Ausschnitt eines Innentürgriffs und Lüftung in einem Auto. Möglich ist die automatisierte Qualitätskontrolle von glänzenden Bauteilen aus unterschiedlichen Branchen. Im Automotivebereich können etwa Türelemente, Zierblenden und -leisten oder Türgriffe beschichtet oder unbeschichtet geprüft werden.

Möglich ist die automatisierte Qualitätskontrolle von glänzenden Bauteilen aus unterschiedlichen Branchen. Im Automotivebereich können etwa Türelemente, Zierblenden und -leisten oder Türgriffe beschichtet oder unbeschichtet geprüft werden. (Bild: Aleksandr Kondratov – stock.adobe.com)

Von Zierleisten im Auto bis zum Gerätegehäuse eines hochwertigen Kaffeevollautomaten: Bevor Waren aus Spritzguss die Produktionsstätte verlassen, sollte ihre Qualität geprüft und sichergestellt sein. Handelt es sich um Produkte mit einer reflektierenden Oberfläche, ist eine automatisierte Kontrolle besonders herausfordernd: Einfache fotografische Verfahren können hier aufgrund von Spiegelungen nicht eingesetzt werden, und manuelle Qualitätsprüfungen – insbesondere bei hohen Stückzahlen – sind zeit- und kostenintensiv. Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS hat daher ein patentiertes System entwickelt, das glänzende oder diffus reflektierende Oberflächen komplett automatisiert kontrolliert.

Etablierte Prüfverfahren mit KI optimieren

Eingesetzt wird hierfür ein in Größe und Standort flexibler Scanner, bestehend aus LED-Beleuchtung und Kameras, der die Oberflächeninspektion des Produkts in kürzester Zeit vornimmt. Das System kann auf den zu prüfenden Gegenstand sowie dessen Größe individuell angepasst werden. Es ist leicht nachrüstbar und sein Einsatz kann bei laufender Produktion erfolgen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Scanner bereits in frühen Prozessschritten in der Produktion – und nicht erst in der Endkontrolle – einzusetzen. So können Fehlerquellen bereits frühzeitig erkannt, behoben und somit Ausschuss reduziert werden. Das Oberflächeninspektionssystem kombiniert die Deflektometrie, also das berührungsfreie Erfassen reflektierender Oberflächen, klassische Bilderkennungsverfahren sowie Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). Die KI-Verfahren helfen insbesondere dabei, unterschiedliche Fehlermerkmale zu kategorisieren und Falsch-Positiv-Detektionen zu eliminieren.

Objektiv einer Kamera und grüner Strahl: Der zu untersuchende, reflektierende Gegenstand wird von Videokameras aufgezeichnet. Als besonders gut geeignet hat sich grünes Licht für die visuelle Qualitätskontrolle erwiesen.
Der zu untersuchende, reflektierende Gegenstand wird von Videokameras aufgezeichnet. Als besonders gut geeignet hat sich grünes Licht für die visuelle Qualitätskontrolle erwiesen. (Bild: Fraunhofer IAIS)

Diese drei Schritte sind für die Oberflächeninspektion notwendig

Hell leuchtender breiter grüner Strahl vor schwarzem Hintergrund. Die Fehler werden mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) detektiert und klassifiziert. Das System erkennt Partikeleinschlüsse, Kratzer oder andere Mängel ab einer Größe von 0,1 mm.
Die Fehler werden mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) detektiert und klassifiziert. Das System erkennt Partikeleinschlüsse, Kratzer oder andere Mängel ab einer Größe von 0,1 mm. (Bild: Fraunhofer IAIS)

1) Erfassung des Objekts per Kamera
Der zu untersuchende, reflektierende Gegenstand fährt durch den Scanner hindurch und wird dabei von Videokameras aufgezeichnet. Dies funktioniert unabhängig von wechselnden Lichtverhältnissen, also auch unter Einfluss von Streulicht.
2) Auswertung der gesammelten Daten
Das erstellte Video wird unmittelbar mit Verfahren aus der klassischen Bildverarbeitung ausgewertet. Die Bauteilform des Gegenstands muss nicht zwangsläufig bekannt sein. Die Verarbeitung des Bildmaterials erfolgt komplett offline. Eine Anbindung an eine Cloud oder ähnliches ist nicht notwendig, die Daten bleiben somit geschützt.
3) Detektion der Schäden mit Deep Learning
Mögliche Schäden werden mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) detektiert und klassifiziert. Die Erkennung verschiedener Fehlermerkmale wie Kratzer, Lackfehler, Orangenhaut oder Dellen bis hin zu kleinsten Staubeinschlüssen können dem System beigebracht werden. Derzeit ermöglicht das System, Fehler mit einer Größe ab 0,1 mm zu erkennen.
Ein erfolgreicher Einsatz der automatisierten Oberflächeninspektion findet bereits im Automotivebereich bei der Detektion von Hagelschäden statt. Hier ist zum Beispiel außerdem die Überprüfung von glänzenden Bauteilen wie Türelementen, Zierblenden und -leisten, des Armaturenbretts oder Türgriffen aus Spritzguss möglich. Denn: Ein eingeschlossenes Staubpartikel in der Lackierung kann bereits einen gravierenden optischen Effekt und somit Mangel darstellen. Das System des Fraunhofer IAIS kann diesen Mangel detektieren, kategorisieren und anzeigen sowie zudem darauf trainiert werden, automatisch zu melden, wenn beispielsweise eine Lackierdüse langsam verstopft. Auch wenn die ersten Ausläufer davon auf dem jeweiligen Produkt durch Mitarbeiter bei einer visuellen Kontrolle noch nicht erkannt werden können, ist dies durch die KI bereits möglich. Dadurch kann Folgemängeln vorgebeugt werden. Ebenfalls kann die KI melden, wenn ein Filter in der Lüftungsanlage ausgetauscht werden sollte, weil dies Auswirkungen auf die Qualität der Lackierung haben würde.

Das meint die Autorin zu den Möglichkeiten visueller Qualitätskontrolle mit KI

Frau mit Schulterlangen blonden Haaren. Dr. Theresa Blick.
Dr. Theresa Blick (Bild: Fraunhofer IAIS)

„Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben Unternehmen die große Chance, ihre Oberflächenkontrolle anhand von objektiven Qualitätskriterien mit gleichbleibender Qualität durchzuführen, denn die Künstliche Intelligenz ermüdet nicht. Die von uns in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT sowie der Fraunhofer-Allianz Big Data entwickelte Technologie entlastet somit die Mitarbeiter und kann Bottlenecks im Produktionsprozess lösen. Dadurch, dass Objekte am laufenden Förderband geprüft werden, wird zudem eine Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit ermöglicht, was insgesamt zu mehr Effizienz führt.“

Diese Oberflächen können untersucht werden

Linke Seite des Bildes hell leuchtend grün. Die rechte Seite schwarz. Die Fehler werden mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) detektiert und klassifiziert. Das System erkennt Partikeleinschlüsse, Kratzer oder andere Mängel ab einer Größe von 0,1 mm.
Die Fehler werden mithilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) detektiert und klassifiziert. Das System erkennt Partikeleinschlüsse, Kratzer oder andere Mängel ab einer Größe von 0,1 mm. (Bild: Fraunhofer IAIS)

Dabei müssen die jeweils zu untersuchenden Teile nicht zwangsläufig hochspiegelnd sein. Ein gewisser Reflexionsgrad reicht aus, weshalb auch unlackierte Spritzgussteile auf Risse und Kratzer hin automatisiert überprüft werden können. Aber auch jede andere reflektierende Oberfläche, materialunabhängig, lässt sich automatisiert kontrollieren.
Die Vorteile: Gerade Spritzgussteile werden häufig in hoher Stückzahl produziert. Eine manuelle Kontrolle kann dadurch kaum oder oft nur stichprobenartig erfolgen. Automatisiert ist hingegen die Kontrolle einer ganzen Charge mit überschaubarem Einsatz möglich. Die Technologie ist somit prädestiniert für den Einsatz im Bereich der Oberflächeninspektion von Spritzgussteilen: Der Aufbau des Systems ist kostengünstig, unkompliziert und auf verschiedene Bauteilgrößen anpassbar. Es lässt sich etwa als Bogengerüst über ein bestehendes Fließband realisieren, selbst, falls nur geringer Platz vorhanden ist. Die Anzahl der Kameras wird jeweils individuell auf den jeweiligen Einsatzbereich angepasst. Für Objekte, die nicht zwangsläufig durch einen bogenförmigen Scanner hindurchfahren können oder sollen, ist ein Rotationssystem entwickelt worden, das auf demselben Grundprinzip basiert. Dadurch können beispielsweise auch zylinderförmige Objekte oder Elemente, für die eine 360°-Prüfung notwendig ist, automatisiert auf Produktionsfehler hin kontrolliert werden.
Da das System autark arbeitet, ist maximaler Datenschutz gewährleistet. Die Fraunhofer-Software funktioniert auch ohne Internetanbindung und läuft über Systeme, die das Unternehmen selbst bestimmen kann. Als besonders gut geeignet hat sich grünes Licht für die visuelle Qualitätskontrolle erwiesen, also monochromatisches Licht, da dadurch keine chromatische Aberration in der Kameralinse auftritt. Das sorgt wiederum für ein schärferes Bild. Vergleichbar sind die Bilddaten dabei nicht mit konventionellen Fotos, sondern mit Messdaten. Damit künstliche neuronalen Netze diese Daten auswerten können, werden sie mithilfe der klassischen Bildverarbeitung vorverarbeitet und im Anschluss auf Unregelmäßigkeiten überprüft.

Einsatz von KI in der Industrie

Der Einsatz von KI findet in der Industrie immer größeren Zuspruch. Enormes Potenzial liegt hier insbesondere bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen, die bisher noch wenige bis keine KI-Technologien einsetzen. Maßgeschneiderte Lösungen, zum Beispiel Analyse- und Assistenzsysteme, können einen großen Mehrwert schaffen und Kosten sparen. Datenschutz, Datensicherheit und Datenhoheit müssen hierbei kein Hindernis sein. So hat sich ein Geschäftsfeld am Fraunhofer IAIS darauf spezialisiert, zu prüfen und sicherzustellen, dass KI-Systeme vertrauenswürdig funktionieren. Damit eine KI komplexe Aufgaben wie eine Analyse erfüllen kann, muss sie zunächst mit entsprechenden Informationen gefüttert werden – in diesem Fall etwa, wie Partikeleinschlüsse, Kratzer oder andere Produktionsfehler auf einem lackierten Spritzgussteil aussehen. Um die Menge an Trainingsdaten überschaubar zu halten, wenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fortgeschrittene Ansätze wie das Transfer Learning und Informed Machine Learning an. Mit diesen Methoden kann bereits vorhandenes Expertenwissen, zum Beispiel das des Fachpersonals in der Qualitätskontrolle, in die Trainingsdaten integriert werden. Die KI fängt somit nicht bei null an, zu lernen. Grund genug, weshalb diese intelligenten Algorithmen auch fester Bestandteil des Oberflächeninspektionssystems sind.

Quelle: Fraunhofer IAIS

Ein Autounter einem Bogen mit geöffnetem Rolltor. Bei der Oberflächeninspektion fährt der zu untersuchende, reflektierende Gegenstand zunächst durch den Scanner hindurch und wird dabei von Videokameras aufgezeichnet. Dies funktioniert sogar unter Einfluss von Streulicht.
Bei der Oberflächeninspektion fährt der zu untersuchende, reflektierende Gegenstand zunächst durch den Scanner hindurch und wird dabei von Videokameras aufgezeichnet. Dies funktioniert sogar unter Einfluss von Streulicht. (Bild: Fraunhofer IAIS)

Sie möchten gerne weiterlesen?