Grafik mit einer roten und schwarzen Trendkurve. Dahinter ein Oberkörper von einem Mann mit grauem Jackett und roter Krawatte. Zeigt mit dem Zeigefinger auf die Grafik.

(Bild: Photo-K – Fotolia.com)

Update: Wohnungsbau: Drastische Einbrüche bei Baugenehmigungen

Da die Bauindustrie einer der wichtigsten Nachfrager nach Kunststoffprodukten ist, rücken wir sie immer mal wieder besonders ins Blickfeld. Nicht nur Baubedarfsartikel werden für diesen Sektor produziert, sondern auch Halbzeuge (Platten, Rohre, Folien, Profile), Technische Teile (zum Beispiel für Haustechnik, Heizungen), Konsumwaren (Einrichtungsgegenstände), ja sogar „Verpackungsmittel“ (Tanks). In den letzten Jahren war die Bauindustrie ein verlässlicher Stützpfeiler der Kunststoffwarenproduktion. Zuletzt hatten wir in KW 05 die Situation in diesem Sektor analysiert, anhand von eher abstrakten Daten wie Auftragseingang in Indexform. Hier wollen wir die Entwicklung etwas plastischer darstellen, mittels der Daten zu den Baugenehmigungen für Wohnungen. Bekanntlich hat sich die „Fortschrittskoalition“ zum Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen bauen zu lassen, ein Ziel, welches im letzten Jahr deutlich verfehlt wurde. Vermutlich wurden weniger als 280.000 neue Wohnungen gebaut. Die Baubranche ist höchst alarmiert und fast täglich unterbietet man sich mit Zahlen in der Vorausschau auf 2023. 200.000 statt der avisierten 400.000 war bisher die pessimistische Expertenschätzung, die zu lesen war. Wir wollen hier nun keine Spökenkiekerei betreiben, sondern uns mit den bekannten Fakten auseinandersetzen. Im Januar 2023 wurden so wenig Wohnungen neu genehmigt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der Rückgang gegenüber dem Januar 2022 beträgt 7418 Einheiten, ein Minus von -28,5 %. Schon seit August 2022 gehen die monatlichen Baugenehmigungen zweistellig zurück. Wir wollen hier nicht in Schwarzmalerei verfallen, aber 220.000 scheint als das neue 400.000 nicht mehr ganz ausgeschlossen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 20.03.23: Insolvenzen in der Kunststoffverarbeitung

Die Zahl der Kunststoffverarbeiter sinkt seit Jahren langsam, aber stetig. Inzwischen dürfen wir von etwa 6.600 Unternehmen ausgehen, die hauptsächlich in der Kunststoffverarbeitung tätig sind. Vor 20 Jahren waren es noch über 8.000. Hauptursachen des Unternehmensschwunds sind Betriebsaufgaben infolge von Nachfolgeproblemen, Übernahmen und Zusammenschlüsse, Betriebsschließungen aufgrund mangelnder Rentabilität und Insolvenzen. Wir wissen, dass in der Gummi- und Kunststoffverarbeitung von 2018 bis 2020 (neuere Daten sind noch nicht verfügbar) insgesamt jährlich etwa 300 Betriebsaufgaben stattfanden, denen etwa 200 Neugründungen jährlich gegenüberstanden. Also ein Nettoverlust von etwa 100 Betrieben. Detaillierte Zahlen für die Kunststoffverarbeitung liegen leider nicht vor. Schätzungsweise können wir von 80 Betriebsschließungen jährlich in der Kunststoffverarbeitung ausgehen. In den Jahren 2018 bis 2020 bewegen sich die Insolvenzanträge zwischen 45 und 60, bei denen ein Großteil der Antragsteller die Insolvenz nicht überwunden haben dürfte. Also können wir annehmen, dass über die Hälfte des Nettoverlustes von Betrieben insolvenzbedingt ist und etwa jede fünfte Betriebsschließung auf Insolvenz zurückzuführen ist. Spitzenzeiten für Insolvenzen sind Krisen wie 2009 oder die Pandemie 2020. Langfristig sind die Insolvenzen immer weiter gesunken, was zum Teil auf die Reformen im Insolvenzrecht zurückzuführen ist, die andere Sanierungsverfahren ermöglicht haben. Auch der Rückgang der Unternehmenszahl insgesamt hat einen dämpfenden Effekt auf die Insolvenzen: Weniger Unternehmen, weniger potenzielle Kandidaten für Insolvenzen.

Grafik mit einer blauen Gerade und einer roten Kurve.
(Bild: Destatis)

Bilanz für 2022

2022 stieg der Umsatz der Kunststoffverarbeiter um 12,6 % auf 78,9 Mrd. Euro. Der Export legte stärker zu als das Inland. „Ein erheblicher Teil dieser Umsatzsteigerung war allerdings auch im Jahr 2022 auf Kostensteigerungen zurückzuführen, allen voran bei der Energie“, so der GKV. Da die verarbeitete Menge aber um 3 % zurückging, bleibt es das Geheimnis des GKV, welcher Teil der Umsatzsteigerung nicht auf Preiserhöhungen, sondern auf tatsächliches Absatzwachstum zurückzuführen ist. Laut GKV-Daten gab es in drei der vier Großbereiche (Verpackung, Bau, Technische Teile) Mengenrückgänge, im vierten (Konsumprodukte) stagnierten die Mengen.

Aufstellung der Kunststoffverarbeitung 2022 in Umsatz im In- und Ausland.
(Bild: GKV)

Umsatzentwicklung der Betriebe

Bei der GKV-Mitgliederbefragung meldeten 75 % gestiegene, 12 % gleichbleibende Umsätze und 13 % Rückgänge, mehr als doppelt so viel wie im letzten Jahr, erstaunlich angesichts der Erzeugerpreisexplosion. Dies deutet auf erhebliche Friktionen im Geflecht von Lieferengpässen und Energieknappheit- und -teuerung hin, in denen sich die Branche auch nach Meinung des GKV behaupten muss. Auch der Bausektor hat mit Nachfragerückgängen zu kämpfen und nicht nur, wie der GKV meint, aufgrund von Materialverknappung und -teuerung und steigenden Zinsen, es ist auch aufgrund des baufeindlichen Politklimas.

Grafik mit blauen, roten und orangenen horizontalen Balken.
(Bild: GKV)

Skepsis für 2023

Im Vorjahr erwarteten noch über die Hälfte steigende Umsätze, ohne Annahme starker Inflation. Für 2023 rechnet nur etwas mehr als ein Drittel mit Umsatzsteigerungen und das, obwohl 2022 die realen Umsätze zurückgingen und die Inflation sich dieses Jahr nur wenig beruhigen dürfte. 42 % erwarten gleichbleibende und fast ein Viertel befürchtet sinkende Umsätze. Das wirft Fragen auf: Rechnen die Betriebe mehrheitlich mit schlechterem Geschäft, die Optimisten aber mit wenigstens Inflationsausgleich? Oder rechnet man mit besserem Geschäft, aber weiter mit Preisüberwälzungsproblemen?

Grafik mit blauen und orangenen horizontalen Balken.
(Bild: GKV)

Mangelnde Kostenweitergabe und Konsequenzen

Weniger als der Hälfte gelingt es, die heftigen Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben, 8 % schaffen das teilweise. Aber die Hälfte überwiegend nicht. Nicht überraschend, denn die Machtverhältnisse auf den Märkten für Kunststoffwaren sind nicht sehr günstig für die Verarbeiter. Bei unzureichendem Überwälzungsspielraum wollen 54 % mit Arbeitsplatzabbau reagieren, was Produktivitätssteigerung, aber auch einfach Produktionseinschränkung bedeuten kann. 50 % setzen auf kurzfristige Lösungen wie Kurzarbeit und 41 % auf Produktionsverlagerungen ins Ausland: Die eigentliche Nachricht.

Grafik mit roten, orangenem und blauem horizontalen Balken.
(Bild: GKV)

Was bremst Investitionen?

Unsicherheit ist ein Investitionshemmnis an sich. Energiepreise stehen dabei für 84 % vorn. Mit 56 % folgt Unsicherheit über die künftige Marktentwicklung. Unklare künftige gesetzliche Anforderungen stellen für knapp die Hälfte ein Investitionshemmnis dar. Diese drei Punkte sind dabei miteinander verknüpft. Wenn zum Beispiel die künftige Entwicklung der Mobilität am Scheideweg steht, hat das auch Einfluss auf gesetzliche Anforderungen – auch für Kunststoffteile. Wenn die Energiepreise ein Problem darstellen, wirkt sich das auf die Nachfrage nach Kfz aus und dann auch nach Zulieferteilen.

Grafik mit blauen horizontalen Balken.
(Bild: GKV)

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