In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Brennstoffzellentechnik (ZBT) in Duisburg hat das Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik (IKFF) der Universität Stuttgart die externe induktive Werkzeugtemperierung erfolgreich eingesetzt (AIF-Projekt IGF 15955). Ziel des Projekts ist die spritzgießtechnische Herstellung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen. Dies erfordert die Verarbeitung extrem hochgefüllter Compounds mit einem Füllstoffanteil von zirka 80% (Ruß und Grafit). Neben der hohen Viskosität besitzt dieser Compound zudem eine hohe thermische Leitfähigkeit von etwa 11W/mK. Diesen Materialeigenschaften muss bei der Verarbeitung im isothermen Spritzprozess durch extrem hohe Einspritzdrücke Rechnung getragen werden, um eine vorzeitige Erstarrung der Schmelze im Werkzeug zu verhindern. Die induktiv-variotherme Prozessführung mittels externem Induktor, welche am IKFF seit Mitte der 90er Jahre erforscht wird, bietet hier eine schnelle und einfache Möglichkeit, um die erforderlichen Prozesskräfte zu reduzieren.
Durch den Einsatz der externen induktiven Zusatztemperierung gelang eine Reduzierung der Einspritzdrücke um über 700bar auf nunmehr 2.500bar bei gleichbleibender Formfüllung. Dies erlaubt eine Verarbeitung derartiger Compounds auf herkömmlichen und damit günstigeren Maschinen sowie eine Steigerung der Produktivität durch die Möglichkeit zur Produktion auf Werkzeugen mit Mehrfachkavitäten.
Zur Gewährleistung eines stabilen, temperaturgesteuerten Variothermprozesses ist jedoch auch eine zuverlässige Messung der Temperatur an der Kavitätsoberfläche erforderlich. Ein entsprechendes Messsystem wurde am IKFF entwickelt und wird hier beschrieben.
Sensoren zur Messung derOberflächentemperaturen
Eine zeitveränderliche Temperatur der kavitätsnahen Werkzeugbereiche ist Hauptmerkmal der variothermen Prozessführung. Die Temperaturmessung muss der hohen Dynamik folgen können, um eine möglichst umfassende Prozessüberwachung zu ermöglichen. Eine Erfassung der – bei herkömmlichen isothermen Verfahren stationären – Werkzeuggrundtemperatur ist nicht mehr ausreichend.
Grundsätzlich erfordert eine Oberflächentemperaturmessung mit berührenden Sensoren wie Thermoelementen oder Widerstandsthermometern die Anbringung des Sensors auf der entsprechenden Oberfläche. Bei extern induktiv erwärmten Oberflächen bedeutet dies, dass der Sensor dem starken hochfrequenten Magnetfeld unmittelbar ausgesetzt ist. Im Sensor werden so auch Wirbelströme induziert und damit Joule’sche Verlustwärme erzeugt. Dies kann das Messsignal quantitativ und durch Störfeldeinflüsse qualitativ verzerren, schlimmstenfalls wird der Sensor sogar zerstört. Der Einsatz von berührenden Temperatursensoren ist somit erst in einem ausreichenden Abstand von der induktiv erwärmten Oberfläche möglich. Dann kann die Oberflächentemperatur jedoch nicht mehr direkt erfasst werden, da es im Variothermprozess infolge instationärer Wärmeleitvorgänge zur Ausbildung eines zeitabhängigen Temperaturprofils kommt.
Eine unmittelbare Messung der Oberflächentemperatur ist somit nur durch relativ kostspielige Strahlungsthermometer möglich. Dies erfordert freie Sicht auf die erwärmte Oberfläche. Bei Werkzeugen mit externem Induktor ist aber häufig ein Großteil der betrachteten Oberfläche durch den Induktor verdeckt und behindert so die Messung.
Einfaches Temperaturmesssystem mit oberflächennahen Thermoelementen
Der Grundgedanke des hier vorgestellten, Messprinzips ist daher, das in der Erwärmungsphase im Kavitätsbereich vorliegende instationäre Temperaturprofil durch Sensoren zur erfassen, die im Werkzeug hinter der induktiv erwärmten Oberfläche liegen; das ist kostengünstig. Die tatsächliche Oberflächentemperatur wird dann mit Hilfe eines mathematischen Modells, das auf einer Regression beruht, näherungsweise berechnet. Die Grundlage für die mathematische Beschreibung stellt hier die Fourier’sche Wärmeleitgleichung mit geeigneten Randbedingungen dar. Es kann so auf empirisch zu bestimmende, unphysikalische Koeffizienten gänzlich verzichtet werden – lediglich die thermischen Eigenschaften des jeweiligen Werkzeugstahls müssen bekannt sein.
Über die eindimensionale instationäre Wärmeleitgleichung wird die Oberflächentemperatur in Abhängigkeit von der Heizzeit und der örtlichen Temperaturverteilung berechnet. Im einfachsten Fall kann damit die Oberflächentemperaturbestimmung auf eine Zeit- und zwei Temperaturmessungen zurückgeführt werden. Wird eine größere Anzahl an Temperaturmessstellen verwendet, so kann die Messgenauigkeit durch Regression verbessert werden. Das in den Versuchen verwendete Messsystem wurde daher mit zwei oberflächennahen Thermoelementen ausgeführt.
Für erste Versuche wurde ein einfacher mäanderförmiger Induktor eingesetzt; in nachfolgenden Untersuchungen konnte die Übertragbarkeit auf kompliziertere Induktorgeometrien nachgewiesen werden. Um Aussagen über die Messgenauigkeit machen zu können wurde der induktive Aufheizvorgang mit einer Thermokamera aufgezeichnet.
Die Versuchsergebnisse zeigen eine gute Messgenauigkeit des Systems
In ausführlichen Versuchen mit variierenden Heizleistungen und Heizzeiten wurde eine sehr gute Messgenauigkeit mit Abweichungen von weniger als3K im Vergleich mit der Thermografieaufnahme erreicht (siehe Bild Thermoaufnahme und Tabelle).
Um die Unabhängigkeit des Messprinzips von der Induktorgeometrie zu überprüfen wurden weitere Versuche mit anders gestalteten Induktoren wie einem Planarspulinduktur durchgeführt. Betrachtet man dabei den Bereich unmittelbar unter einem Induktorschenkel (siehe Bild), so wird deutlich, dass die Bedingung eines eindimensionalen Temperaturfeldes mit zur Oberfläche senkrechtem Wärmestrom hier grundsätzlich nicht zutrifft. Die lateralen, von der senkrechten Ausbreitungsrichtung abweichenden Anteile des Wärmestroms sind im zugrundegelegten mathematischen Modell nicht berücksichtigt. Sie können daher mit diesem Messsystem auch nicht erfasst werden. Ihr Auftreten führt zwangsläufig zu verminderten Messge-nauigkeit. Dies muss bei der Auswahl des Messgebiets berücksichtigt werden. Soll dennoch eine Messung in einem inhomogenen Messgebiet erfolgen, so kann ein geeigneter Korrekturfaktor eingefügt werden. Dieser ist allerdings stark vom jeweiligen Anwendungsfall abhängig.
Trotz der komplizierten Induktorgeometrie und der damit verbundenen größtenteils ungleichmäßigen Wärmeeinkopplung konnte in Versuchen die Oberflächentemperatur aus dem sensorisch erfassten Temperaturfeld mit einer Abweichung von weniger als 5K gegenüber den mittels Thermokamera erfassten Werten ermittelt werden. So wurde die Oberflächentemperatur beispielsweise nach 10s Heizzeit durch Regression zu 176°C bestimmt. Die von der Thermokamera gemessene Temperatur betrug 179,5°C. Somit lässt sich das Messprinzip für verschiedene Induktorformen anwenden. Voraussetzung für eine genaue Messung bleibt das Vorhandensein eines Erwärmungsbereichs mit möglichst eindimensionalem Charakter.
Praxistauglichkeit und Vorteiledes Temperaturmesssystems
Die in den Versuchen nachgewiesene sehr gute Übereinstimmung zwischen der analytischen Lösung und dem tatsächlich in Versuchen messtechnisch erfassten Temperaturfeld setzt das Vorhandensein einer vornehmlich homogenen Wärmeeinkopplung in der Oberfläche voraus. Es zeigte sich, dass das dynamische Temperaturprofil während der Heizphase sehr gut erfasst wird. Die rechnerische Ermittlung der Oberflächentemperatur aus dem gemessenen Temperaturprofil mittels Regression lieferte im Versuch Temperaturwerte, welche sehr gut mit den thermografisch gemessenen Temperaturen übereinstimmten.
Ein Vorteil eines solchen Messsystems stellt die Unabhängigkeit von der Induktorgeometrie dar, die experimentell nachgewiesen werden konnte. Einzige Bedingung ist das Vorhandensein eines ausreichend großen Bereichs mit homogener Erwärmung. Ein weiterer Vorteil dieses Messverfahrens liegt darin, dass außer den Zeitpunkten für den Beginn und das Ende des Heizvorgangs keine betriebspunktabhängigen Parameter in die Messung eingehen.
Die hier dargestellten Messergebnisse zeigen, dass ein Messsystem zur Oberflächentemperaturbestimmung mit in der Tiefe gestaffelt unter der Oberfläche liegenden Sensoren einen temperaturgesteuerten Prozess für Spritzgusswerkzeuge mit externer Temperierung jeglicher Art (Induktion, IR-Strahler, …) möglich macht. Eine Anpassung des Prinzips auf Variothermsysteme mit integrierter induktiver Erwärmung ist ebenfalls denkbar.
Neue Technologie
Werkzeugoberflächentemperaturen bei externer Erwärmung messen
Das hier vorgestellte Messsystem ermöglicht eine zuverlässige Bestimmung der Temperatur an der Kavitätsoberfläche bei Spritzgusswerkzeugen mit externer und vollintegrierter Zusatzheizung. Dies erlaubt eine mit einfachsten Messmitteln realisierbare temperaturgesteuerte, variotherme Prozessführung. Die Methode wurde bei der Herstellung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen erfolgreich erprobt. Dort ist eine induktive Beheizung des Spritzgießwerkzeuges sinnvoll, um die vorzeitige Erstarrung des eingespritzten Compounds zu verhindern, weil es hochviskos und gut wärmeleitfähig ist.