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Michael Wurdack (l.), Rehau, und Wolfgang Breu, Knur, präsentieren den Heckspoiler, den die gemeinsam entwickelte 2K-Hybrid-Klebeanlage produziert. (Bildquelle: David Löh/Redaktion Plastverarbeiter)

Der Konsument ist als Kunde gerne König. In der Industrie dagegen ist er oft genug Partner. So geschehen auch bei Automobilzulieferer Rehau, beheimatet im gleichnamigen Ort, und Anlagenbauer Knur aus Regensburg. Die beiden kamen zusammen, weil Rehau einen Heckspoiler für einen deutschen Autokonzern herstellen sollte. Konkret ging es darum, zwei Hälften zu fügen und zugleich mehrere Halteklipps anzubringen. Vom Kunden, also dem Autobauer, war ursprünglich ein reines Klebeverfahren angedacht. Das hätte allerdings den Nachteil, dass man den Spoiler nach dem Fügen eine Zeit lang hätte fixieren müssen, damit der Kleber aushärten kann. Heißluft oder Infrarot könnten diesen Prozess zwar beschleunigen. Zugleich haben sie allerdings den Nachteil, dass sie Wärme in das Bauteil einbringen, die für Verzug sorgen und/oder die Oberflächenqualität beeinträchtigen könnte. Daher wählten die beiden Firmen eine Kombination aus Kaltverkleben und Ultraschallschweißen. „Dadurch friert man das Teil sozusagen ein. Der Kleber härtet nach wie vor aus, davon unabhängig kann man aber den nächsten Prozessschritt durchführen, zum  Beispiel einen Klipp montieren“, erläutert Wolfgang Breu, Leiter Technik & Vertrieb bei Knur.

Die auf diesem Prinzip basierende 2K-Hybrid-Klebeanlage verwendet ein Zweikomponenten-Klebstoffsystem in Kombination mit Ultraschallschweißen. Das Besondere an dieser Lösung ist, dass beide Fügeprozesse in demselben Werkzeug durchgeführt werden und das Ganze lediglich fünf bis zehn Sekunden dauert – je nach Bauteilgröße und Anzahl der gleichzeitig gesetzten Schweißpunkte. Danach sind die Bauteile sofort handlingfest, können vom Werker also entnommen und an den nächsten Prozessschritt weitergegeben werden.

Dieses Verkürzen der Zykluszeit – von rund 300 s auf 120 s – führt unter dem Strich dazu, dass für den selben Ausstoß statt drei Werkzeugen nur eines benötigt wird. Das wiederum senkt bei gleicher Bauteilqualität die Kosten, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Die Anlage ist günstiger, es wird weniger Fläche in der Produktion benötigt und weniger Energie verbraucht. Michael Wurdack, Projektleiter Klebeprojekte in der Abteilung Process Engineering Assembly Technique bei Rehau, ergänzt: „Weniger Einstellarbeiten und Wartungsaufwand für die Werkzeuge. Das macht einen großen Unterschied.“

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Mit der Verfahrenskombination von Kleben und Ultraschallschweißen sinkt die Aushärtezeit, gemessen als Zeit vom Fügen der Rohteile bis zur Handlingfestigkeit, auf fünf bis zehn Sekunden. (Bildquelle: ASS Maschinenbau)

Klebe- und Schweiß-Experten entwickeln gemeinsam eine Hybridanlage

Diese zwei Prozesse, das Kleben und Ultraschallschweißen, in eine Anlage zu integrieren, hat allerdings nur funktioniert, weil zwei ausgewiesene Expertengruppen der beiden Verfahren ihr Wissen kombiniert haben. „Die Firma Knur ist ja der Klebespezialist, der auch für Rehau schon einige Klebeanlagen realisiert hat. Und wir sind der Ultraschallspezialist, weil wir auch Spoiler herstellen, die wir nur schweißen, ohne zu kleben“, erklärt Peter Busch, Teamleiter der Abteilung Process Engineering Assembly Technique bei Rehau.

2016 ging die Anlage in Betrieb. Seither wurde sie allerdings weiterentwickelt. Oder genauer gesagt, erweitert. „Auf einer zweiten Station wird ein weiterer Artikel bearbeitet“, sagt Wurdack. Damit sind nun zwei Bearbeitungsstationen um einen zentralen Sechsachs-Roboter angeordnet, der diese abwechselnd bedient.

„Das Thema Heckspoiler gewinnt weiter an Relevanz, sowohl bei Rehau als auch auf dem Fahrzeugmarkt insgesamt“, erklärt Busch. Daher hat das Unternehmen die Verfahrenskombination aus Kleben und Schweißen auch auf andere Anlagenkonzepte übertragen. „Wir haben jetzt beispielsweise sowohl Anlagen mit Rundtakttisch als auch mit Reihenanordnung“, ergänzt Busch. Zudem entwickelt Rehau derzeit weitere Anlagen für den Klebe-Schweiß-Prozess.

Auch in der Größe geht es weiter: Eine Anlage befindet sich gerade im Aufbau, die fünf Bearbeitungsstationen hat. Sie kann somit verschiedene Artikel zugleich fertigen. Andere Anlagen zielen eher auf hohe Stückzahlen, weshalb an mehreren Bearbeitungsstationen jeweils die gleichen Heckspoiler hergestellt werden:  „Wir haben auch eine Anlage für den VW Golf. Das ist wieder ein anderes Konzept, da wir damit viel höhere Stückzahlen fertigen. Denn der Golf ist natürlich ein Massenfahrzeug, weshalb die Anlage dann auch im Schichtbetrieb laufen wird.“, fügt Busch hinzu.

Michael Wurdack, Rehau, erklärt die Relevanz der Ultraschall-Schweißpunkte für das Handling des Heckspoilers in der Produktion. (Bildquelle: David Löh/Redaktion Plastverarbeiter)

Michael Wurdack, Rehau, erklärt die Relevanz der Ultraschall-Schweißpunkte für das Handling des Heckspoilers in der Produktion. (Bildquelle: David Löh/Redaktion Plastverarbeiter)

Modulares Anlagenkonzept

„Der Clou ist ja“, erklärt Wurdack, „, dass die die Anlagen tatsächlich modular und flexibel sind.“ So lassen sie sich schnell umrüsten, beispielsweise bei einem Modellwechsel. Zugleich ist es relativ einfach, weitere Bearbeitungsstationen hinzuzufügen. Dennoch haben die beiden Unternehmen daran gearbeitet, die Effizienz der Anlage auf anderen Wegen zu erhöhen als nur weitere Stationen hinzuzufügen. „Wir haben manche Anlagen höher automatisiert“, erklärt Wurdack. „Das ist aber abhängig vom Anlagenstandort“, fügt er hinzu. In Deutschland wird tendenziell eher automatisiert, in Tschechien und Ungarn, wo Rehau ebenfalls Heckspoiler produziert, eher weniger.

Höher, schneller, automatisierter

In Richtung höherer Automationsgrad geht es auch bei der Weiterentwicklung der Anlagen. Viel mehr wollen die Beteiligten allerdings noch nicht preis geben. Wurdack führt aus: „Bei den Neuanlagen wird es teilweise noch so gemacht, dass ein Handlingsystem die Bauteile nach der Fertigstellung aushebt, ablegt und dann der automatischen Qualitätskontrolle zuführt. In der nächsten Anlage dagegen, legt der Werker die Bauteile nicht mehr in die Anlage ein, sondern nur noch auf Werkstückträger außerhalb der Anlage. Den Rest macht dann die Anlage automatisch.“

Mut zur Innovation

Dass sie soweit überhaupt gekommen sind, sich Gedanken über einen noch höheren Automationsgrad der Anlage zu machen, darauf sind die Beteiligten schon ein wenig stolz. „Ich sage mal so, da haben Knur und Rehau einen gewissen Mut zur Innovation gehabt“, sagt Wurdack. Denn die Automobilbranche poche auf Sicherheit. Dann würden lieber die bewährten Anlagenkonzepte nur ein kleines Stückchen weiterentwickelt. „Man macht sie eben jedesmal ein bisschen schneller“, meint Wurdack. Daher sei es schon etwas Besonderes, eine völlig neue Prozesskombination umzusetzen. „Das muss man auch schon honorieren. Es sind nämlich nicht immer alle bereit, den ersten Schritt zu einer neuen Technologie zu gehen“, ist sich Wurdack sicher.

ist Redakteur des Plastverarbeiter. david.loeh@huethig.de

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