Grafik mit einem roten und einem schwarzem Pfeil. Dahinter ein Oberkörper von einem Mann mit grauem Jackett und roter Krawatte. Zeigt mit dem Zeigefinger auf die Grafik.

(Bild: Photo-K – Fotolia.com)

Ausgebremst durch Produktionsstopps bei Abnehmern

Zehn Monate, von November 2020 bis August 2021, konnte sich die Kunststoffverarbeitung wieder auf dem Weg aus der Rezession wähnen, welche Mitte 2018 jäh begonnen hatte und dann, als man Anfang 2020 auf Aufschwung hoffen konnte, durch den Lockdown verlängert und verschärft wurde. Ab September 2021 ging es wieder abwärts – dieses Mal aber nicht in erster Linie konjunkturbedingt wegen generell ausbleibender Nachfrage, sondern aufgrund von Lieferengpässen, die in erster Linie die Abnehmer betrifft, welche sich deshalb zu immer neuen Produktionsstopps gezwungen sehen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Ein halbes Jahr Produktionsrückgang

In der Quartalsbetrachtung ergeben sich vier Aufschwungquartale vom vierten Quartal 2020 bis zum dritten 2021. Das Schlussquartal 2021 lieferte dann wieder ein Minus von fast -5 %. In den ersten drei Monaten 2022 hat sich die Fallgeschwindigkeit auf -1,4 % ermäßigt. Ob sich im zweiten Quartal 2022 wieder ein Plus ergibt, ist fraglich. Im Vorjahresquartal konnte der Lockdown-Einbruch auf nur noch 87 Indexpunkte exakt ausgeglichen werden. Ob dieses Mal der Stand vom zweiten Quartal 2019 (105,5 Indexpunkte) wieder erreicht werden kann, ist sehr unsicher.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Den Gürtel enger schnallen?

Vergleicht man die ersten Quartale über die Jahre, zeigt sich, dass die Produktion im ersten Quartal 2018 mit 108 Punkten ihren bisherigen Höchststand erreicht hatte. Seither lag sie immer um einige Punkte darunter, am stärksten im ersten Quartal 2020 um gleich fünf Punkte bei 103 Punkten. In den ersten drei Monaten 2022 lag man zwar etwas besser, aber immer noch um 2,5 Punkte unter dem früheren Niveau. Neuerdings fordern Politiker von uns, den Gürtel enger zu schnallen. Dieser irrlichternde Wunsch ist in Bezug auf die Kunststoffverarbeitung bereits in Erfüllung gegangen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Halbzeuge erreichen wieder altes Niveau

Der Halbzeugsektor (Rohre, Profile, Platten und Folien), inzwischen wieder auf Platz eins, legt man Produktionswerte zugrunde, geht aus der Krise relativ unbeschadet hervor. Im ersten Quartal 2022 erreicht das Produktionsniveau beinahe exakt wieder den früheren Rekord in einem ersten Quartal von 2018. Die Hersteller profitieren nicht zuletzt vom Bauboom und von Investitionen in die energetische Gebäudesanierung und in öffentliche Infrastruktur. Und sie sind weniger abhängig als Zulieferer. Allenfalls insoweit, als Teile in den Maschinenbau oder die Kfz-Industrie gehen.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Technische Teile am meisten gebeutelt

Ganz anders die Situation bei den Herstellern von Technischen Teilen und Konsumgütern, bei weitem die größte Gruppe, wertmäßig aber wieder auf den zweiten Platz hinter die Halbzeugproduzenten zurückgefallen. Sie liegen im ersten Quartal 2022 etwa 13 Prozentpunkte unter ihrem früheren Rekordniveau aus dem ersten Quartal 2018. Anders formuliert: Die derzeitigen Probleme der Branche konzentrieren sich in diesem Teilsektor. Er ist einmal Opfer der durch Zulieferengpässe bedingten Produktionsaussetzungen vor allem im Kfz-Bereich und der Umstellung auf E-Mobilität.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 15.06.22: Geschäftsentwicklung wieder rückläufig

Seit Oktober 2020 versuchte die Kunststoffverarbeitung nicht nur den Lockdown vergessen zu machen, sondern auch den zwar langsamen, aber langen Abwärtstrend seit dem zweiten Halbjahr 2018 zu überwinden. Im Mai 2021 schien das geschafft, als man einen neuen realen Umsatzrekord für einen Monat aufstellte. Bis zum August 2021 erzielte man noch Zuwächse (jeweils im Vergleich zum Vorjahresmonat), aber die Wachstumsraten gingen zurück. Seit September befindet sich die Branche wieder meist im Rückwärtsgang oder schafft gerade mal eine rote oder schwarze Null. Im April 2022 liegt der Umsatzindex bei knapp 105 Punkten (im Vergleich zum Basisjahr 2015) und damit um etwa fünf Punkte unter dem bisherigen Höchststand von April 2018. Angesichts der Rekordwerte der Vorjahresmonate ist in den Folgemonaten (Mai bis August) kein Aufschwung zu erwarten. Die Ursachen sind bekannt: Lieferengpässe bei Vorprodukten, Produktionsstopps bei Abnehmern und nun auch die Folgen des Ukrainekrieges und der galoppierenden Inflation.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 20.06.22: Eurozone mit besonders schwacher Nachfrage

In den ersten vier Monaten gingen die realen Umsätze in der Kunststoffverarbeitung um rund 2,4% zurück. Ganz gegen alle Gewohnheit war es dieses Mal nicht das Inland, welches besonders schwächelte. Während die inländischen Umsätze „nur“ um 2,15% sanken, fielen die Exporte um 2,64%, also um ein halbes Prozent stärker. Und wie so häufig war es die Eurozone, welche zum schwachen Geschäft nochmals stärker, nämlich mit -2,8%, beitrug. Exporte nach außerhalb der Eurozone gingen dagegen nur um 2,45% zurück. Die Nachwehen der Lockdowns, die galoppierende Inflation und die Zulieferengpässe, das schwache Wirtschaftswachstum bremsen viele Nachbarländer weit stärker als Deutschland. Man stelle sich einmal vor, es gäbe noch die starke D-Mark, dann sähe die Bilanz beim Export in die jetzigen EURO-Länder noch wesentlich schlechter aus. Die hier verwendeten Daten erlauben keinen Rückschluss, welche Länder besonders stark zum Geschäftsrückgang beitragen. Dazu werden wir demnächst in einer weiteren Analyse Außenhandelsdaten untersuchen.

Balkendiagramm mit vertikalen Balken in rot, blau und orange.
(Bild: Destatis)

Update vom 27.06.22: Kunststoffwarenexport in die EU stark rückläufig

Wie kürzlich schon gezeigt, ist der Absatzmarkt EU für die deutschen Kunststoffverarbeiter derzeit besonders krisenanfällig. Wir wollen das Thema hier weiter vertiefen. Dazu müssen wir uns mit der Außenhandelsstatistik beschäftigen. In den ersten vier Monaten 2022 konnten die deutschen Verarbeiter 1,5 Mio. Tonnen Kunststoffwaren in die EU-Länder exportieren. EU-weit gingen die Exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,3 Prozent zurück. Wichtigste Märkte sind Frankreich, die Niederlande (hier werden aber viele Waren nicht direkt abgesetzt, sondern meist über Rotterdam weiterverschifft), Polen, Italien Österreich, Belgien (auch hier z.T. Weiterverschiffung über Antwerpen), Tschechien und Spanien. Zusammen nehmen diese acht Länder 77% der deutschen Kunststoffwarenexporte in die EU ab. Besonders stark gingen die Exporte nach Polen (-10,9%) und Tschechien zurück (-17,6%), beides Länder mit wichtigen Automobilstandorten, die stark in deutsche Lieferketten eingebunden sind, sich aber bei Kunststoffteilen zunehmend durch Ausbau heimischer Kunststoffwarenproduktion unabhängiger machen. Bei Österreich (-11,0%) ist die Sachlage nicht so eindeutig. Die Autoproduktion ist zwar stark mit der deutschen verwoben, aber vergleichsweise unbedeutend. Zu vermuten ist, dass die österreichischen Abnehmer von Kunststoffwaren generell vermehrt auf Tschechien, Polen,  Slowakei und Ungarn setzen, die kostengünstiger produzieren als die besonders von den hierzulande schon immer hohen und derzeit weiter stark steigenden Energiekosten gebeutelten deutschen Hersteller.

Kuchendiagramm mit bunten Stücken und Prozentzahlen
(Bild: Destatis_Eigene Berechnungen)

Update vom 04.07.22: Kostenstruktur in der Kunststoffverarbeitung

Gerade verfügbar geworden: Die Daten aus der Kostenstrukturerhebung 2020. Größter Kostenblock bei den Kunststoffverarbeitern sind mit 42,3% die Materialkosten (Kunststoffe, Zuschlagsstoffe, Werkzeuge). Lohnkosten, d.h. Bruttolöhne und -gehälter, Sozialkosten (hauptsächlich Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) sowie Ausgaben für Leiharbeit, sind mit 35,1% der zweite gewichtige Kostenfaktor. Zusammen machen sie über 77% der Kosten aus. Überraschend fällt der Anteil der Kosten des direkten Energieverbrauchs (Strom, Gas, Kraftstoffe) mit 2,6% recht gering aus, weshalb die Kunststoffverarbeitung zu den weniger energieintensiven Branchen im Verarbeitenden Gewerbe gehört. Sie hat ihre Energieeffizienz über die Jahre deutlich gesteigert und den Kostenanteil des Energieverbrauchs von 3% im Jahr 2009 auf 2,4% im Jahr 2019 gedrückt und das bei ständig steigenden Energiepreisen. 2020 stieg der Energiekostenanteil erstmals wieder leicht. In Kunststoffen und Zulieferungen stecken allerdings ebenfalls erhebliche Energiekosten, weswegen derzeit und in Zukunft starke Belastungen auf die Branche zukommen werden. Ob sich das auf den Anteil der Kosten des direkten Energieverbrauchs nennenswert auswirken wird, ist unklar, denn wenn alles teurer wird, verändert sich die Kostenstruktur vielleicht nur unwesentlich. Da andererseits die Energiepreise, zum Teil politisch gewollt, mit atemberaubender Geschwindigkeit steigen, ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass trotz vermutlich weiter sinkendem Energieeinsatz der Anteil des Energieverbrauchs an den Kosten stärker zunehmen wird. Was das für den Kunststoffverarbeitungsstandort Deutschland bedeutet, überlassen wir der Phantasie des Lesers.

Tortendiagramm.
(Bild: Destatis)

Update vom 11.07.22: Aktuelle Produktionsentwicklung in der Kunststoffverarbeitung

Im Mai hat sich der Abschwung der Nettoproduktion im Vergleich zum Vormonat nur minimal verändert: -3,6% gegenüber -3,3% im April. Im März lag die Produktion noch um -4,1% niedriger als im gleichen Monat 2021. Oder anders ausgedrückt: In den letzten drei Monaten März bis April konnte sich die Produktion auf einem etwas niedrigeren Niveau als im Vorjahreszeitraum stabilisieren. So sehr das abgesenkte Produktionsniveau auch schmerzen mag, ist das erstmal eine tröstliche Nachricht. Denn es hätte schlimmer kommen können. Schließlich hatte man im Vorjahreszeitraum beinahe wieder das Rekordniveau von 2018 erreicht, also fast wieder an den früheren Erfolg anknüpfen können. Und Abstürze aus lichten Höhen sind immer möglich, gerade in der jetzigen konjunkturellen Lage, die – bei anhaltender Nachfrage – von Lieferengpässen und Energieknappheit, Transportschwierigkeiten und nachschubbedingten Produktionsstopps gekennzeichnet ist. Spannend dürften die Sommermonate verlaufen. Juni bis August 2021 waren geprägt von immer schwächeren Wachstumsraten, mit denen die Rückgänge des Vorjahres nicht ganz ausgeglichen werden konnten. Geringere Rückgänge der Produktion gegenüber den Vorjahresmonaten wird man dann wahrscheinlich schon als Erfolg verbuchen können. Spätestens zur K 2022 werden wir dazu eine erste Bilanz ziehen können.

Grafik mit blauen Balken und roter Kurve.
(Bild: Destatis)

Update vom 18.07.22: Preise von Kunststoffwaren laufen davon

Mehrfach schon haben wir die Preisentwicklung im Kunststoffsektor thematisiert, die sowohl die starke Verteuerung von Rohstoffen und Energie betrifft, als auch eine Inflation der Erzeugerpreise von Kunststoffwaren zur Folge hat. Wie vor zwei Wochen berichtet, machen Rohstoffe und Energie etwa 45% der Kosten in der Kunststoffwarenproduktion aus. Lohnkosten schlugen bisher mit etwa 25% auf der Kostenseite zu Buche, die kürzlichen Lohnabschlüsse mit 2,7% ab April 2022 und nochmals 2,2% ab April 2023 sind, immer in Relation zur Preisentwicklung bei Rohstoffen und Energie, vergleichsweise moderat zu nennen. Aber bei den Löhnen könnte es trotzdem Unruhe geben, wenn die Verbraucherpreisinflation weiter auf dem derzeitigen Niveau verharrt. Auf jeden Fall ist die Kostenentwicklung für die Kunststoffverarbeiter recht belastend, man reagiert mit deutlichen Preiserhöhungen. Lange Zeit herrschte vergleichsweise Ruhe an der Preisfront, von 2015 bis 2019 sind die Preise von Kunststoffwaren nur wenig gestiegen, im Schnitt um weniger als drei Prozent über den gesamten Zeitraum. Vor allem Technischen Teile haben sich kaum verteuert, die Preise für Bauartikel sind angesichts des Baubooms vergleichsweise stark gestiegen, um etwa 8%. Seit Mitte 2021 haben wir nun schnell steigende Erzeugerpreise bei Kunststoffwaren. An der Spitze der Entwicklung stehen Baubedarfsartikel und Halbzeuge, deren Preisindizes gegenüber dem Basisjahr 2015 nun auf 128 bzw. 126 Punkte emporgeschnellt sind, wovon 14 bzw. 22 Punkte allein aus den letzten Jahr und dem ersten Quartal 2022 resultieren. Deutlich moderater haben sich die Preise für Verpackungsmittel entwickelt, noch langsamer sind Konsumwaren im Preis gestiegen, Technische Teile haben nur mit einem Preisanstieg von etwa 2% reagiert. Deren Hersteller kämpfen mit großen Schwierigkeiten, notwendige Preisanpassungen durchzusetzen.

Kurvendiagramm.
(Bild: Destatis)

Update vom 25.07.22: Zur Auslastung und Kostensituation der Kunststoffverarbeitung

Kürzlich haben wir die Kostenstruktur der Kunststoffverarbeitung untersucht und die Preisentwicklung bei Kunststoffwaren betrachtet. Hier wollen wir unsere Beobachtung der wirtschaftlichen Lage der Kunststoffverarbeitung mit Untersuchungen zur Erlössituation und zur Auslastung sowie zur Frage der Lohnkostenentwicklung fortsetzen. Von Januar bis Mai 2022 konnten die Verarbeiter (wir sprechen hier von den Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten) ihre Umsatzerlöse pro Arbeitsstunde um 13,9 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern. Wie wir aber schon gesehen haben, sind allein die Erzeugerpreise für Kunststoffwaren in etwa gleichen Größenordnungen gestiegen, d.h. der scheinbare Produktivitätsfortschritt ist hauptsächlich inflationsbedingt. Die Auslastung der Betriebe war geringer als im Januar bis Mai 2021, es fielen 1 % weniger Arbeitsstunden pro Kopf an. Berücksichtigt man, dass die Zahl der Arbeitstage 2022 um 2% höher lag, wurden sogar 2,9% weniger Arbeitsstunden geleistet. Anders ausgedrückt: Die Auslastung der Betriebe war um 2,9 % niedriger als im Vorjahreszeitraum. Die Lohnkosten pro Arbeitsstunde sind im gleichen Zeitraum um 3,9% gestiegen. Wie wir schon in einem früheren Beitrag gesehen haben, machen Lohnkosten etwa 35 % der Produktionskosten aus, sie schlagen demnach mit 1,3 % bei den Herstellkosten zusätzlich zu Buche. Demnach dürften sich andere Kosten, insbesondere Rohstoffe und Energie, nur mit 12,4 % erhöht haben, damit es nicht zu einer Verschlechterung der Ertragssituation gekommen wäre. Dieser Frage gilt es weiter nachzugehen.

Balkendiagramm mit 5 roten horizontalen Balken.
(Bild: Destatis)

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