Auf Basis der strahlungsinduzierten Vakuumkonsolidierung entwickelte das Fraunhofer ICT zusammen mit dem Anlagenhersteller Dieffenbacher die Industrieanlage Fibercon, welche die Fiberforge Thermoplast-Tapelege-Technologie um die Halbzeugkonsolidierung ergänzt. Bisher erfolgte dieser Herstellungsschritt klassischerweise in energie- und kostenintensiven, kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Pressprozessen, zum Beispiel mit einer Doppelbandpresse oder einer Intervallheißpresse. Dass dieser Prozess einen Engpass, ein sogenanntes Bottleneck, in der Prozesskette des Thermoplast-Tapellegens darstellt, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fraunhofer ICT bereits 2012 identifiziert. In einem ganz neuen Entwicklungsansatz konnte dabei eine Lösung mit der strahlungsinduzierten Vakuumkonsolidierung (engl. radiation induced vacuum consolidation) geschaffen werden.
Prozesskette für das Thermoplast-Tapelegen
Einen Forschungsschwerpunkt des Instituts bildet die Prozessentwicklung für den wirtschaftlichen Leichtbau. Neben der Optimierung von etablierten Prozessen werden komplette Prozessketten hinterfragt und, basierend auf dem aktuellen Stand der Forschung, neu gedacht. Die Prozesskette des Thermoplast-Tapelegens gliedert sich, ausgehend von den UD-Tapes, in drei einzelne Prozessschritte: das Tapelegen, das Konsolidieren und der abschließende Bauteilprozess wie eine Umformung und Funktionalisierung des konsolidierten Geleges im Hybrid Molding. Die vollständige Prozesskette, die sich sowohl für Standard- als auch für Hochtemperaturthermoplaste eignet, ist am Fraunhofer-Institut in Pfinztal verfügbar.
Zykluszeit und Qualität entscheiden
Für den ersten Schritt, das Tapelegen, existieren prinzipiell verschiedene Prozesstechnologien am Markt. Im Kontext der Großserienproduktion ist allerdings neben der Legegenauigkeit vor allem die Zykluszeit entscheidend. Mit der Fiberforge Thermoplast-Tapelege-Technologie steht dem Frauhofer ICT das weltweit schnellste Tapelege-System zur Verfügung. Die mit dieser Technologie herstellbaren maßgeschneiderten Gelegelaminate (Tailored blanks) bieten im Vergleich mit den zurzeit eingesetzten gewebten Halbzeugen verschiedene Vorteile. Während die Faserorientierung beim Weben durch Kett- und Schussrichtung auf 0° und 90° festgelegt ist, können die UD-Tapes im Tapelege-Verfahren lastpfadgerecht entsprechend der Hauptlastpfade in beliebiger Faserorientierung ausgerichtet werden. Weiterhin kommt es durch das schichtweise Ablegen der Tapes nicht zu Faserondulationen, wodurch das volle mechanische Potenzial der Fasern im Halbzeug genutzt werden kann. Durch das Ablegen von einzelnen UD-Tape-Streifen ist es außerdem möglich, ein endkonturnahes Halbzeug zu erstellen und dadurch den Materialverschnitt und in Folge auch die Bauteilkosten zu minimieren.
Zusätzlich kann durch eine lokale Materialablage ein Dickensprung oder eine lokale Verstärkung erzeugt werden. Bei dem beschriebenen Legeprozess werden die einzelnen Tapestreifen lediglich lokal durch Ultraschallschweißpunkte miteinander verbunden. So entsteht ein handhabbares Halbzeug in kurzen Zykluszeiten. Insgesamt bietet der Einsatz von UD-Tapes das höchste Potenzial bezüglich mechanischer Eigenschaften bei minimalem Materialverbrauch.
Im zweiten Schritt wird das Tailored blank konsolidiert. Bei der Konsolidierung werden Einzellagen unter Druck und Temperatur stoffschlüssig miteinander verbunden und so eine monolithische Platte hergestellt. Die Herausforderungen an diesen Verarbeitungsschritt bestehen darin, die einzelnen Lagen möglichst porenfrei und ohne lokale Änderungen der Faserorientierung zu konsolidieren. Zudem muss eine homogene Dickenverteilung gewährleistet werden.
Die Ziele bei dieser Verfahrensentwicklung für das Konsolidieren orientierten sich an den Anforderungen aus Wirtschaft und Industrie. So standen geringe Investitionskosten sowie ein niedrigerer Energieverbrauch im Vergleich zu den etablierten Verfahren im Vordergrund. Des Weiteren wurde eine hohe Prozessqualität und -stabilität bei Zykluszeiten unter 60 Sekunden angestrebt.
Die strahlungsinduzierte Vakuumkonsolidierung
Entsprechend dieser Ziele nutzt der entwickelte Prozess Unterdruck für den Druckaufbau und Infrarotstrahlung zum Aufheizen. Dadurch kann das Material schonend, direkt und schnell in geschützter Atmosphäre aufgeheizt und verpresst werden. Der generelle Prozessablauf erfolgt in fünf Schritten. Zuerst wird das Tailored blank zwischen den beiden für IR-Strahlung durchlässigen Werkzeughälften platziert. Anschließend wird das Vakuum aufgebaut und über den gesamten Prozess bis hin zur Bauteilentnahme aufrechterhalten. Dabei wird bereits die zwischen den Einzellagen eingeschlossene Luft evakuiert und kann somit nicht als Lufteinschluss im konsolidierten Gelege verbleiben. Beim Übergang des Materials in den schmelzflüssigen Zustand kann die bei der Tapeherstellung eingeschlossene Luft ebenfalls entweichen, wodurch sich der Porengehalt weiter reduzieren lässt.
Nach Erreichen der Zieltemperatur wird das Material abgekühlt und das konsolidierte Tailored blank kann entnommen werden. Hierbei ist es möglich, die Abkühlung frühzeitig abzubrechen, um die restliche Wärme im Material für das Aufheizen im nachgeschalteten Hybrid Molding zu nutzen. Durch eine spezielle Beschichtung der Werkzeughälften besteht zudem die Möglichkeit, die meisten Thermoplaste trennmittelfrei zu konsolidieren. Dies ist neben der geringen Zykluszeit eine zunehmend zentrale Anforderung für die automatisierte Weiterverarbeitung im Fügen sowie bei der Funktionalisierung im Hybrid Molding.
Die Vorteile des entwickelten Prozesses liegen des Weiteren in dem geringen Invest, der reduzierten Faserverschiebung aufgrund der niedrigen Prozessdrücke sowie der Konsolidierung unter Ausschluss von Sauerstoff. Speziell hierzu wurden am Institut Untersuchungen zur thermischen Degradation bei Polyamid 6 basierten Tapegelegen in Abhängigkeit der Prozesstemperatur durchgeführt. Bei anderen Verfahren sind teilweise höhere Prozesstemperaturen erforderlich, um beispielsweise einen Transfer und die damit verbundene Abkühlung zu kompensieren. Da der Wärmeverlust beim strahlungsinduzierten Vakuumkonsolidieren durch die thermische Isolierung minimal ist, liegt die Prozesstemperatur nur knapp über der Schmelztemperatur.
Gemeinsam mit Dieffenbacher konnte das entwickelte Verfahren in einen großserienfähigen Prozess umgesetzt werden. Die Anlagentechnik beseitigt den Engpass in der Prozesskette vom Tape bis zum finalen thermoplastischen Faserverbundbauteil. Die Prozesskette steht nun für die gemeinsame Nutzung in Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Verfügung. Neben der großserienfähigen Anlagentechnik bietet das Fraunhofer ICT in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern auch prozessspezifische Unterstützung bei der Bauteilkonzeption und der simulativen Auslegung an.
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