Mann steht im Labor mit Glasflasche in der Hand, die blaue Flüssigkeit enthält

Prof. Dr. Matthias Noll ist an dem Forschungsprojekt zur Bioabbaubarkeit von Kunststoffen beteiligt. (Bild: Natalie Schalk, Hochschule Coburg)

Plastik ist leicht, stabil, lässt sich in nahezu alle Formen bringen und kostet nicht viel. Dass es bisher meist aus dem fossilen Rohstoff Erdöl hergestellt wird, ist allerdings nicht der einzige Nachteil: Der natürliche Abbau dauert mehrere 100 Jahre, die Meere sind voller Tüten und Flaschen und Mikro- und Nanoplastikpartikel reichern sich zunehmend in der Nahrungskette an. Lassen sich die Vorteile des Materials nutzen – und gleichzeitig die Nachteile vermeiden?

Es gibt Plastik, das biologisch hergestellt wird und sich von selbst abbaut. Das klingt nach einer Lösung für eines der größten Probleme unserer Zeit. Aber vieles ist dabei noch ungewiss: Wie produzieren welche Mikroorganismen bioabbaubares Plastik, wie funktioniert der Abbau genau? Was bleibt übrig? Wie wirkt sich das wiederum aus? Und welche Rolle spielen Umweltbedingungen und der Klimawandel dabei? Das untersuchen Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Institutionen am Beispiel von Mulchfolien.

Wie aus einer Mulchfolie Kohlenstoffdünger wird

Mulchfolien helfen in der Landwirtschaft, Unkraut zu unterdrücken und Feuchtigkeit im Boden zu halten. „Bisher sind sie meist aus Polyethylen, PE. Das verrottet schlecht“, Prof. Dr. Matthias Noll runzelt die Stirn: „also eigentlich gar nicht. Abbaustoffe von PE in Lebensmitteln wie Salat kann hormonell für viele Tiere wirksam sein.“ Bei Fröschen zum Beispiel verändert sich dadurch das Geschlecht. „Es gibt dann weniger Weibchen, also auch weniger Nachkommen.“ Noll leitet den Bachelor-Studiengang Bioanalytik an der Hochschule Coburg und zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem Umweltmikrobiologie und die Beständigkeit verschiedener Materialien gegenüber Mikroorganismen. „Bioabbaubare Mulchfolie verwandelt sich in einigen Wochen in eine Art Kohlenstoffdünger. Sie kann einfach untergeackert werden.“

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Warum das zukünftige Klima berücksichtigt wird

Noll und sein Kollege Prof. Dr. Stefan Kalkhof, Leiter des Masterstudiengangs Bioanalytik an der Hochschule Coburg, sowie Forschungsteams der Hochschule Anhalt und des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben die von Pflanzen hergestellte Mulchfolie PBSA (Polybutylensuccinat-Co-Adipat) untersucht. „Wir haben dabei die Umweltbedingungen angeschaut“, erklärt Noll. Untersucht wurde, wie sich die Folie beim heutigen Klima abbaut – und wie in einem Klima der Zukunft. In Gewächshauskammern der Global Change Experimental Facility (GCEF) in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) wurden dafür die Intensität der Sonnenstrahlung und der Temperaturdurchschnitt künstlich um 0,6 Grad erhöht, außerdem wurde ein Wechselspiel aus Trockenphasen und starker Feuchtigkeit simuliert. Zum Vergleich wurden Bodenproben mit und ohne Plastik analysiert. Ergebnis: Auch bei einem Klima, das im Jahr 2100 herrschen wird, wird der Abbau gut funktionieren.

Diese Erkenntnisse bringen Analysen

An der Hochschule Coburg wurden die Kunststoffe zuerst mit Hilfe eines Spektrometers analysiert. Dabei wird ein Laserstrahl durch die Probe geschickt. Die Moleküle reflektieren und brechen das Licht auf unterschiedliche Weise, das wird in einem Wellendiagramm dargestellt und so lässt sich die Molekülstruktur bestimmen, „Vergleicht man Proben, die eine Zeit in der Erde lagen mit neuen, kann man genau bestimmen, welche Abbauprodukte entstehen“, erklärt Noll. Um die Bestandteile quantitativ zu erfassen, wurde eine Gel-Permeations-Chromatographie (GPC) genutzt. Hauptbestandteil von Kunststoffen sind Polymere. Das aus dem griechischen stammende Wort bedeutet schlicht „viele Teile“ und das trifft es ziemlich genau: Es sind viele gleiche Moleküle, die mal durch längere, mal durch kürzere Ketten verbunden sind. Manche sind geradlinig, andere verzweigt.

Bei der GPC werden die Verbindungen in einer Flüssigkeit aufgelöst. So kann die so genannte molare Masse der einzelnen Bestandteile bestimmt werden. „Plastik ist eigentlich eine einzige Masse, aber im Abbau entstehen viele kleine Metabolitmassen. Wir wollten genau wissen, welche das sind.“ Außerdem wurde noch eine dritte Messung an der Hochschule Coburg durchgeführt: Die Lipasen, eine spezielle Art von mikrobiellen Enzymen, greifen das bioabbaubare Plastik an, lösen die Kohlenstoffverbindungen und setzen die einzelnen Bestandteile frei. Prof. Noll nutzte einen Farbstoff, der sich bei Lipase-Aktivität bräunlich färbt. Durch den kolorimetrischen Test wurde die Aktivität der Enzyme festgestellt. „Je mehr Enzyme da sind, desto schneller geht der Abbau.“

Transparentes Probenstück wird analysiter
Im Spektrometer wird ein Laserstrahl durch die Probe geschickt, um die Molekülstruktur zu bestimmen. (Bild: Natalie Schalk, Hochschule Coburg)

Plastik, das biologisch abgebaut wird, gibt es bereits seit einigen Jahren zu kaufen: Im Baumarkt stehen Tomatenpflanzen in Töpfen aus Bioplastik und immer häufiger werden kompostierbare Müllbeutel angeboten. „Marktführer sind immer noch petroleumbasierte Kunststoffe, aber der Anteil bioabbaubarer Plastiksorten nimmt zu“, sagt Noll. Es gibt Sorten, die aus Getreide hergestellt werden, andere durch solche heterotrophen und auch phototrophen Mikroorganismen, mit denen sich die Forschungsgruppe in ihren Untersuchungen beschäftigt hat. „Alle bioabbaubaren Plastikverbindungen haben den Vorteil, dass sie zur CO2-Fixierung beitragen.“ Die „biodegradable biobased plastics“, wie sie international bezeichnet werden, helfen also beim Klimaschutz. Und auch wenn der Agrarbereich Thema ist, wurden für die Untersuchungen keine Proben aus der Landwirtschaft genutzt. Sondern aus der thailändischen Automobilindustrie. „Auch da geht es darum, den CO2-Abdruck zu reduzieren. Darüber hinaus sind die Autohersteller angehalten, recyclebare Komponenten zu produzieren“, erklärt Noll. Ein großes Thema für die Automobilindustrie. „Im Fahrzeuginnenraum, wo wenig Dreck ist, kann man gut auf bioabbaubares Plastik zurückgreifen.“

Quelle: Hochschule Coburg

Wer hat die Forschungen durchgeführt?

Bisher wurden von den Forscherinnen und Forschern der Hochschule Coburg, der Hochschule Anhalt und des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) drei Studien zu bioabbaubarem Plastik durchgeführt. Federführend beteiligt waren neben der Hochschule Coburg Witoon Purahong und Carola Griehl.

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