Für den Zollstock wird aus Biogas oder Bio-Naphta der Basis-Rohstoff des Kunststoffs gewonnen. (quelle: BASF)

Für den Zollstock wird aus Biogas oder Bio-Naphta der Basis-Rohstoff des Kunststoffs gewonnen. (quelle: BASF)

Auch wenn sich hochrangige Staats- und Wirtschaftsvertreter zum x-ten Mal treffen und an einer soliden Einigung zum Klimaschutz scheitern, ist die Nachfrage des Verbrauchers nach umweltfreundlichen Produkten ungebrochen. Tendenz steigend, weil sich der Einzelne doch hin und wieder darüber Gedanken macht, ob eine umweltverträglichere Variante des gewünschten Produkts vielleicht doch die Bessere wäre. Die Motivation für den Griff zum „Bio-Produkt“ sind verschieden. Ob der Wunsch, weniger Strom zu verbrauchen oder weniger Abfall zu erzeugen, die Idee, das Produkt könnte weniger schädlich sein oder vielleicht, weil die Bio-Alternative einfach trendy ist, Umweltschutz ist in.
Ceresana veröffentlichte Anfang dieses Jahres eine Marktstudie und prognostiziert den Biokunststoffen ein enormes Potenzial: Der globale Bedarf werde voraussichtlich um fast 19 Prozent jährlich steigen.
Bio-Kunststoff darf nicht fehlen
Dieses Wachstum beruht auch darauf, dass sich immer mehr Unternehmen mit diesen Kunststoffen beschäftigen, sie zur Marktreife und im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen auf petrochemischer Basis zu konkurrenzfähigen Werkstoffen entwickeln. Und wie stark die Nachfrage ist, zeigte auch das Angebot an Biokunststoffen und Rezyklat-Lösungen auf der Fakuma 2014 in Friedrichshafen. Zahlreiche Rohstoffanbieter haben biobasierte oder biologisch abbaubare Kunststoffe in ihrem Portfolio und zeigten Exponate dazu. Bei den biobasierten Kunststoffen sind dies einerseits Kunststoffe, deren Monomere aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen oder andererseits Compounds oder Verbundwerkstoffe, in denen ein Rohstoff aus biologischen Quellen, wie Cellulosefasern, eingesetzt wird. Hier zeigte beispielsweise Jeluplast, Rosenberg, ein Compound, das aus Polypropylen und Holzfasern besteht. Es ist feuchteresistent und recycelbar und lässt sich gut zu stabilen Platten verarbeiten. Als mögliche Anwendungen sieht der Anbieter Garten- oder Innenmöbel sowie Türblätter. Als Verarbeitungsverfahren kommen Spritzguss, Extrusion sowie Pressen infrage. Auch Köver, Buxtehude, setzt auf Naturstoff-Compounds. Der Kunststoffverarbeiter setzt PE im Verbund mit pulversierten Walnussschalen ein und vertreibt die Produkte unter dem Namen Shoeshee.
Mit Desmovit DP R Eco entwickelte Geba, Ennigerloh, eine naturfaserverstärkte TPU Produktserie. Das Compound auf Desmopanbasis ist mit 10 Prozent, 15 Prozent und 20 Prozent Naturfaseranteil erhältlich. Vorteile der natufaserverstärkten Compounds gegenüber glasfaserverstärkten Typen sind die niedrige Dichte sowie die verbesserten mechanischen Eigenschaften. Durch das geringere Gewicht eignet sich der Werkstoff besonders für Produkte und Bauteile aus der Sport- und Automobilindustrie, welche bislang aus glasfaserverstärkten Kunststoffen hergestellt werden. Beispielhafte Anwendungen sind Nordic Walking Stöcke, Zeltstangen, Schuhsohlen, Fahrradhelme, Satteltaschen, Gehäuse, Unterbodenschutz, Schaltknäufe.

Zur Herstellung von papierähnlichen Folien eignet  sich das Bio-Compound auf LDPE-Basis. (Quelle: Grafe)

Zur Herstellung von papierähnlichen Folien eignetsich das Bio-Compound auf LDPE-Basis. (Quelle: Grafe)

Ein bereits etablierter biologisch basierter Rohstoff ist Bio-Polyethylen (Bio-PE), wie er von Braskem, São Paulo, Brasilien, aus fermentiertem Zuckerrohr produziert wird. Auf Basis von Bio-PE werden verschiedene Compounds hergestellt. Zu dieser Gruppe gehört auch das von Grafe, Blankenhain, vorgestellte Bio-Compalen-Paperlike, aus dem sich Folien fertigen lassen, die in jede Richtung gerissen werden können. Das Bio-Compound auf LDPE-(low density-PE) lässt sich zu Flach- und Blasfolien verarbeiten, die sich durch eine papierähnliche Haptik sowie eine gute Beschreibbarkeit auszeichnen. Auch auf biogischer Basis wird Akromid S, das PA 6.10 Compound von Akro-Plastic, Niederzissen, hergestellt. Es besitzt einen bis zu 70 prozentigen biogenen Kohlenstoff-Anteil. Hier bildet Rizinusöl aus den Samen des Wunderbaumes die Grundlage für Sebacinsäure, aus der der nachwachsenden Rohstoffanteil des Polymers gewonnen wird.
Mass-Balance-Konzept
Einen tiefergehenden Ansatz verfolgt BASF, Ludwigshafen, mit dem Mass-Balance-Konzept. Mit Hilfe einer vom TÜV Süd zertifizierten Bilanzierungsmethode werden 100 Prozent der fossilen Rohstoffe, die normalerweise zur Herstellung von Ultramid B3EG6 MB benötigt werden, durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt. Die Rezeptur und Qualität ist gegenüber dem fossilen Pendant unverändert. Das Mass-Balance-Verfahren ist eine Möglichkeit, erneuerbare Rohstoffe im bestehenden Produktionsverbund zu nutzen. Es ermöglicht Biomasse, zum Beispiel in Form von Biogas oder Bio-Naphtha aus zertifiziert nachhaltiger Produktion, anstelle fossiler Ressourcen schon am Anfang der Wertschöpfungskette als Rohstoff einzusetzen und später den jeweiligen zu verkaufenden Polymeren definiert zuzuordnen. Das Unternehmen Kunststoffwerk, Buchs, Schweiz, ein Unternehmen der Wiha Werkzeuge, verarbeitet den biobasierten Kunststoff zum Beispiel serienmäßig zur Herstellung von Zollstöcken.
Bioabbaubare Kunststoffe
Eine andere Strategie, ebenfalls mit dem Ziel, die Umwelt zu schonen, wird mit biologisch abbaubaren Kunststoffen verfolgt. Das ist angesichts der heftig geführten Diskussion um kleinste Kunststoffpartikel, sogenannte Mikroplastik, eine Möglichkeit, den auf falschem Weg entsorgten Kunststoff, zu vermeiden. Biologisch abbaubarer Kunststoff ist für Anwendungen, wie beispielsweise Landwirtschaftsfolien, sehr sinnvoll und bereits angewendet. Für Verpackungen steigt die Nachfrage. Auf der Fakuma stellte Clickplastics aus Bensheim dazu ein neu entwickeltes heimkompostierbares Bio-PBS vor. Auch der Erwerb von Vertriebsrechten der Metabolix, Cambridge, Massachusetts, USA durch Akro-Plastic zeigt, das diese Werkstoffgruppe Marktpotenzial hat. Unter dem Namen Mvera stellt das amerikanische Unternehmen biologisch abbaubare und kompostierbare Compounds aus Polyhydroxyalkanoaten (PHA) her. Akro-Plastic wird diese Compounds zukünftig durch die unter dem Namen Bio-Fed gegründete Zweigniederlassung in Köln vermarkten und weiterentwickeln. Dazu waren auf der Fakuma Halteclipse zum Befestigen von Kulturpflanzen in der Landwirtschaft zu sehen. Die Clipse beispielsweise für Tomaten, Gurken oder Paprika, wurden aus Bio-Fed Mvera MD01-1302, einem erdabbaubarer Biopolyesterblend, gefertigt.

Recyclingkonzepte und Rezyklateinsatz
Eine Alternative zu neuen Compounds ist, Rezyklate einzusetzen. Hierzu lieferten die Fakuma-Aussteller einige Beispiele. Darunter Polykemi, Ystad, Schweden, das ein schwer entflammbares Rezyklat für Kabelkanäle, die entlang von Eisenbahntrassen laufen, vorstellte. Der Werkstoff erfüllt die DIN 53438 K1. Üblicherweise kommt für solche Anwendungen eine Mischung aus teurer Neuware mit Sekundärrohstoffen und Flammschutzmitteln zum Einsatz. Zahlreiche Unternehmen präsentierten Recyclingsysteme, wie beispielsweise Thees Kunststoffverarbeitung, Dinklage,  die sowohl mobile, als auch stationäre Entsorgungskonzepte für Kunststoffabfälle aus Fehlchargen, Überschüssen oder Altverpackungen, mahlen und aufbereiten. Von der Bereitstellung der passenden Aufnahmebehälter wie Kartons, Gitterboxen, oder Container,  über die Abholung, stationäre und/oder die mobile Vermahlung bis hin zur Auslieferung oder der Übernahme des Materials bietet das Unternehmen den kompletten Recycling-Workflow aus einer Hand. Auf das Recyling von PET- sowie HDPE- und PP-Verpackungsabfälle haben sich die Unternehmen Multiport und Multipet, Bernburg, spezialisiert. Mit Multithene für die HDPE Compounds, Multiprop für die PP Compounds und PP-haltige Mahlgüter sowie Multipet für die PET-Flakes, sehen sich die Unternehmen im Markt gut aufgestellt.

ist Redakteurin Plastverarbeiter. etwina.gandert@huethig.de

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AKRO-PLASTIC GmbH

Industriegebiet Brohltal-Ost, Im Stiefelfeld 1
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