November 2011

Medizintechnische Artikel und Verpackungen aus Thermoplasten müssen oft vor Verkauf oder Gebrauch sterilisiert werden. Unter Sterilisation versteht man die Entfernung oder Zerstörung aller lebenden Mikroorganismen einschließlich sehr resistenter Lebensformen wie Pilz- oder Bakteriensporen.
Zur Sterilisation kommen je nach Einsatzgebiet unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, die nicht nur gezielt die Organismen schädigen, sondern auch auf Thermoplaste negativen Einfluss haben können, weil auch letztere aus organisch-chemischen Bausteinen bestehen. Die Beständigkeit gegen verschiedene Sterilisationsverfahren ist daher ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Werkstoffauswahl für medizintechnische Anwendungen. Übliche Sterilisationsverfahren sind zum Beispiel:

  • Sterilisation im Autoklaven (Dampf, Heißluft),
  • Ethylenoxid (EtO) und
  • Strahlung (Gammastrahlen, Elektronenstrahlen).

Die Dampfsterilisation wird oft für Artikel im Mehrfachgebrauch beispielsweise in Kliniken, Labors und Praxen eingesetzt. Hierzu wird der Autoklav bei geringem Überdruck – zum Beispiel 0,5 bar – mit gesättigtem Wasserdampf geflutet. Übliche Sterilisationsbedingungen sind etwa 121?°C über einen Zyklus von 30 Minuten, beziehungsweise bei einer Schnellsterilisation 134?°C über zehn Minuten. Die erhöhten Temperaturen erfordern eine ausreichende Wärmeformbeständigkeit des Werkstoffes. Materialien mit zu geringer Erweichungstemperatur können sich verziehen und verformen. Einige Werkstoffe mit hoher Wärmeformbeständigkeit wie aliphatische Polyamide, Polycarbonat und Polyester neigen dagegen zum hydrolytischen Abbau und benötigen eine entsprechende Stabilisierung. Bei der Heißluftsterilisation sind höhere Temperaturen von etwa 160 bis 170 °C üblich. Diese wird für Thermoplaste sowohl wegen der zu geringen Wärmeformbeständigkeiten als auch wegen der durch die geringe Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen verlängerten Sterilisationsdauer meist nicht eingesetzt. Ethylenoxid (EtO) kommt zum Einsatz, wenn die klassischen thermischen Sterilisationsverfahren aufgrund der thermischen Empfindlichkeit des Sterilisationsgutes nicht geeignet sind. Pures Ethylenoxid ist brennbar, hochexplosiv und als im Tierversuch krebserzeugender und erbgutverändernder Gefahrstoff eingestuft. Die EtO-Sterilisation wird daher in geschlossenen Kammern unter leichtem Unterdruck durchgeführt, um ein Entweichen des gasförmigen EtO in die Umgebung zu verhindern. Da die Chemikalie stark alkylierend wirkt, kann es bei einigen Polymeren, zum Beispiel bei Polycarbonaten, zu einem Polymerabbau und damit zu einer Verringerung der mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Bruchdehnung führen.
Die Sterilisation durch hochenergetische Strahlung – Gamma- oder Elektronenstrahlen – wird insbesondere bei verschlossenen medizintechnischen Geräten oder Verpackungen eingesetzt. Aufgrund des sehr hohen geräte- und sicherheitstechnischen Aufwandes wird sie bei spezialisierten Anbietern durchgeführt. Die Strahlensterilisation kann abhängig von der Strahlendosis und den Umgebungsbedingungen während der Sterilisation zu Veränderungen der Polymerstruktur führen. Folge sind, abhängig von Polymer und Additivierung, ein Abbau oder Vernetzung und hierdurch ausgelöst Veränderungen der mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Zähigkeit. Bei vielen Thermoplasten kommt es zudem zu einer meist reversiblen Gelbverfärbung. Es ist daher auf eine entsprechende Additivierung zu achten.
Einer der Werkstoffe für die Medizintechnik ist Polycarbonat. Aufgrund seiner glasklaren Transparenz wird es für klinische und diagnostische Bauteile eingesetzt, bei denen die Sichtbarkeit von Geweben, Blut oder anderen Flüssigkeiten erforderlich ist. Da es zudem Festigkeit und Steifigkeit mit einer sehr hohen Schlagzähigkeit verbindet, gute Spannungrißbeständigkeit und hohe Dimensionsstabilität aufweist, ist es für Anwendungen geeignet, bei denen ein Bauteilversagen lebensbedrohlich sein könnte. Seine hohe Temperaturbeständigkeit qualifiziert es zudem für die gängigen Sterilisationverfahren. Einsatzgebiete sind zum Beispiel Blutdruckmessgeräte, Insulinpens, Sperrhähne und Luers, Blutfilter und Dialyseequipment. Styron hat für diese Anwendungen Polycarbonat-Typen entwickelt, die speziell auf die verschiedenen Sterilisationsverfahren hin optimiert wurden: Calibre 2061 ist ein speziell stabilisiertes PC mit erhöhter Hydrolysebeständigkeit. Erfahrungsgemäß können Produkte aus diesem Werkstoff mindestens fünf bis zehn Zyklen bei typischen Sterilisationsbedingungen durchlaufen, bevor es zu einer Verringerung der Bruchdehnung oder Eintrübung der Produkte kommt. Produkte aus Standard-PC zeigen bei gleichen Sterilisationsbedingungen bereits nach zwei bis drei Zyklen Schädigungserscheinungen. Wegen der erhöhten Hydrolysebeständigkeit bleiben die physikalischen Eigenschaften bei einer Sterilisation mit EtO unter Standardbedingungen unverändert. Bei Mehrfach­­sterilisation kann es zu einer Verringerung der Bruchdehnung kommen. Für Anwendungen zur Strahlensterilisation sind die Typen der Calibre Megarad 2081 und 2091 Serie entwickelt worden. Gegenüber Standard-PC kann bei ihrem Einsatz die Farbveränderung je nach Typ um bis zu 75 Prozent verringert werden, so dass die Produkte nach der Sterilisation die wasserklare Optik des Naturmaterials bewahren. Die physikalischen Eigenschaften bleiben bis zu einer Strahlendosis von 10 Mrad (entspricht 100 kGray) unverändert.

Nicht nur sterilisierbar, sondern
auch biokompatibel

Neben der Sterilisierbarkeit und den klassischen Materialeigenschaften wie Mechanik und chemische Beständigkeit, sind für die Medizintechnik noch weitere Gesichtspunkte von Bedeutung, denen die oben genannten Rohstoff-Typen Rechnung tragen: Eines dieser Kritierien ist die Biokompatibilität, das heißt der Werkstoff darf keinen Einfluss auf Körperflüssigkeiten und Gewebe haben. Zur Bewertung der Biokompatibilität, möglicher toxischer oder reizender Wirkungen von Materialien existieren eine Reihe verschiedener Toxizitäts- und Biokompatibilitätstests, die Abhängig von der Endanwendung durchgeführt werden müssen: Die ISO 10993 im Europäischen Raum, sowie für den US-amerikanischen Markt die Einstufung nach USP Class VI. Beide genannten medizintechnischen Serien der PC-Typen sind nach ISO 10993 und USP Class VI geprüft.

Rohstoffkonstanz unabdingbar

In der Medizintechnik werden hohe Anforderungen an die Konstanz der Rohstoffe in Bezug auf deren Zusammensetzung und Eigenschaften gestellt. Aufgrund der aufwendigen und langwierigen Freigabe von neuen medizintechnischen Produkten ist es wichtig, dass ein Rohstoff über einen möglichst langen Zeitraum in unveränderter Form geliefert werden kann. Veränderungen der Rezeptur und des Herstellungsverfahrens erfordern eine Überprüfung der Freigabe und sind daher unbedingt soweit als möglich zu vermeiden beziehungsweise dem Verarbeiter frühzeitig anzuzeigen. Über Veränderungen der Rezeptur oder Herstellungsprozesse hinaus sind jedoch auch kleine Änderungen des Produktes aufgrund des wachsenden Druckes auf die Hersteller, Artikel in gleichbleibender und medizintechnisch konformer Qualität zu liefern, unerwünscht. Jegliche, auch minimale Änderung des Produktes ist als Gefährdung der Übereinstimmung mit den medizintechnischen Freigaben und Anforderungen zu sehen. Die Hersteller legen aus diesem Grund höchsten Wert auf eine genaue Kontrolle von Rohstoffen, Komponenten und Prozessen.
Bei der Produktion der genannten Polycarbonat-Typen speziell für die Medizintechnik wird diesen Anforderungen daher auch in besonderer Weise Rechnung getragen. Bereits die Rohstoffe der Polymerfertigung unterliegen einer strikten Freigabeprozedur sowie einer genauen, laufenden Qualitätsprüfung. Mit den Rohstoffzulieferern werden langfristige Lieferverträge abgeschlossen, um die Produktkonstanz zu sichern. Während der Produktion werden – neben den physikalischen, mechanischen und optischen Eigenschaften – die Extrusionsprozessdaten laufend erfasst und in sequentiellen Kontrollkarten entsprechend ISO 9001 und ISO 14001 dokumentiert. Zur jedem Fertigungsslot liegen Rückstellmuster als Granulat und als Probekörper vor. Die kontinuierliche Qualitätsverbesserung gewährleistet ein Root Cause Investigation Prozess (RCI). Die Rückstellmuster, sowie die Qualitätssicherungsdaten aus Qualitätskontrolle und RCI unterliegen einer Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren.

Besonderes Fertigungsverfahren für hohe Qualität

Die Qualität der medizintechnischen Typen ergibt sich jedoch nicht allein aus der Qualitätsüberwachung, sondern dem besonderen Fertigungsverfahren: Die Compoundierung und Granulierung findet auf einer gesonderten Fertigungslinie in einem speziell gekapselten Reinraum statt, um jegliche Kontaminationen zu vermeiden. Konsequenterweise befinden sich auch die Spritzgießmaschinen zur Fertigung der Prüfkörper für die Prüfung der optischen und mechanischen Kennwerte in Reinraumatmosphäre. Zusätzlich wird die Reinheit und Klarheit der medizintechnischen Typen durch eine besonders feinmaschige Schmelzefiltration gewährleistet. Neben der Qualitätskontrolle der Fließfähigkeit durch MFR Messung findet direkt während des Extrusionsprozesses redundant eine Viskositätsprüfung durch ein Online-Rheometer statt. Die Online-Prüfung ermöglicht ein zeitnahes Eingreifen bei Produktionsabweichungen und somit eine Produktion innerhalb extrem enger Toleranzen. Die Messdaten des Online-Rheometers werden zusammen mit den Extrusionsprozessdaten dokumentiert und archiviert. Ergebnis dieser sorgfältigen Produktion und engmaschigen Kontrolle ist ein Polycarbonat, das hinsichtlich gleichbleibender Qualität der Verarbeitungseigenschaften, Reinheit, Transparenz und Farbkonstanz den hohen Anforderungen des medizin-technischen Marktes gerecht wird.

Neue Technologie
Sterilisierbare Polycarbonate

Kunststoffrecycling der besonderen Art: Das Sterilisieren von Kunststoffteilen erlaubt es, medizintechnische Teile mehrfach zu verwenden, um Materialien – und Kosten – zu sparen. Doch die Rohstoffe müssen für die aggressiven Sterilisiationsverfahren ausgelegt, optimiert sein. Dies ist mit neuen, speziell stabilisierten  Polycarbonat-Typen gelungen. Durch die besondere Sorgfalt beim Produktionsprozess zeigen diese Rohstoffe neben der Biokompatibilität noch weitere Eigenschaften, die für den Einsatz in der Medizintechnik notwendig sind.

 

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