Grafik mit einer roten und schwarzen Trendkurve. Dahinter ein Oberkörper von einem Mann mit grauem Jackett und roter Krawatte. Zeigt mit dem Zeigefinger auf die Grafik.

(Bild: Photo-K – Fotolia.com)

Neuer Rekord beim Produktionswert

Im ersten Quartal 2022 ist der Produktionswert der Kunststoffwaren um 13,3 % auf 17,1 Mrd. Euro gestiegen, neuer Rekord. Und liegt um 1,2 Mrd. Euro über dem bisherigen Höchstwert von 15,9 Mrd. Euro aus dem zweiten Quartal 2021. Halbzeuge haben ihren Anteil weiter auf 36,5 % ausgebaut, während „Sonstige Kunststoffwaren“, sprich Technische Teile und Konsumwaren erneut Boden eingebüßt haben. Überraschend haben auch Baubedarfsartikel einen knappen Prozentpunkt verloren, aber das erste Quartal ist normalerweise nicht die Jahreszeit für Innenausbau oder Baufertigstellung.

Tortendiagramm.
(Bild: Destatis)

Stagnierende Produktion zum Jahresauftakt

Während der Produktionswert im ersten Quartal einen großen Sprung gemacht hat, sieht es real ganz anders aus. Die Produktion hat im Vergleich zum Vorjahresquartal lediglich stagniert, der Zuwachs beim Wert ist also alleine auf Preissteigerungen zurückzuführen. Dabei ist nicht etwa die Marktmacht gestiegen, sondern die Erhöhungen sind einzig notwendige Preisanpassungen infolge von Kostensteigerungen zu erklären. Ob die Erhöhungen wiederum ausreichen, den Kostendruck aufzufangen, sei dahingestellt. Immerhin ist die Produktion nicht gesunken wie im letzten Quartal 2021.

Grafik mit Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Wichtigste Segmente im Minus – Rest im Plus

Betrachten wir die reale Entwicklung der Einzelsegmente im ersten Quartal 2022, sehen wir, dass die beiden wichtigsten Produktsegmente, Technische Teile und Konsumwaren bzw. Halbzeuge im Minus und die beiden anderen (Verpackungsmittel, Baubedarfsartikel) im Plus sind, ebenso wie Dienstleistungen, für die aber keine expliziten Preisdaten vorliegen. In der Summe schreiben Kunststoffwaren im ersten Quartal 2022 eine schwarze Null. Wertmäßig legen alle mit Ausnahme von Technischen Teilen und Konsumwaren zweistellig zu.

Balkendiagramm mit horizontalen roten und blauen Balken.
(Bild: Destatis)

Aufholjagd im Zeichen der Inflation

2021 war generell vom Bemühen geprägt, sich aus den Folgen der diversen Lockdown-Phasen des Jahres 2020 zu befreien. Im ersten Halbjahr gelang das einigermaßen, im zweiten gab es im Sommer erste Bremsspuren und im Herbst weitgehenden Stillstand. Das zeigt sich eindrücklich an der Produktionswerteentwicklung im zweiten Quartal mit Zuwächsen von 15 % und mehr. Im dritten Quartal fielen die Wachstumsraten zum Teil auf 5 % zurück, trotz starken Inflationsdrucks. Im ersten Quartal 2022 ziehen die Werte nun wieder fast ausschließlich inflationsbedingt stärker an.

Balkendiagramm mit horizontalen roten, blauen und orangenen Balken.
(Bild: Destatis)

Sorgenkind Technische Teile

Bei Technischen Teilen und Konsumwaren, die wir gemäß Brancheneinteilung in Halbzeug-, Verpackungs-, Baubedarfshersteller sowie „sonstigen Kunststoffwaren“ meist gemeinsam ausweisen, gibt es interessante Tendenzen. Die Branchenstatistik kann Technische Teile und Konsumwaren nicht trennen, weil die Betriebe häufig beide Produkte herstellen. In der Warenproduktion ist dies jedoch möglich. Die Probleme in diesem Segment sind allein auf die Technischen Teile zurückzuführen. Der bekannte Grund: Lieferengpässe bei Verarbeitern wie Abnehmern bremsen das Geschäft.

Balkendiagramm mit horizontalen roten und blauen Balken.
(Bild: Destatis)

Update vom 08.08.22: Aussichten für die Technischen Teile

Technische Teile sind die wichtigste Produktkategorie in der Kunststoffverarbeitung. Im Schnitt der letzten drei Jahre betrug ihr Anteil am Produktionswert etwa 20 %. Derzeit fällt er aufgrund einer logistisch und (!) technisch und strategiebedingten Nachfrageschwäche, die bisher keinesfalls konjunkturbedingt war. Aktuell schwankt ihr Anteil zwischen 18 % und 19 %, nachdem er in der Vergangenheit schon mal über 22 % gelegen hatte. Logistisch bedingte Nachfrageschwäche bedeutet hier, dass Abnehmer ihre Produktion aufgrund von Zulieferschwierigkeiten herunterfahren oder zeitweilig aussetzen müssen. Technisch bedingt heißt, dass bei der Umstellung auf E-Mobilität bestimmte Komponenten einfach nicht mehr gefragt sind. Und strategiebedingt bedeutet, dass zum Beispiel Autohersteller auf kleinere Stückzahlen mit größeren Autos setzen, bei denen die Stückgewinne deutlich größer sind als bei Kleinwagen. Die Folgen dieses Strategiewechsels für die Zulieferer, wie zum Beispiel die Kunststoffverarbeitung, sind derzeit nicht einmal ansatzweise abzuschätzen. Diese 3-fach bedingte Nachfrageschwäche ist nicht konjunkturbedingt, denn Autos sind nach wie vor begehrt, die Kaufkraft wäre auch jetzt noch vorhanden. Aber die Autohersteller verknappen – nolens volens – das Angebot. Kfz-Teile machen einen Großteil der Technischen Teile aus. Es ist nun naheliegend, einmal zu fragen, wie sich die mögliche Nachfrage nach Technischen Teilen bei deren Abnehmern – nicht nur der KFZ-Industrie – entwickeln könnte. Dazu haben wir die Auftragseingänge bei den fünf wichtigsten Nachfragerindustrien nach Technischen Teilen untersucht. Der Bestelleingang bei Herstellern von elektronischen Geräten liegt auch weiterhin auf recht hohem Niveau. Nicht ganz so stark ist die Nachfrage für Produzenten von elektrischen Ausrüstern, aber tendenziell ansteigend. Beim Maschinenbau sinken die Auftragseingänge derzeit leicht, bei stärker abflachender Konjunktur ist hier mit weiterem Nachlassen zu rechnen. Die Bestellungen beim sonstigen Fahrzeugbau haben sich von einem Tief Anfang des vergangenen Jahres schnell und kräftig erholt, weisen aber bereits wieder klar nach unten. Die Auftragseingänge in der Autoindustrie liegen inzwischen unter dem Niveau des Basisjahres 2015. Da Technische Kfz-Teile die wichtigste Produktgruppe für die Technische-Teile-Produktion in der Kunststoffverarbeitung  darstellen, sieht es in den nächsten Monaten für die Teilbranche wohl nicht so gut aus. Zumal das Niveau des Auftragseingangs im zweiten Quartal 2022 in allen Abnehmerindustrien gegenüber dem Vorquartal im Schnitt zwischen fünf und zehn Indexpunkten gesunken ist.

Grafik mit blauen, roten und einer orangenen Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 15.08.22: Groß und Klein in Gummi- und Kunststoff

Gerade verfügbar geworden: Die Statistik für kleinere und mittlere Unternehmen für das Jahr 2020. Sie erlaubt es uns, die Kunststoffverarbeitung etwas genauer unter die Lupe zunehmen. Die kontinuierlichen Statistiken, die uns sonst zur Verfügung stehen, beziehen sich auf Betriebe ab 50 Beschäftigte (Produktionsindex, Umsatzindex) oder Betriebe ab 20 Beschäftigte (Statistik der Warenproduktion). Allerdings wird die Kunststoffverarbeitung in der Statistik für kleinere und mittlere Unternehmen nur zusammen mit der Gummiverarbeitung ausgewiesen. Und gummiverarbeitende Betriebe sind in der Regel etwas größer als Kunststoffverarbeiter. 2020 gab es 7315 Unternehmen, die der Gummi- und Kunststoffverarbeitung zugerechnet werden. Zuordnungskriterium ist dabei der Haupttätigkeit des Unternehmens, es kann darüber hinaus auch in anderen Wirtschaftszweigen tätig sein. Eine klassische Kombination ist zum Beispiel Kunststoffverarbeitung und Formenbau. In der vorliegenden Statistik handelt es sich um Unternehmen, wohingegen die oben erwähnten Erhebungen Betriebe betrachten. Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben und mit den einzelnen Betrieben sogar in  unterschiedlichen Feldern tätig sein. Aus diesen Gründen ist die Zahl der Betriebe deutlich größer als die der Unternehmen. Von den 7315 im Jahr 2020 aktiven Unternehmen in der Gummi- und Kunststoffverarbeitung sind nur 22 % oder 1628 Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten oder mehr als 10 Millionen € Umsatz. 49 %, also fast die Hälfte, haben weniger als zehn Beschäftigte oder maximal 2 Millionen € Umsatz. 29% oder 2157 Unternehmen haben zwischen zehn und 49 Beschäftigte oder zwischen 10 und 50 Millionen € Umsatz. Könnte man die Gummiverarbeiter herausrechnen, würden sich die Anteile noch etwas weiter zugunsten der kleineren Unternehmen verschieben. Insgesamt erzielten die 7315 Gummi- und Kunststoffverarbeiter im Jahr 2020 einen Umsatz von 91,5 Milliarden €. 63,6 Milliarden € oder 69 % entfielen dabei auf die 350 Großunternehmen, 20,6 Milliarden € oder 23 % auf die 1278 Mittleren Unternehmen. Die Masse der Klein- und Kleinstunternehmen steuerte lediglich 8 % oder 7,3 Milliarden € zum Umsatz bei.

 

Zwei Tortendiagramme.
(Bild: Destatis)

Update vom 22.08.2022: Preise von Kunststoffwaren steigen unvermindert weiter

Kürzlich haben wir die Preisexplosion bei Kunststoffwaren unter die Lupe genommen. Nachdem jahrelang, mit Ausnahme von Baubedarfsartikeln, fast Preisstabilität herrschte,  nahm die Inflation im zweiten Halbjahr 2021 Fahrt auf und hat sich seither immer weiter beschleunigt. Auch im zweiten Quartal 2022 hält der Preisauftrieb unvermindert an, und der Juli deutet an, dass es auch im dritten Quartal weiter mächtig aufwärts gehen dürfte. Die Preise für Kunststoffwaren sind gegenüber dem Juli vor einem Jahr um 13,8 % gestiegen. Bei Baubedarfsartikeln beträgt die Teuerung gar über 20 %, bei Halbzeugen 18,6 %. Deutlich geringer haben die Preise von Konsumwaren zugelegt (+10,9 %). Technische Teile haben sich sogar „nur“ um 4,9 % seit Juli 2021 verteuert. Die Hersteller von Konsumwaren und Technischen Teilen, meist Spritzgießer, sind in einer schwierigen Position. Zahlenmäßig die größte Gruppe unter den Kunststoffverarbeitern, sind es überwiegend kleinere und mittelgroße Unternehmen, die sich mächtigen Abnehmern wie Handelsketten (bei Konsumwaren) oder bei Technischen Teilen zum Beispiel Kfz-Herstellern gegenübersehen. Die Möglichkeiten, notwendige Preisanpassungen aufgrund der stark gestiegenen Kosten durchzusetzen, sind dort recht gering. Der Kostendruck auf die Unternehmen wird weiter zunehmen, schon allein durch die politisch gewollte und herbeigeführte (Gasumlage) Energieverteuerung. Folglich werden auch die Erzeugerpreise für Kunststoffwaren weiter steigen.

Kurvendiagramm.
(Bild: Destatis)

Update vom 29.08.22: Baunachfrage schwächelt

Die Bauindustrie ist ein eminent wichtiger Nachfrager nach Kunststoffprodukten: Nicht nur Baubedarfsartikel werden für diesen Sektor produziert, sondern auch Halbzeuge (Platten, Rohre, Folien, Profile), Technische Teile (zum Beispiel für Haustechnik, Heizungen), Konsumwaren (Einrichtungsgegenstände), ja sogar „Verpackungsmittel“ (Tanks). Wir wollen deshalb einmal ein paar ausgewählte Indikatoren für die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Baunachfrage betrachten. So ist der Auftragseingang im Baugewerbe (Hoch- und Tiefbau) im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 um -3,5 % gesunken. Der Auftragseingang im Wohnungsbau fällt  sogar um -7,1 % gegenüber der ersten Jahreshälfte 2021. Die Bestellungen im Baugewerbe schlagen mit einigen Monaten Verzögerung auch auf die Kunststoffverarbeitung durch. Wir dürften daher voraussichtlich spätestens ab Mitte des dritten Quartals mit dämpfenden Einflüssen auf die Kunststoffverarbeitung zu rechnen haben. Mittelfristig könnte die Entwicklung noch negativer verlaufen. Denn die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist im ersten Halbjahr 2022 mit 138.000 um -19,4 % schwächer ausgefallen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Zumindest im Wohnungsbau werden also signifikant weniger Bauvorhaben überhaupt begonnen werden. Aufgrund der schon bisher eingetretenen Verteuerung der Baufinanzierung (etwa um das Zweieinhalbfache) und der Baupreisinflation dürften viele genehmigte Vorhaben sogar auf die lange Bank geschoben werden. Von der regierungsamtlich angekündigten und als nötig erachteten Zahl von 400.000 Wohnungen im Jahr sind wir meilenweit und weiter denn je entfernt.

Balkendiagramm.
(Bild: Destatis)

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