Mann mit kurzen blonden Haaren neben einem Extensometer.

Die ISO 527 stellt hohe Anforderungen an die Genauigkeit berührungsloser Extensometer. (Bild: Zwickroell)

Die ISO 527 deckt gefüllte und ungefüllte Kunststoffe, Extrusions- und Gussformmassen, Folien und Platten sowie langfaserverstärkte Verbundwerkstoffe ab. Sie beschreibt detailliert Prüfbedingungen wie die Geometrie der Probekörper, die Messwerterfassung oder die Prüfgeschwindigkeit. Auch die Art der Auswertung ist festgelegt: Aus dem sich ergebenden Spannungs-Dehnungs-Diagramm lassen sich eine ganze Reihe von Kennwerten ermitteln, von der Streckdehnung und -spannung über das Zugmodul bis hin zur Zugfestigkeit und der Bruchdehnung. Im Zuge der letzten Aktualisierung des Teil 1 im Jahr 2019 gab es drei wichtige Änderungen: Die Anforderungen an die Dimensionsmessungen der Probekörper wurden weiter detailliert, die Anforderungen an die Dehnungsmessung für die Bestimmung des Zugmoduls neu definiert und eine neue Definition für die Ergebnisse bei maximaler Spannung und beim Bruch eingeführt.

Anforderungen an die Prüfkörper

Die ISO 527-2 definiert Probekörperformen und -abmessungen für den Zugversuch, die auf der ISO 20753 basieren. Für Vergleichszwecke wird üblicherweise der Probekörpertyp 1A eingesetzt, der unter standardisierten Bedingungen im Spritzgussverfahren hergestellt wird. Der Querschnitt dieses Probekörpers ist mit 4 x 10 mm festgelegt und die parallele Länge beträgt 80 mm, was die Verwendung einer großen Messlänge von 75 mm ermöglicht. Für Probenentnahmen aus Bauteilen oder Platten stellt die Norm weitere Probekörper zur Verfügung. Der Typ 1B ist das Pendant zum Probekörper 1A, jedoch mit größeren Übergangsradien. Dieser Probekörper steht in mehreren Verkleinerungen als Typ 1BA und Typ 1BB zur Verfügung. Für Wärmealterungsversuche sieht die Norm die aus der Schlagzugnorm ISO 8256 entlehnten Probekörper der Typen CP und CW vor. Während spritzgegossene Probekörper den Anforderungen der ISO 294 entsprechen müssen, entstehen formgepresste Probekörper nach der ISO 293. Entnimmt man Probekörper aus Bauteilen, dann wird eine Bauteileigenschaft gemessen. Hierzu ist es unerlässlich, dass die Entnahmestellen und Richtungen exakt festgelegt sind, damit vergleichbare morphologische Zustände vorliegen. Die Konditionierung der Probekörper vor und während der Prüfung muss exakt vereinbart werden. Häufig wird hierzu ein Klima nach ISO 291 angewendet, beispielsweise eine 16-stündige Konditionierung bei 23 °C und 50 % relativer Feuchte.

Exakte Bestimmung der Abmessungen

Vorrichtung mit einem Greifer unten und oben.
Das Multi-Xtens II ist ein Allrounder für wechselnde Anwendungen. (Bild: Zwickroell)

Die Reproduzierbarkeit der Prüfergebnisse hängt maßgeblich von der exakten und reproduzierbaren Bestimmung der Abmessungen des Prüfkörpers ab. Auch hier setzt die aktualisierte Version der ISO 527-1 aus 2019 an, um ein klassisches Problem zu lösen, das aus der Herstellung der spritzgegossenen Proben herrührt: Die Prüfkörper vom Typ 1A haben keinen perfekt rechtwinkligen Querschnitt. Eine Entformungsschräge ist notwendig, um den fertigen Probekörper leicht aus dem Spritzgießwerkzeug auswerfen zu können. Zudem erzeugt die Schwindung beim Spritzgießvorgang leicht konkave Oberflächen. Daraus ergaben sich Schwierigkeiten bei der Vermessung der Probekörper – systematische Abweichungen vom eigentlichen Messwert, je nach verwendeter Messmethodik waren die Folge. Die 2019er Version der ISO 527-1 und die Norm für die Bestimmung linearer Abmessungen, ISO 16012, legen nun exakt die Beschaffenheit der Kontaktflächen des Messmittels sowie die genauen Messpositionen fest. Das Messmittel der Wahl ist die Mikrometerschraube mit Ratsche und mit ebenen 6,35 mm Tastelementen oder ein automatisches Querschnittsmessgerät wie das CMU 30 von Zwickroell, welches eine hohe Genauigkeit und Bedienerunabhängigkeit ermöglicht: Der eingelegte Probekörper wird gleichzeitig in der Breite als auch der Dicke vermessen und die Werte an die Prüfsoftware Testxpert III für den Zugversuch weitergegeben.

Durchführung des Zugversuchs

Vor Beginn der Prüfung, also noch vor dem Einspannen des Probekörpers, ist das Kraftmesssystem zu tarieren. Würde dies erst nach dem Einspannen geschehen, dann würden die durch den Einspannvorgang verursachten Kräfte in der Messung quasi unterschlagen werden, obwohl sie tatsächlich auf den Probekörper wirken. Diese beim Einspannvorgang durch Verdrängung des Polymers in den Einspannstellen entstehenden Kräfte und die damit verbundenen Vorverformungen des Werkstoffs im Bereich der parallelen Länge des Probekörpers können sich auf die dann folgende Messung des Zugmoduls auswirken und den Kennwert um mehr als 3 % verändern. Die Prüfsoftware Testxpert III bietet daher für alle Prüfmaschinen eine Funktion, um die Kräfte während des Einspannens automatisch auszugleichen und so dieses Problem zu vermeiden. Der Probekörper soll möglichst exakt im Verlauf der Zugachse der Prüfmaschine stehen und nach dem Einspannen weder Winkel- noch Versatzfehler aufweisen. Ausrichtungsfehler haben eine zusätzliche Biegeverformung zur Folge und verursachen auch bei dehnbaren Werkstoffen Probleme bei der Messung des Zugmoduls. Im Versuch an Probekörpern aus PBT konnte nachgewiesen werden, dass ein Versatzfehler von 2 mm die Messwerte des Zugmoduls um rund 4 % veränderte. Bei spröden Werkstoffen können Ausrichtfehler einen großen Einfluss auf die gemessenen maximalen Zugspannungen und Bruchdehnungen haben. Da sich Kunststoffe viskoelastisch verhalten, hat die tatsächlich am Probekörper aufgebrachte Dehngeschwindigkeit einen signifikanten Einfluss auf das gemessene Zugmodul. Mechanische, auf Keilwirkung basierende Probenhalter erzeugen während der Prüfung eine Eigenbewegung, die zu einer Verringerung der tatsächlichen Dehnrate führt. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz von parallel schließenden, pneumatischen Probenhaltern.

Hohe Anforderungen an das Extensometer

Die Modulbestimmung erfolgt normalerweise mit den großen Probekörpertypen 1A oder 1B. Dabei wird die Steigung der Spannungs-Dehnungskurve im Bereich zwischen 0,05 und 0,25 % Dehnung als Regressionsgerade ermittelt. Die Kraftmessung in Klasse 1 nach ISO 7500-1 weist üblicherweise eine hohe Differenzgenauigkeit zwischen zwei Messpunkten auf und ist deswegen unkritisch. Entscheidend für die Genauigkeit ist die Präzision des verwendeten Extensometers. Die ISO 527-1 fordert, dass die Messstrecke zwischen den beiden Dehnungsendpunkten der Modulbestimmung mit einer Genauigkeit von ±1 % oder besser gemessen wird. Bezogen auf den Probekörpertyp 1A mit seiner Anfangsmesslänge von 75 mm beträgt diese Distanz nur 150 µm. Der erlaubte Messfehler muss geringer als ±1,5 µm sein. Die Einordnung eines Extensometers in der üblichen Klasse 1 nach ISO 9513 reicht nicht aus, um die normgerechte Messung des Zugmoduls zu beschreiben, da diese Klasse einen Fehler in der Differenzmessung von ±3,0 µm erlaubt. Darum wurden in der ISO 527-1 Anforderungen an die Genauigkeit der Differenzwegmessung aufgenommen, die im normativen Anhang C detailliert sind. Zwickroell bietet verschiedene Extensometer, die diese Anforderungen erfüllen: Die digitalen Extensometer Makroxtens und Multi-Xtens sind fest in der Prüfmaschine installiert, werden softwaregesteuert an- und abgesetzt und können bis über den Bruch des Probekörpers angesetzt bleiben. Für Messungen in Temperierkammern oder für Messungen an kontaktempfindlichen Werkstoffen stehen berührungslose Extensometer wie der Videoxtens HP zur Verfügung.

Monitoransicht mit Tabellen und einer Grafik mit Kurven.
Die Prüfsoftware Testxpert III zeichnet gewonnene Daten auf und übernimmt die Auswertung. (Bild: Zwickroell)

Die Spannungs-Dehnungs-Kurve

Der Zugversuch lässt sich in zwei Bereiche aufteilen: Die Ermittlung des Zugmoduls bei niedriger Prüfgeschwindigkeit von 1 mm/min und den weiteren Zugversuch bis zum Bruch des Probekörpers bei erheblich höherer Prüfgeschwindigkeit (üblicherweise 5 oder 50 mm/min). Die aktuelle Revision der ISO 527-1 gestattet ausdrücklich eine Geschwindigkeitsänderung nach Bestimmung des Zugmoduls. Dafür gibt es zwei erlaubte Verfahren: die direkte Geschwindigkeitsänderung ohne Unterbrechung der Prüfung oder die Entlastung des Probekörpers und den erneuten Start des Zugversuchs. Je nach zu prüfendem Werkstoff unterscheidet die ISO 527 vier verschiedene charakteristische Kurvenverläufe. Kurventyp 1 zeigt einen spröden Verlauf, der bei stark gefüllten Polymeren oder Faserverbundwerkstoffen typisch ist. Die Typen 2 und 3 zeigen das Verhalten thermoplastischer Kunststoffe mit vorhandenem Streckpunkt, wie Polyäthylen, Polypropylen oder Polycarbonat. Der Kurventyp 4 zeigt einen dehnbaren Verlauf ohne Streckpunkt, wie er beispielsweise bei thermoplastischen Elastomeren beobachtet werden kann. Die Resultate bei den Kurventypen 1 und 4 liegen in einem einzigen Punkt auf der Kurve. Dieser beschreibt zugleich die Maximalspannung, die Bruchspannung, die Dehnung bei maximaler Spannung und die Dehnung bei Bruch. Die Dehnungswerte werden mit einem Extensometer bis zum Bruch der Probe gemessen. Bei Kurventyp 4 können zusätzlich Dehnungsbezugswerte, also Spannungen bei bestimmten Dehnungen vereinbart werden, um das Dehnverhalten näher zu beschreiben. Interessant wird es dagegen bei thermoplastischen Kunststoffen mit den Kurventypen 2 und 3. Unterhalb der Streckgrenze verformen sich diese Werkstoffe weitgehend homogen über die ganze Länge der Probe hinweg. Beim Überschreiten der Streckgrenze hingegen bilden sich lokale Fließzonen aus, innerhalb derer die Dehnrate stark ansteigt, während sie in den anderen Bereichen abfällt. Diese lokalen Dehnraten können mehr als 10-mal so hoch sein wie die durchschnittliche Dehnrate, sodass die Dehnungen stark inhomogen verteilt sind. Um dieses Verhalten wiederholbar zu messen, arbeitet man nach ISO 527 nur bis zu einem Streckpunkt mit direkter Dehnungsmessung per Extensometer. Ab dem Streckpunkt wird der Verformungsweg des gesamten Probekörpers über den Weg der ziehenden Klemme und damit als nominelle Dehnung gemessen. Zur besseren Darstellbarkeit werden beide Teile der Spannungs-Dehnungskurve miteinander verbunden. Dies vermeidet die Aufzeichnung zweier unterschiedlicher Kurven.
Der für ungefülltes Polypropylen typische Kurventyp 2 zeichnet sich durch einen weiteren Spannungsanstieg nach dem Streckpunkt aus. Je nachdem, wie weit die Zugspannung ansteigt, könnte das Maximum entweder am Streckpunkt oder am Bruchpunkt liegen. Um ein „Springen“ der Messwerte „maximale Spannung“ und „Dehnung bei max. Spannung“ zu vermeiden, definiert die letzte Revision der ISO 527-1 das erste auftretende Maximum als den Punkt der maximalen Spannung.

Quelle: Zwickroell

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