Bild2

Demonstratorbauteil des Exzellenzclusters Merge. [6]

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Mitteltunnel der Bodengruppe bestehend aus metallischen Deckschichten aus Stahl mit einem Faserverbundkern aus CFK. [4] (Bildquelle: alle IKT)

Durch die Kombination verschiedener Werkstoffklassen in einem Verbund, können besonders leistungsfähige Bauteile generiert werden. In der Kunststofftechnik zählen hierbei sogenannte Metall-Kunststoff-Verbunde bereits zum Stand der Technik. Durch die Kombination der komplementären Werkstoffeigenschaften von Kunststoffen und Metallen lassen sich dabei Bauteileigenschaften wie Steifigkeit, Dichte oder Wärmeleitfähigkeit anforderungsgerecht im Bauteil einstellen. Metall-Kunststoff-Verbunde können dabei allgemein in die drei Hauptgruppierungen, der Insert- und Outsert-Technik wie auch den multifunktionalen Hybridbauteilen unterteilt werden. Bei der Insert-Technik werden kleinere Metallteile in einem Kunststoffträger eingebettet, während bei der Outsert-Technik Funktionselemente aus Kunststoff in Trägerkomponenten aus Metall eingebunden werden[1]. Dem gegenüber bilden bei den multifunktionalen Hybridbauteilen sowohl Kunststoff als auch Metall gleichermaßen Funktions- und Trägerkomponente ab.

Eine der primären Herausforderungen bei der Herstellung von Hybridbauteilen ist dabei nach wie vor die feste Verbindung der Metall- und Kunststoffkomponenten. Diese kann sowohl bei mehrstufigen Prozessen im sogenannten Post-Molding-Assembly (PMA) oder bei integrierten Formgebungs- und Fügeprozessen in einstufigen Sonderverfahren als In-Mold-Assembly (IMA) umgesetzt werden[2]. Die Anbindung von Metall und Kunststoff kann darin durch form-, kraft- und/oder stoffschlüssige Verbindungen realisiert werden. Zum aktuellen Stand der Technik werden hierzu neben den klassischen Verbindungstechniken, wie dem Nieten, Schrauben, Kleben, Schweißen und den formschlüssige Verfahren, auch vermehrt IMA-Verfahren, beispielsweise im Spritzgießprozess, eingesetzt.

Entwicklungen der Metall-Kunststoff-Hybridtechnik und dem Hybridthermoformen

Aufgrund des hohen wirtschaftlichen und technischen Potenzials von Metall-Kunststoff-Hybriden lässt sich derzeit eine Vielzahl an Forschungsbemühungen auf diesem Gebiet verzeichnen. Im Fokus der Forschungsprojekte liegt dabei sowohl die Fügetechnik als auch die Entwicklung und Evaluation intelligenter IMA-Verfahren.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Prolei arbeiten beispielsweise Wissenschaftler des IWB der TU München und des LWF der Universität Paderborn gemeinsam mit Vertretern aus der Industrie (Airbus Group Innovations, Volkswagen, etc.) daran, Bauweisen mit Kunststoff-Metall-Hybridverbunden für die industrielle Serienfertigung zu qualifizieren. Schwerpunkt bilden dabei Fügeprozesse zum laserbasierten Strukturieren von Kontaktflächen wie auch die automatisierte Ausführung des Fügevorgangs. [3]

Auch in dem BMBF-Forschungsprojekt Leika wurde an Herstellungsverfahren und Fügekonzepten geforscht. Hier lag der Fokus jedoch auf der Prozessentwicklung für großserientaugliche, hochbelastete Karosseriestrukturen (Bild 1). In dem Projekt waren 13 Partner involviert, unter Ihnen sowohl Vertreter aus der Forschung wie das ILK der TU Dresden als auch Industriepartner wie die Krauss Maffei oder die Thyssen Krupp.[4]

Parallel dazu forscht auch das LKT in Erlangen an vollflächigen, inlinefähigen Fügestrategien, welche am Einzelrippen-Prüfkörper bis hin zum bekannten Erlanger Träger untersucht werden[5].

Bild2

Demonstratorbauteil des Exzellenzclusters Merge. [6]

Am Exzellenzcluster Merge an der TU Chemnitz werden kombinierte Kunststoffurform- (Spritzgießen) und Metallumform- (Metalltiefziehen) untersucht. In einem zweistufigen Prozess wird hier beispielsweise ein Metallblech tiefgezogen, vorbehandelt und anschließend im gleichen Werkzeug hinterspritzt. Bild 2 zeigt einen Demonstrator.[6]

Ein ähnlicher Ansatz wird auch am IKV der RWTH Aachen verfolgt. Auch hier beschäftigt man sich in einem Forschungsprojekt mit einem zweistufigen Prozess, der das Tiefziehen und Hinterspritzen von Strukturbauteilen im Spritzgießwerkzeug vereint. Ergänzt werden die Forschungsbemühungen am IKV dabei durch Methodenentwicklungen im Bereich der rechnergestützten Auslegung von Metall-Kunststoff-Verbunden. In dem Verbundprojekt Hylight wurde dazu eine integrative Simulationsmethodik untersucht, mit der die grundlegenden mechanischen Eigenschaften wie Steifigkeits- und Festigkeitsverhalten des Verbundes lokal mit hoher Genauigkeit berechnet werden können.[7]

Metall-Kunststoff-Fließpressen und Hybridthermoformen

Bild3

Mögliches Einsatzfeld für das Metall-Kunststoff-Fließpressen [8]

Einen Ansatz, welcher Metall- und Kunststoffformgebung vollständig mit dem Fügeprozess in einem Prozessschritt vereint, stellt das sogenannte Metall-Kunststoff-Fließpressen dar. Diese neuartige Fertigungsvariante wird aktuell an der Universität Stuttgart in Kooperation zwischen dem IFU und dem IKT erforscht. Im Gegensatz zu bisherigen Hybridprozessen erfolgt dabei die Kunststoffformgebung nicht durch ein nachgeschaltetes Spritzgießen, sondern parallel zur Metallumformung in einem Schritt. Als Ausgangskomponente dient dabei ein Metallvorformling und Kunststoffgranulat, welches während des Pressvorgangs aufgrund von Reibung und Druck aufgeschmolzen und in Form gebracht wird. Mögliche Einsatzgebiete könnten hierbei rotierende Metallwellen darstellen, welche zur Verbesserung der Dämpfungseigenschaften mit einem Kunststoffkern versehen werden (Bild 3).[8]

Eine weitere integrierte Fertigungsvariante, die sich insbesondere für die Herstellung Großflächiger Metall-Kunststoff-Verbunde eignet, stellt das sogenannte Hybridthermoformen dar. Beim Hybridthermoformen wird in einem kombinierten Thermoform- und Fügeprozess ein Einlegeteil im Umformwerkzeug positioniert und während der Thermoformung formschlüssig mit dem Thermoformteil verbunden (Bild 4). Bislang konnten bei dieser Prozessvariante nur vergleichsweise kleine Metalleinleger als Inserts eingebunden werden. In einem zweijährigen Forschungsprojekt soll nun am IKT gemeinsam mit der Kroh Kunststofftechnik, Bisingen, dieser Hybridthermoformprozess für die Herstellung von multifunktionalen Hybridbauteilen weiterentwickelt werden. Ein mögliches Anwendungsfeld für großflächige Hybridthermoformteile sind Gehäuse-Bauteile, bei denen über das Gehäuse Abwärme abgeführt werden soll. Durch die angestrebte Prozessvariante könnten besonders leichte und großflächige Bauteile wirtschaftlich produziert werden, welche lokal die Festigkeit und Wärmeleitfähigkeit der Metallkomponente aufweisen.

Entwicklung des Hybridthermoformprozess

Das Forschungsprojekt zum Hybridthermoformen am IKT baut auf Untersuchungen am LPW der Universität des Saarlandes auf. So wurden in einer Veröffentlichung von Naumann et. al. aus dem Jahr 2012[9] bereits verschiedene Füge-Geometrien für eine formschlüssige Verbindung zwischen Metalleinleger und Kunststoffkomponente untersucht, aus denen sich entsprechende Konstruktionsrichtlinien für das aktuelle Projekt ableiten lassen. Im Zuge der Voruntersuchungen konnte überdies aber auch der große Einfluss der Prozessführung auf die Verbundfestigkeit festgestellt werden, die schließlich die Markteinführung des Verfahrens verhinderten. In dem Forschungsprojekt am IKT in Kooperation mit dem Kunststoffverarbeiter sollen nun Verarbeitungsrichtlinien für eine intelligente Werkzeugauslegung und Prozessführung beim Hybridthermoformen entwickelt werden. Damit soll das Hybridthermoformverfahren reif für die Serienfertigung werden. Ziel ist das Sicherstellen einer dauerfesten Verbindung zwischen der Metall- und der Kunststoff-Komponente bei der Fertigung unter Serienbedingungen. Die Prozessentwicklung wird dabei im Projekt durch die Thermoformsimulation unterstützt, mit welcher der Umformvorgang entsprechend vorhergesagt und durch entsprechende Prozessanpassungen optimiert werden soll. Eine weitere Herausforderung für das Projektvorhaben stellt das Schwindungsverhalten der Kunststoffkomponente dar. Um bei einer Fest-fest-Lagerung der Metallkomponente kritische Spannungen nach dem Abkühlen zu vermeiden, verfolgt die Projektgruppe den Ansatz, wärmeleitfähige Kunststoffsysteme für das Hybridthermoformen einzusetzen. Auf diese Weise kann einerseits das Schwindungsverhalten des Kunststoffs an die Metallkomponente angepasst und andererseits auch ein sekundärer Wärmestrom über die Kunststoffkomponente ermöglicht werden.

Potenzial liegt in der klugen Kombination

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Prinzipskizze zum Hybridthermoformen. (Quelle: alle IKT)

Metall-Kunststoff-Hybride bieten großes Potenzial, die Palette an Fertigungsvarianten durch besonders leistungsfähige Konstruktionen zu erweitern. So lassen sich durch die intelligente Kombination der beiden Werkstoffsysteme Metall und Kunststoff Bauteileigenschaft anforderungsgerecht und „lokal“ einstellen. Die Leistungsfähigkeit der Metall-Kunststoff-Verbunde ist dabei stark von der Verbindungstechnik zwischen Metall- und Kunststoffkomponente abhängig. Die Bauteilkosten von Metall-Kunststoff-Hybriden hängen in hohem Maß von der gewählten Fertigungsvariante ab. In zahlreichen Forschungsprojekten wird aktuell sowohl an Fügeprozessen, wie auch an geeigneten In-Mold-Assembly-Verfahren geforscht. Ein neues In-Mold-Assembly-Verfahren stellt dabei Hybridthermoformen dar, welches insbesondere für die Herstellung großflächiger Bauteile großes Chancen bietet und die fertigungstechnischen Vorteile des Thermoformprozesses mit der Leistungsfähigkeit von Metall-Kunststoff-Hybriden vereint.


Literaturangaben

[1]      BONTEN, C. Kunststofftechnik. Einführung und Grundlagen. München: Hanser, 2016. ISBN 978-3-446-44171-2

[2]      ERHARD, G. Konstruieren mit Kunststoffen. München: Hanser, 2008. ISBN: 978-3-446-41646-8

[3]      N.N. [online] PROLEI – Prozessketten für das Fügen Endlosfaserverstärkter Kunststoffe mit Metallen in Leichbaustrukturen. München: Technische Universität München [Zugriff am: 07.06.2017]. Verfügbar unter: http://plattform-forel.de/prolei/

[4]      N.N. [online] Die Zukunft der E-Mobilität heißt hybrid. München: KraussMaffei GmbH [Zugriff am: 07.06.2017]. Verfügbar unter: https://www.kraussmaffei.com/ rpm-de/presse/d/zukunft-e-mobilitaet-hybrid.html

[5]      N.N. [online] Kunststoff-Metall-Hybridtechnik. Erlangen: Lehrstuhl für Kunststofftechnik [Zugriff am: 07.06.2017]. Verfügbar unter: http://www.lkt.uni-erlangen.de/ forschung/leichtbau/hybridtechnik.shtml

[6]      N.N. [online] Forschungshighlights und Technologiedemonstratoren. Chemnitz: TU Chemnitz [Zugriff am: 07.06.2017]. Verfügbar unter: https://www.tu-chemnitz.de/ MERGE/ research_highlights.php

[7]      N.N. [online] Hybrider Kunststoff/Metall-Leichtbau. Aachen: Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) [Zugriff am: 07.06.2017]. Verfügbar unter: http://www.ikv-aachen.de/forschung/leitthemen/leichtbau/

[8]      WELLEKÖTTER, J.; WÄLDER, J.; KAST, O.; FELDE; A. BONTEN; C.; LIEWALD, M.: Kunststoff und Metall auf Anhieb verbinden – Optimale Plastifizierung und Haftung beim Kunststoff-Metall-Fließpressen. In: Kunststoffe 6 (2016), S. 33-36

[9]      NAUMANN, T.; KRÄMER, M.; STOMMEL, M. Funktionen integrieren. In: Kunststoffe 8 (2012), S. 60-63

 

ist Mitarbeiter der Abteilung Verarbeitungstechnik am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart.

ist Geschäftsführer von Kroh Kunststofftechnik, Bisingen.

studierte Maschinenbau in Duisburg und Aachen und promovierte in der Kunststofftechnik der Universität Essen. Nach leitenden Funktionen bei der BASF SE und dem Biokunststoffhersteller FKuR Kunststoff GmbH wurde er 2010 zum Direktor und Leiter des Instituts für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart berufen.

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Institut für Kunststofftechnik (IKT)

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