In einer Vorrichtung eingespanntes orangenes Rohr.

4-Kanal-Messystem zur Inline-Dickenmessung der Einzellagen innerhalb von mehrlagigen Rohren und Schläuchen. (Bild: Fraunhofer ITWM)

Die Abteilung Materialcharakterisierung und -prüfung des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM, Kaiserslautern, hat Messsysteme entwickelt, die ein breites Anwendungsspektrum abdecken. Diese industrietauglichen Terahertz-Messsysteme erschließen neue Möglichkeiten zum Überprüfen von Bauteilen in der Kunststoffindustrie. Neben der berührungslosen Schichtdickenmessung von Einzelschichten in Mehrschichtsystemen ist auch die Defekterkennung ein wichtiges Anwendungsfeld dieser modernen Technik.

Wie funktioniert die Terahertztechnologie?

Bei diesem Verfahren wird nichtsichtbares Licht, sogenannte Terahertzwellen, ähnlich Infrarotwellen auf das Bauteil gelenkt. An jeder Grenzschicht innerhalb der Probe, verursacht durch einzelne Schichten oder Defekte wie Lufteinschlüsse wird ein Teil des Lichts reflektiert. Nach der Detektion der reflektierten Strahlung wird der zeitliche Versatz zwischen diesen Reflektionen bestimmt. Mit dieser Information kann anschließend auf die Schichtdicke oder die Position des Defekts zurückgeschlossen werden. Das Auswerten der Daten erfolgt dabei in Echtzeit und ermöglicht zusammen mit der schnellen Hardware Messgeschwindigkeiten von mehr als 1.000 Messungen pro Sekunde.

Grafische Darstellung des 3-Schicht-Lackaufbaus.
Grafische Darstellung des 3-Schicht-Lackaufbaus eines schwarzlackierten Stoßfängers aus Kunststoff (links), Querschliff (rechts). (Bild: Fraunhofer ITWM)

So erfolgt die Schichtdickenmessung

Nicht nur Aluminium-, Stahl- und Blechbauteile werden lackiert und beschichtet. Beschichtete Kunststoffbauteile werden in nahezu jedem Industriezweig erfolgreich eingesetzt. Insbesondere die Automobil- als auch die Luft- und Raumfahrtindustrie zählen zu den größten Abnehmern von lackierten Kunststoffbauteilen. Zur Qualitätskontrolle müssen alle Lagen der meist mehrlagigen Kunststoffbeschichtungen einzeln erfasst werden. Hier setzt die Terahertz-Messtechnik an: schnelles und berührungsloses Messen der Einzelschichtdicken in Mehrschichtverbunden auf Metall- und Kunststoffsubstraten. Bei der Lackierung von Kunststoffbauteilen werden in der Regel drei Schichten – Primer, Basislack, Klarlack – aufgetragen. Die einzelnen Schichten, teilweise mit einer Stärke von weniger als 10 µm, werden mit den Systemen punktuell mit sub-Mikrometerauflösung erfasst und können noch anwenderspezifisch grafisch aufbereitet werden.

Wie Wandstärken inline gemessen werden

Extrusionsprozesse sind Standard für das Herstellen von kleinen Schläuchen bis hin zu großen Rohren. Bei diesem Prozess wird in der Produktion bei Geschwindigkeiten von häufig mehreren Metern pro Sekunde ein Endlosbauteil hergestellt. Dabei können kleinste Schwankungen in der Produktionsumgebung – Prozessgeschwindigkeit, Materialzusammensetzung und -eigenschaften, Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit – bereits die Stärke der Bauteile beeinflussen. Ein kontinuierliches Überwachen stellt jedoch höchste Ansprüche an die Messtechnik, insbesondere aufgrund des schnellbewegten Rohrs als auch aufgrund der meist schwierigen Umgebungsbedingungen in der Produktion. Mit dem Rohrprüfsystem, das mit bis zu vier Messköpfen ausgestattet werden und mehrere Schichten gleichzeitig messen kann, wird dieser Anwendungsbereich adressiert. Das System kann direkt in die Produktionslinie, zum Beispiel im Anschluss an den Extrudierer platziert werden, um die Rohrstärkenkontrolle zu einem frühen Zeitpunkt durchzuführen. Dadurch kann Ausschuss frühzeitig erkannt und die Extrusionsparameter nachgeregelt werden. Dabei werden an bis zu vier Messpunkten entlang des Rohrumfangs kontinuierlich Messungen durchgeführt.

Blaue Fläche mit hellgrünen Teilen.
Vergleich einer guten und mangelhaften Verschweißung. (Bild: Becker Photonik und die IMA Materialforschung und Anwendungstechnik)

Wo sind die versteckten Fehlstellen?

Das Vermeiden, aber auch das frühe Erkennen von Defekten ist eine Kernaufgabe in der Qualitätssicherung. Nicht immer sind Defekte in Kunststoffproben von außen ersichtlich, sodass Messverfahren zum Einsatz kommen müssen, die in das Innere der Proben blicken können. Zudem müssen die Verfahren kleine Fehler in unterschiedlichen Tiefen in großen Bauteilen finden können. Diese Aufgabe kann mit mehreren 1.000 Messungen pro Sekunde gelöst werden. Die kompakten Messgeräte ermöglichen mit einer entsprechenden Mechanik die bildgebende Prüfung des Bauteils mit einer räumlichen Auflösung von besser 1 mm. Fehler von wenigen Millimetern Ausdehnung können bis in Tiefen von einigen Zentimetern detektiert werden. Beispielsweise werden Pressmäntel mit einer Fläche von mehr als 30 m² für die Papierherstellung während des Produktionsprozesses auf Luftblasen von 1 mm Größe untersucht. Das Auswerten der Aufnahmen erfolgt hier mit Methoden der Künstlichen Intelligenz.

Ist die Schweißnaht in Ordnung?

Die Inspektion von Kunststoffverbindungen und Kunststoffschweißnähten auf Lufteinschlüsse und Fremdkörper gestaltet sich insbesondere im Feld häufig als schwierig. Die Terahertz-Messtechnik bietet die Möglichkeit einer kontaktfreien bildgebenden Prüfung sowohl an der Produktionsstraße als auch auf der Baustelle. Das dargestellte Beispiel zeigt jeweils einen C- (oben) und einen B-Scan (unten) zweier Rohrverbindungen. Auf der linken Seite der Darstellung ist auf der x-Achse in dem Bereich zwischen 100 und 180 mm kaum ein Signalreflex an der Position der Rohrverbindung (gestrichelte Linie im B-Scan) zu erkennen. Die Werkstücke weisen eine gute Verbindung aus. Auf der rechten Seite sind aufgrund einer schlechten Verbindung in diesem Bereich starke Reflexionen zwischen den Rohrstücken zu erkennen. Der C-Scan illustriert die Stellen, an welchen keine oder eine schlechte Verschweißung vorliegt.

Dickenbestimmung der EVOH-Schicht

In sehr vielen Industriebereichen dient Kunststoff in Form von Folien, Schläuchen und Rohren als Schutz- und Trennschicht zwischen der Umgebung und dem eigentlichen Produkt. Beispielsweise in der Lebensmittelindustrie als Verpackungen oder in Form von Rohrleitungssystemen. Um diese Schutzwirkung zu erzielen, wird eine EVOH-Schicht als Sauerstoffsperrschicht zwischen eine Außen- und Innenschicht eingebracht. Die Schutzwirkung wird jedoch nur mit einer ausreichend dicken EVOH-Schicht erreicht. Das Überwachen der EVOH-Schichtdicke stellt somit einen entscheidenden Punkt in der Qualitätskontrolle im laufenden Prozess, aber auch in der Entwicklungsphase der Produkte dar. Herkömmliche Messverfahren sind nicht in der Lage diese Zwischenschicht innerhalb eines Kunststoffverbundes zerstörungsfrei und berührungslos zu messen. Terahertz-Messsysteme, basierend auf dem Laufzeitprinzip, ermöglichen die Schichtdicken sowohl der wichtigen EVOH-Sperrschicht als auch der umgebenden Kunststoffschichten mit sub-Mikrometerauflösung zu erfassen. Die mit bis zu 1.600 Messungen pro Sekunde schnellen Systeme sind dank der flexibel angebundenen Messköpfe in stationären Technikumsaufbauten als auch in der automatisierten Prozessüberwachung, zum Beispiel an Robotern einsetzbar. Die Einsatzfähigkeit der Systeme konnte bereits erfolgreich gezeigt werden, wie beispielsweise an Kunststoffröhrchen mit einer zentralen EVOH-Schicht, welche zu den Außenschichten über jeweils eine Haftvermittlerschicht verbunden ist.

Drei Kunststoffrohre.
Aufbau von Kunststoffschläuchen mit innenliegender EVOH-Schicht, die Vergrößerung zeigt den detaillierten Schichtaufbau. (Bild: Fraunhofer ITWM)

Ist das System industrietauglich?

Die Terahertz-Messtechnik hat ihre Einsatzmöglichkeiten, auch in der Kunststoffindustrie, bereits erfolgreich gezeigt. Flexibel einsetzbar kann dieses Verfahren in einem breiten Spektrum in der Industrie – als Hilfsmittel in der Prozessüberwachung oder Informationsquelle in der Entwicklungs- und Forschungsabteilung – eingesetzt werden, um Aussagen zu Schichtdickenverteilungen, Defekthäufigkeit und -position oder Produktionsschwankungen treffen zu können.

Quelle: ITWM

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