Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Oberfläche eines ABS/PC Spritzgussteiles mit laminarem Aufbau.

Bild 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Oberfläche eines ABS/PC Spritzgussteiles mit laminarem Aufbau. (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Einen Fehler zu machen ist keiner, nicht daraus zu lernen aber wohl. Die kunststoffverarbeitende Industrie und insbesondere die Betriebe, die Kunststoffteile nicht nur herstellen, sondern auch beschichten bewegen sich zurzeit in einem schwierigen Umfeld. Einerseits Kostendruck auf der Abnehmerseite, andererseits höhere Energie- und Rohstoffkosten und nicht zuletzt gestiegene Anforderungen an Nachhaltigkeit und Qualität sind Herausforderungen, die immer schwieriger in Einklang zu bringen sind. Da ist es umso wichtiger, dass die Prozesskette möglichst fehlerfrei läuft. Doch auch wenn niemand gerne darüber spricht, Fehler bei der Herstellung von Polymerbauteilen und bei der anschließenden Beschichtung passieren. Die Folge sind nicht selten Ausschussquoten von bis zu 80 %. Das ist genauso erschreckend wie vermeidbar. Fehlervermeidung ist ein essentieller Beitrag zur Effizienzoptimierung eines Prozesses. Um Energie und Ressourcen zu sparen ist es dabei notwendig, die Störungen mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und damit zu verstehen.

Häufige Ursachen für Beschichtungsfehler

Wenn Enthaftungen der Beschichtungen, Lackkrater, Staubeinschlüsse, Verfärbungen, Risse auftreten, ist oft der erste Reflex, es dem Beschichtungsmaterial zuzuschreiben. Doch nicht selten sind Beschichtungsfehler eine unmittelbare Folge von Fehlern in der Qualität oder Beschaffenheit der Polymerbauteile. Die häufigsten Ursachen für substratbedingte Fehler in der Beschichtung von Polymerbauteilen sind:

  • Mangelnde Materialkenntnisse
  • Herstellungsfehler wie Spritzgussfehler
  • Mangelnde Materialqualität
  • Unzureichende Vorbehandlung
  • Falsche Beschichtungsparameter
  • Fehler in der Trocknung des Granulates
  • Fehler in der Lackhärtung
  • Unsaubere Lackierbedingungen
  • Unzureichend geschultes Personal
  • Falsche Produktplanung

Auch für aufgedampfte Metallisierungen oder galvanische Beschichtungen treffen sinngemäß viele dieser Faktoren zu. Im Folgenden werden exemplarisch einige typische Fehler aufgegriffen und gezeigt, wie diese vermieden werden können, um die Effizienz der Prozesse zu verbessern.

Lichtmikroskopisches Aufnahme einer Stippe in einer Metallic-Lackierung.
Bild 2 (oben): Lichtmikroskopisches Aufnahme einer Stippe in einer Metallic-Lackierung. (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Wenn Grate die Beschichtung stören

Fluoreszenzmikroskopisches Bild des Querschliffes durch eine Fehlstelle.
Bild 2 (unten): Fluoreszenzmikroskopisches Bild des Querschliffes durch eine Fehlstelle. (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Bild 2 zeigt einen Lackierungsfehler in einer dreischichtigen Lackierung auf einem gefüllten Polyamidbauteil. Die Beschichtung besteht aus Primer, einem schwarzen Effektlack und einem Klarlack. In Teilbereichen treten die gezeigten Lackfehler auf, die oberflächlich betrachtet beispielsweise als Staubeinschlüsse bewertet werden könnten, jedoch von einem Grat aus dem Spritzgussprozess verursacht werden. Erst der Querschliff durch eine Fehlstelle auf der Formtrennkante kombiniert mit (Fluoreszenz) Lichtmikroskopie in Falschfarbendarstellung (Bild 2, unten) offenbart, dass hier ein dünner Polymerfaden aus der Oberfläche des Spritzgussbauteils herausragt. Dieser dünne Polymerfaden wird von den drei Lackschichten umhüllt. Auch zeigt die Aufnahme, dass es sich nicht wie angenommen um die Glasfasern des Materials handelt, sondern um Polyamid. Somit liegt der Fehler offensichtlich in der Bauteilfertigung. Aus Kostengründen wurde auf eine Nachbearbeitung der Grate verzichtet, was sich im Nachhinein als kostspielige Fehlentscheidung herausgestellt hat.

Zitat

Die Beschichtung verdeckt keine Bauteilfehler, sondern hebt diese deutlich hervor.

Deshalb sind Enthaftungen nicht immer eine Folge ungenügender Reinigung

Lackenthaftungen stellen einen weiteren häufig vorkommenden Beschichtungsfehler dar. Dafür kann es eine Vielzahl von Ursachen geben wie:

  • Ungenügende Reinigung der Bauteile
  • Auswanderung von Polymerbestandteilen an die Oberfläche
  • Hydrolyse des Polymers
  • Spritzgussfehler wie laminarer Schmelzfluss
  • Fehler bei der Lackapplikation
  • Qualität des Lackmaterials

Diese Ursachen lassen sich durch rein visuelle Einschätzung und selbst mit einer Lupe oder einem Mikroskop nicht sicher unterscheiden. Insbesondere bei Polycarbonat oder ABS/PC kommt es häufig zu Enthaftungen, deren Ursache in der Delamination einer ultradünnen Schicht der Oberfläche des Polymers liegt. Bei der Lackhaftungsprüfung löst sich diese mit der Beschichtung ab. Dies ist nur selten optisch erkennbar und wird daher allzu schnell dem Lackmaterial oder einer unzureichenden Reinigung zugeordnet. Die Gründe für diese Delaminationen können aber unzureichende Spritzgussparameter sein, die im Extremfall zu einem blätterteigartigen, laminaren Aufbau des Spritzgusses führen (siehe Bild 1). Aber auch ein Abbau des Polymers durch Feuchte oder Hitze kommen sehr häufig vor. Gerade Polycarbonat unterliegt in Gegenwart von Feuchte und Hitze einer Kettenspaltung [1]. Das tritt auf, wenn die Trocknung des Granulates nicht typgerecht durchgeführt wurde oder aber auch beim Schwitzwassertest und Hydrolysetest. Als Folge wird das Polymer bis zu kurzkettigen Bisphenol-A Oligomeren abgebaut, die wie ein schmieriger Film auf der Oberfläche liegen. Die Unterscheidung, ob es sich tatsächlich um einen Fehler an der Oberfläche des Polymers handelt oder um einen Applikationsfehler des Beschichters, ist wichtig, um geeignete Abstellmaßnahmen zielgerichtet durchführen zu können. Dazu ist es notwendig, den Schadenfall durch analytische Methoden wie Infrarotspektroskopie zu untersuchen.

Enthaftung einer Lackschicht auf einer PC/ABS-Bauteiloberfläche.
Bild 3: Enthaftung einer Lackschicht auf einer PC/ABS-Bauteiloberfläche. (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Wenn das Granulat Nebenbestandteile enthält

Niedermolekulare Anteile des Polymers können, wie im Fall von Polyamid, zu ganz anderen Lackierungsfehlern führen. Bild 4 zeigt eine Blasenbildung in einer Mehrschichtlackierung. Öffnet man eine Blase, so sind darin Kristalle zu sehen (Bild 4, rechts). Dabei handelt es sich um auskristallisierte Oligomere des Polyamids. Diese sind vom Polymerisationsprozesses des Werkstoffs im Material enthalten und müssen vor der Verarbeitung des PA durch Konditionierung entfernt werden.

Blasenbildung in einer Lackierung (links); Kristalle aus niedermolekularem Polyamid auf dem Blasenboden (rechts).
Bild 4: Blasenbildung in einer Lackierung (links); Kristalle aus niedermolekularem Polyamid auf dem Blasenboden (rechts). (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Das Beispiel in Bild 5 zeigt, wie mit rein visuellem Betrachten eines Lackfehlers falsche Schlüsse gezogen werden können. Was hier vielleicht für Blasen in der Zweischichtlackierung auf PC/ABS gehalten werden könnten, stellt sich bei der fluoreszenzmikroskopischen Untersuchung im Querschnitt/-schliff als Einschluss von „Fremdmaterial“ im Spritzgussbauteil dar. Der Einschluss wirkt sich bis in die Oberfläche als „Beule“ aus und wird von den Lackschichten nachgebildet und hervorgehoben. Bei dem Einschluss im Polymer handelt es sich um auskristallisiertes Magnesiumsulfat, ein Fällungsmittel aus der Polymerherstellung.

Vermeintliche Blasen in einer Lackierung (links); Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Querschliffes durch eine dieser „Blasen“ (rechts).
Bild 5: Vermeintliche Blasen in einer Lackierung (links); Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Querschliffes durch eine dieser „Blasen“ (rechts). (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Nicht immer sind es technische Ursachen

Es gibt jedoch auch Fälle in denen das vordergründig technische Problem in letzter Konsequenz auf eine falsche Produktionsplanung zurückzuführen ist. In einem Schadenfall wurde ein Polyolefin-Bauteil für das Interieur eines Pkw entwickelt. In der ursprünglichen Planung sollte dieses laut Lastenheft unlackiert verbaut werden. Zu einem späteren Zeitpunkt des Projektes wurde aber entschieden, es doch zu lackieren, um die Anmutung zu veredeln. Es kam nach Serienfertigung und SOP zu Rückläufern, weil sich auf der Lackoberfläche, insbesondere in der warmen Jahreszeit, weißliche Ausblühungen gebildet hatten. Durch chemische Analysen konnte festgestellt werden, dass nicht, wie zunächst angenommen, der Lack oder die Lackierung fehlerhaft war. Vielmehr enthielt das Polymer einen hohen Anteil an Stabilisatoren, die zugesetzt waren, um seinen (unlackierten) Einsatz im Sichtbereich des Pkw zu gewährleisten. Es wurde jedoch entschieden, die Rezeptur nicht zu ändern, nachdem die Produktionsplanung doch eine Lackierung vorsah. Die Stabilisatoren des Polymers erwiesen sich als gut „löslich“ im Lack und wanderten unter Einfluss von Wärme und Luftfeuchte an dessen Oberfläche und kristallisierten als weißer Belag aus. Diese Beispiele zeigen, dass beim Auftreten von Lackierfehler sehr genau hingeschaut werden sollte. Eine vorschnelle Bewertung, die sich auf das Lackmaterial oder den Lackierungsprozess als Ursache festlegt, ohne dass dazu gesicherte Beweise vorliegen, verursacht unnötige Verzögerungen sowie Kosten und hilft nicht das Problem dauerhaft zu beseitigen.

 

Tabellemit 4 Spalten und 11 Reihen: Häufige Lackierungsfehler, deren Ursachen im Werkstück liegen.
Tabelle 1: Häufige Lackierungsfehler, deren Ursachen im Werkstück liegen. (Bild: Dr. Roger Dietrich)

Literatur

[1] As an ester of bisphenol A and carbonic acid, polycarbonate will gradually be split into the components again by water at a high temperature...“ aus „Makrolon- The chemical resistance“ by Covestro Edition 2016-12

Sie möchten gerne weiterlesen?