füll- beziehungsweise Verstärkungsstoffe notwendig. Die Späne weisen eine annähernd kubische Form von circa 1 cm Kantenlänge auf. Die Fasern sind zwischen 90 und 9.050 μm lang. Der Durchmesser variierte zwischen 30 und 480 μm.

Zitat

Im ersten Schritt des Projektes wurden geeignete Biopolymere und Füllstoffe identifiziert.

Zusammen mit verschiedenen Biopolymeren, beispielsweise PLA, wurden die Naturfasern in ihren verschiedenen Formen verarbeitet und anschließend auf ihre Eigenschaften geprüft. Die Prüfungen fanden an entsprechenden Komponenten des Multiprüfköper-Bauteils der Technischen Hochschule Rosenheim statt. Um dem für die Verarbeitung von Naturfasern typischen Geruch entgegenzuwirken und mit einer gewünschten Duftnote zu versehen, wurden Duftstoffe entwickelt. Diese wurden den Materialkombinationen in verschiedenen Dosierungen hinzugegeben. Die Untersuchungen ergaben, dass ein Duftstoffanteil von 1 wt.-% die Geruchsanforderungen an das Produkt (Note nach objektiver und hedonischer Skala < 4) ausreichend erfüllt. Weiterhin wurde der Einfluss des Duftadditiv-Anteils sowie der steigende Anteil an Stroh und Holz (in Form von Spänen und Fasern) auf die mechanischen Eigenschaften geprüft, nach ISO 527-2 und ISO 179-2. Es zeigte sich, dass die Zugabe der entwickelten Duftadditive die Kerbschlagzähigkeit reduziert. Auf die Festigkeit und Steifigkeit zeigt sich hingegen kein Einfluss. Mit einem steigendem Faseranteil sinkt die Festigkeit und die Kerbschlagzähigkeit der Materialkombination, die Steifigkeit nimmt allerdings zu. Dies wird auf die Geometrie der Halme beziehungsweise Späne zurückgeführt, die eine Kerbwirkung induzieren. Die Halme und Späne fungieren somit als Füll- und nicht als Verstärkungsstoff. Die Holzfasern als solche führen bei nicht hygroskopischen Kunststoffen wie PP [6,7] zu einer Verstärkungswirkung.

Balkendiagram. Einfluss des Mahlgutanteils auf die Mechanik der Materialkombination am Beispiel PLA-Compound mit 30 wt.-% Strohhalmen; Neuware entspricht 0 % Mahlgutanteil.
Einfluss des Mahlgutanteils auf die Mechanik der Materialkombination am Beispiel PLA-Compound mit 30 wt.-% Strohhalmen; Neuware entspricht 0 % Mahlgutanteil. (Bild: TH Rosenheim)

Polylactid ist ein auf nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr oder Mais basierender Polyester. Die in den Fasern trotz Trocknung verbleibende Restfeuchte und die damit enthaltenden Wassermoleküle spalten die in der PLA-Hauptkette befindlichen Esterbindungen durch Hydrolyse und führen zu einem Molmassenabbau von PLA. Der Verstärkungswirkung durch die Fasern wirkt der Molmassenabbau des biobasierten Polyesters somit entgegen. Ein weiterer Teil des Projektes befasste sich mit der Werkzeugtechnik. Für die Verarbeitung der Materialkombination im 2K-Spritzguss wurde von der Inotech Group ein Heißkanalsystem entwickelt, das speziell für die Verarbeitung scherempfindlicher Biopolymere und Naturfasern entwickelt wurde und Abbauprodukten wie Milchsäure bei PLA standhält. Standard-Heißkanäle führen durch den kleinen Querschnitt zu einer für Naturfasern zu hohen thermischen Belastungen. Dabei wurden verschiedene Anschnittvarianten von Heißkanalsystemen getestet. Die holzfaserverstärkten Kunststoffe mit ihrer schlanken Geometrie konnten noch mit Torpedo-Anschnitt verarbeitet werden. Der Einsatz größerer Partikel wie Holzspäne und Strohhalme führte dazu, dass der Kanal verstopft. Durch den Einsatz eines außenbeheizten Heißkanals mit Nadelverschlussdüse konnte ein konstanter Schmelzefluss ermöglicht werden. Verbaut wurde der Heißkanal in einem Drehtellerwerkzeug zur Herstellung des Demonstratorbauteils (Tiegel). Das Werkzeug wurde entsprechend der Naturfaser-Biopolymer-Kombination ausgelegt und optimiert.

Recyclingfähigkeit der Materialkombination

Demonstrator-Drehtellerwerkzeug, bestückt mit aus Biopolymer abgeformten Innentiegel (oben) und mit naturfaserverstärktem Biopolymer umspritzten Innentiegel (unten).
Demonstrator-Drehtellerwerkzeug, bestückt mit aus Biopolymer abgeformten Innentiegel (oben) und mit naturfaserverstärktem Biopolymer umspritzten Innentiegel (unten). (Bild: TH Rosenheim)

Der Materialverbund aus Biopolymer und Naturfasern wurde auf seine mechanische Recyclingfähigkeit hin untersucht. Dabei wurde der Demonstrator in Innentiegel und Außentiegel getrennt. Der Außentiegel wurde mechanisch zerkleinert und zu Prüfkörpern weiterverarbeitet. In der Untersuchung der Bauteilmechanik nach ISO 527-2 und ISO 179-2 nimmt diese im Vergleich zur Neuware ab. Die Festigkeit sinkt um 10 %, während sich die Steifigkeit und Schlagzähigkeit unabhängig des Mahlgutanteils (33 bis 100 wt.-%) nicht signifikant ändert. Ab einem Mahlgutanteil von 66 wt.-% streuen die Eigenschaften beziehungsweise die Schlagzähigkeit in erhöhtem Maße. Ein gesteigerter Mahlgutanteil zeigt sich optisch an einem erhöhten Anteil an gekürzten Strohhalmen beziehungsweise Nawaros an der Bauteiloberfläche. Die gewünschten, der Natur ähnelnden Unregelmäßigkeiten in der Optik bleiben erhalten. Eine thermische Schädigung beziehungsweise Dunkelfärbung kann nur in geringem Maße festgestellt werden.

Dank

Das Projektkonsortium, bestehend aus der Inotech Group und der Technischen Hochschule Rosenheim, möchte sich herzlich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie bei Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e. V. für die Förderung bedanken.

Quelle: Inotech, TH Rosenheim

Literatur

[1] EUBP (European Bioplastics e. V.) (o. J.): Bioplastics market data. https://www.european-bioplastics.org/market/ (22.07.2023)

[2] Conversio-Studie: Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2021: Zahlen und Fakten zum Lebensweg von Kunststoffen, 2021

[3] Umweltbundesamt: Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutschland im Jahr 2020, Abschlussbericht, 2020

[4] WWF-Deutschland: Plastikmüll im Meer – die wichtigsten Antworten. https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/plastikmuell-im-meer/fragen-und-antworten-zu-plastikmuell/ (22.07.2023)

[5] Gassmann, M. Verzicht auf Plastikverpackungen bringt ein neues Problem, https://www.welt.de/wirtschaft/article175087580/Verpackung-Verzicht-auf-Plastik-bringt-ein-Haltbarkeitsproblem.html/ (22.07.2023)

[6] Obermeier, F.; Schumacher, M.; Barth, S.; Karlinger, P.; Michanickl, A.; Schemme, M.; Altstädt, V.: Verstärkung von Polypropylen mit Holzfasern durch Direkt-Compoundierung; Zeitschrift Kunststofftechnik / Journal of Plastics Technology; Volume 17; 2021; S. 87-111, https://doi.org/10.3139/o999.02022021

[7] Wiedl, S.; Karlinger, P.; Schemme, M.; List, M.; Ruckdäschel, H.: Comparison of Melting Processes for WPC and the Resulting Differences in Thermal Damage, Emissions and Mechanics; Materials; Volume 15; 2022, https://doi.org/10.3390/ma15093393

[8] Carlson, D.; Dubois, P.; Nie, L.; Narayan, R.: Free Radical Branching of Polylactide by Reactive Extrusion, Polymer Engineering and Science, 38, (1998), 311-321
https://doi.org/10.1002/pen.10192

 

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

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