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Traglufthalle als Reinraum (Bild: Sphairlab)

Begonnen hat alles 2016, als sich das Medizintechnikunternehmen Mecora aus Aachen in eine gemietete Halle erweitern wollte. Es war geplant, einen weiteren Reinraum für die Produktion von hochwertigen medizintechnischen Kunststoffartikeln zu errichten. Der Raum sollte eine Größe von rund 150 Quadratmeter besitzen und geeignet sein, verschiedene Montage- und Produktionsarbeitsplätze zu beherbergen. Weiterhin war die Installation einer kleinen Spritzgießmaschine mit einem angeschlossenen Inspektions- und Verpackungsroboter vorgesehen.

Die für das Vorhaben geeignete Halle stand jedoch nur zur Miete zur Verfügung.  In diese einen 6-stellinger Betrag für einen Reinraum zu investieren war nahezu ausgeschlossen. Bei Beendigung des Mietverhältnisses wäre ein Abriss nicht nur teuer, sondern im Falle einer vielleicht nur kurzzeitigen Nutzung auch ökonomisch unangemessen. Im Falle einer Demontage und Neuerrichtung in einer anderen Umgebung müssten bei dieser die nahezu gleichen Rahmenbedingungen wie bisher gegeben sein. Das schränkt die Weiterverwendung deutlich ein.

Vorwärts gedacht

Aus dieser Situation heraus entsprang die Idee, den Raum als Traglufthalle zu bauen, um diesen, falls erforderlich, schnell und einfach in eine andere Halle verlagern zu können. Eine Traglufthalle bietet hier eine Reihe von Vorteilen, um solch ein mobiles und kostengünstiges Konzept zu realisieren. Der Hauptnachteil einer Traglufthalle ist jedoch, dass sie immer unter Überdruck stehen muss, damit sie nicht kollabiert. Nun ist dieses bei einer Reinraumanwendung durch die entsprechenden Normen wie DIN EN ISO 14644 und GMP Guideline ohnehin schon gefordert. Das heißt, auch alle festen Räume müssen durchgehend, mittels der Zuluftanlage, mit einem Drucküberschuss versorgt werden, sodass bei einem Traglufthallenkonzept als Reinraumanwendung kein Nachteil entsteht.

Eine ausgiebige Recherche nach geeigneten Anbietern solcher Räume blieb ergebnislos. Somit wurde kurzerhand entschieden, einen entsprechenden Raum selbst zu planen und umzusetzen. Für den Luftschiff- und Ballonbau stellt Airworxx, Aachen, textiles Gewebe her und war bereit, sich dieser Aufgabe zu stellen.  So wurde gemeinsam der erste Raum dieser Art realisiert. Dieser wurde anschließend nach DIN EN ISO 14644-1 Klasse 7 zertifiziert und ist nun seit mehr als 3 Jahren, wie geplant, als medizintechnischer Produktionsraum in Betrieb.

Luftwechsel bitte

Traglufthalle

Der mobile Reinraum ist als Traglufthalle konzipiert, sodass er schnell abgebaut und an anderer Stelle wiederaufgebaut werden kann. (Bildquelle: Sphairlab)

Die erforderliche Lüftungsanlage mit der Zuluftfilterung befindet sich direkt neben dem Raum und bläst die gefilterte Luft durch einen textilen Schlauch nahe der Raumdecke ein. Dort wird sie durch einen ringförmigen Quellauslassschlauch gleichmäßig in den Reinraum eingetragen.

Die Abluft strömt zum einen in der Raummitte durch eine Mittelsäule wieder nach außen und zum anderen befinden sich jeweils zwei Abluftklappen an den drei vorhandenen Schleusen. Somit erreicht man eine sehr gleichmäßige Luftverteilung. Diese ist auch erforderlich, da ein Klasse 7 Raum beispielsweise 20 Luftwechsel pro Stunde aufweisen muss.

Insgesamt hat der Raum durch seine runde und sehr naturnahe Form nicht nur ein exzellentes Strömungsverhalten, sondern er fällt auch durch sein ungewöhnliches Erscheinungsbild auf. „Unser neuer Reinraum besticht durch eine vollkommen andere Optik. Technisch und regulativ betreiben wir diesen Raum seit drei Jahren genauso wie unseren anderen Raum, mit dem wir schon 25 Jahre Erfahrung haben. Sehr unkompliziert und sicher“, sagt Marko Pilz, Produktionsleiter bei Mecora.

Dies führte letztlich dazu, dass von Firmenbesuchern immer öfter die Frage zu hören war: „Wo kann man denn so etwas kaufen?“ Nachdem der Bedarf nach solch einem Raumsystem immer offenkundiger wurde, beschlossen die beiden genannten Firmen zusammen eine gemeinsame, neue Firma zu gründen, die sich ausschließlich mit dem Vertrieb und Bau dieser neuen Reinraumgeneration beschäftigt. Somit entstand 2018 Sphairlab.

Für die Forschung und Praxis

In der kurzen Zeit ihres Bestehens wurden nun schon mehrere Projekte, basierend auf diesem Konzept realisiert. So wurde unter anderem ein Reinraum für die Hochschule Aachen gebaut, in dem patientenadaptierte und biobasierte Implantate entwickelt und hergestellt werden. „Dieser Reinraum hat mich durch seine hohe Flexibilität und das textile, transparente Design überzeugt. Gerade in der akademischen Welt, in der keine kontinuierliche Produktion stattfindet, ist dieses Reinraumzelt durch seine einfache Installation und Deinstallation ideal geeignet, um der periodischen, projektabhängigen Nutzung gerecht zu werden. Hierdurch können erhebliche Betriebskosten eingespart und eine flexible Raumnutzung ermöglicht werden“, erläutert Prof. Dr. med. Stefan Jockenhoevel, NRW Schwerpunktprofessur Biohybrid & Medical Textiles (BioTex), RWTH Aachen.

Ein weiterer Reinraum wurde für eine Medizintechnikfirma errichtet, die in diesem die Produktion von künstlichen Lungen (Oxygenatoren) durchführt. „Dieser Reinraum lässt sich gut in unterschiedlichen Räumen integrieren. Bei Bedarf lässt sich der Raum sogar abbauen und an anderer Stelle wieder neu aufbauen. Diese Eigenschaft, gemeinsam mit dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und der ansprechenden Optik haben uns die Entscheidung hierfür einfach gemacht“, berichtet Dr. Ralf Borchardt, CTO, Enmodes, Aachen.

Sauber oder rein?

Spritzguss Maschine im sphairlab

Im mobilen Reinraum werden Teile spritzgegossen und montiert. (Bildquelle: Spairlab)

Alle bisher gefertigten Räume wurden speziell auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Anwender geplant und umgesetzt. Diese spezifische Planung und die zur jeweiligen Zertifizierung erforderliche Dokumentation sind jedoch große Kostentreiber. Zwar sind die inflatierten Reinräume immer noch deutlich günstiger als konventionelle, aber die durch das Konzept gegebenen Vorteile können nicht vollständig genutzt werden. Hieraus und aus der steigenden Nachfrage der nicht zur Life Science gehörenden Industrie nach reinen Umgebungsbedingungen ergab sich die Motivation zur Weiterentwicklung des Systems.

Es werden nun zu den zertifizierten Reinräumen auch nicht zertifizierte Sauberräume angeboten, die modular und einfacher aufgebaut sind. Diese müssen nicht die normativen Anforderungen der Medizintechnik und Pharmahersteller erfüllen, sondern dem Anwender nur eine saubere und gut zu kontrollierende Umgebung für seine Prozesse oder Maschinen bieten.

Damit ist diese Art der mobilen Räume prädestiniert für Anwendungen in industriellen Produktionen, bei denen Sauberkeit beim Spritzguss, der Extrusion oder Verpackung wichtig ist. So kann solch eine Hülle einfach über eine bereits vorhandene Maschine gezogen und dadurch mittels der gefilterten Zuluft einen Raum mit sauberer Atmosphäre geschaffen werden.

Partikel außen vor

Innovationspreis

Jens Hutzenlaub und Wolfgang Hassa (r.) vor einem Reinraum, der seit mehr als drei Jahren als zertifizierter Raum im Produktionsbetrieb ist. (Bildquelle: Harald Krömer)

Kunststoffteile und Profile können somit so sauber hergestellt werden, dass eine anschließende Reinigung für die Weiterverarbeitung oder Verpackung nicht mehr erforderlich ist. Das ist besonders interessant vor dem Hintergrund, dass die aus thermoplastischer Schmelze hergestellten Teile prozessbedingt quasi autosteril die Maschinen verlassen. Eine Verschmutzung erfolgt fast immer nur durch die Umgebung.

Auch Verpackungsprozesse, die auf Thermoformen und Blisterung basieren, können so ohne großen Eingriff in die betriebliche Infrastruktur aufgewertet werden.

Denkbar sind auch Anwendungen im Bereich des Folienblasens, da das Raumkonzept auch als senkrecht stehenden Zylinder ausgeführt werden kann, der den kompletten Blasturm umhüllt. Hierdurch lässt sich eine nahezu staubfreie Umgebung schaffen, die Verschmutzungen durch beispielsweise statische Anhaftung oder luftgetragene Cross-Kontamination minimiert.

Bedenken, die Abwärme aus kunststoffverarbeitenden Maschinen könnten solche Räume zu sehr aufheizen und gar schädigen, haben sich nicht bestätigt. Die Abwärme solcher Maschinen in den Raum ist meist nicht so groß, da die thermische Hauptlast üblicherweise über entsprechende Wasserkühlung ausgetragen wird. Die ebenfalls zur Kühlung beitragende Luftwechselrate wird vom Anwender eingestellt. Auch ist die Temperaturempfindlichkeit der Textilien nicht so kritisch wie gerne angenommen. Denn sie werden ursprünglich in der Luftfahrt und für Heißluftballone eingesetzt und sind feuerhemmend ausgerüstet.  Folglich eignen sich inflatierbare Sauberräume für viele industrielle Anwendungen, bei denen Preis und Flexibilität eine große Rolle spielen.

ist Geschäftsführer von Sphairlab in Aachen.

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