Vor einigen Jahren sprach uns Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker auf unserem Stuttgarter Kolloquium ins Gewissen: Ein großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel stünde bevor. Die Menschheit habe ein Wohlstandsniveau erreicht, von dem sie vor 100 Jahren nur hätten träumen können. Die industrielle Revolution und das Bevölkerungswachstum habe dazu geführt, dass die Menschheit fast alles bewohnbare Land in ihren Dienst genommen und sich Ressourcen aus den letzten Winkeln der Welt nutzbar gemacht habe [1]. Weiter sagte er, „Solange Leben auf der Erde existiert, werden Ressourcen verbraucht. Es ist im Sinne der Nachhaltigkeit weise, dass jede Generation die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen so effizient wie möglich nutzt, um der jeweils folgenden Generation den gleichen Lebensstandard zu ermöglichen.“
Die Betrachtung der Effizienz natürlicher Ressourcen umfasst das Verhältnis der jeweiligen Ernte zum Einsatz der verwendeten natürlichen Ressourcen Energie, Wasser, genutzte Bodenfläche, Luft u.a. Eine umfassende Ressourceneffizienz berücksichtigt zusätzlich die eingesetzten Ressourcen „Maschine“ (allgemein: Kapital) „Arbeitskraft“ sowie „Material“. Letztgenannte sind aus der Betriebswirtschaft auch als Produktivitätsfaktoren bekannt.
Knappe Ressourcen heißt: teure Ressourcen
Energie ist derzeit wohl die knappste Ressource der Welt. Die Menschheit hat kein Wasserproblem, denn zwei Drittel der Oberfläche der Erde sind mit Wasser bedeckt. Es erfordert allerdings viel Energie, um Meer- in Trinkwasser zu verwandeln und das gewonnen Trinkwasser in wasserarme Gegenden zu fördern. Die Menschheit hat eigentlich auch kein Flächenproblem, weil durch künstliche Bewässerung viele öde Landstriche bewohnbar gemacht werden können. Und die Menschheit hat eigentlich kein Ernährungsproblem, denn die Erde produziert genügend Nahrungsmittel, allerdings ungleich verteilt – meist fehlt die Energie für Transport und Lagerung.
Doch egal, welche Knappheit: Ingenieure können eine technische Lösung schaffen. Jedoch beschränkt die Energieknappheit und das daraus resultierende hohe Preisniveau oft die wirtschaftliche Nutzung dieser technischen Lösungen. Beispielweise ist es heute großtechnisch bereits möglich, aber recht energieintensiv, Kohlendioxid (CO2) aus der Luft abzuscheiden und zum Beispiel zu Kunststoffen zu verarbeiten. Effizienter ist es, wenn das CO2 gar nicht erst in die Atmosphäre gelangt. Im Sinne der Nachhaltigkeit gilt grundsätzlich, dass Energie möglichst aus regenerativen statt aus fossilen Quellen stammen sollte.
Seit einiger Zeit wird auch in Deutschland mit Geothermie versucht, Energie aus dem Erdinnern nutzbar zu machen. Eine gute Idee, auch wenn Tiefenbohrungen mit Risiken verbunden sind, die zunächst erkannt und beherrscht werden müssen. Schon lange nutzt die Menschheit Wasserkraft zur Energiegewinnung, doch sind diesen Eingriffen in die Natur Grenzen gesetzt und wird sich der Energiehunger der Welt nicht mit Stauseen stillen lassen. Als Energieerzeuger „im Aufwind“ sind Großwindanlagen, die ohne Faser-Kunststoff-Verbunde in dieser Größe und Effizienz nicht möglich wären. 2013 wurde in Templin bei Berlin zu der Zeit Europas größtes Photovoltaik-Feld eröffnet. Der Flächenverbrauch für solche Anlagen ist jedoch enorm und es ist absehbar, dass es sich hier – in stark bevölkerten Breiten mit einer geringen Anzahl Sonnenstunden – bestenfalls um Versuchsfelder handeln kann. In der Sahara aufgebaut, könnten sie das ganze energiehungrige Europa (und Afrika gleich mit) mit Strom versorgen.
Ressourcen müssen teuer bleiben
Eine Ressource wird, wenn die Preise nachgeben, immer weniger eingespart. Dieser sogenannte Rebound-Effekt wurde bereits in den 1920er-Jahren beschrieben. Die tendenzielle Vergeudung kann sogar zu einem Rückschlag („Backfire“) führen, also einem stärkeren Ressourcenverbrauch – ein Hinweis darauf, dass der freie Markt bei langfristigen Fragestellungen versagt. Ein Beispiel: Je kostengünstiger elektrisches Licht (z.B. durch LED-Technologie) verfügbar ist, desto mehr Licht wird “verschwendet“. Um Ressourcen zu schonen, müssen die Verbrauchspreise also parallel zu den Effizienzgewinnen angehoben werden, sodass die Kosten für Unternehmen wie Privatverbraucher in etwa konstant bleiben.
Moderat ansteigende Ressourcenpreise geben den Anreiz, die Ressourceneffizienz weiter zu steigern und können eine Volkswirtschaft sogar erfolgreicher machen. Beispielsweise hatte Japan im Vergleich der Industrienationen 1975 bis 1990 die höchsten Energiepreise; dennoch spielte die japanische Wirtschaft zu dieser Zeit die dominierende Rolle. [1]
Wenn der freie Markt das nicht selbst regeln kann, muss es die Politik tun. Seit 2005 gibt es eine EU-Leitlinie für ein ressourcenschonendes Europa. In Deutschland wird sie durch das Ressourceneffizienzprogramm ProgRess umgesetzt.
Dessen Ziele lauten:
- Bewahren natürlicher Ressourcen für zukünftige Generationen.
- Vermeidung negativer Umwelteffekte bzw. Einhaltung der Tragfähigkeitsgrenze,
- Vermeidung von Versorgungsengpässen für Deutschland und Europa,
- Erlangen von Wettbewerbsvorteilen mit effizienten Technologien.
Dies sind wichtige Gründe, warum Industriegesellschaften – um ihren Wohlstand zu mehren oder mindestens zu halten – dringend mit weniger Ressourcen auskommen müssen. Die konsequente Verbesserung der Ressourceneffizienz ist eine Art Lebensversicherung gegen Ressourcenmangel und steigende Preise. Im Idealfall wird der Preisanstieg überkompensiert.
Seit 1990 hat Deutschland seine Energieproduktivität bereits gut 60 Prozent gesteigert, benötigt also trotz Wirtschaftswachstum immer weniger Energie. Damit Deutschland zur effizientesten Industrienation der Welt wird, sind verbindliche Effizienzstandards Voraussetzung – auf nationaler, aber auch europäischer Ebene. Anspruchsvolle Standards, die sich stets am fortschrittlichen Stand der Technik orientieren, sind Impulsgeber für neue Technologien. Im Umkehrschluss können fehlende Effizienzstandards auch dazu führen, dass ein Land im Technikwettbewerb verliert. Das zeigt das Beispiel USA, die heute technologisch bei Fahrzeugen, Kraftwerken und Haushaltsgeräten weit hinter Europa rangieren.
Eigentlich gilt: Je höher das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Person einer Nation liegt, desto mehr Energie verbraucht sie und desto höher sind ihre fossilen CO2-Emissionen. Nord- und Westeuropa lösen sich (mit Japan) bereits in vorbildlicher Weise aus diesem Automatismus. So wird in diesen Ländern das Verhältnis aus Energieeinsatz und CO2-Emissionen zum Bruttoinlandsprodukt geringer als das aller anderen Staaten der Welt. Die größten Hebel zur Abkopplung des deutschen BIP von den CO2-Emmissionen sind:
- der Einsatz regenerativer Energien,
- die Wärmedämmung von Gebäuden,
- der Umstieg auf eine CO2-arme Form der Mobilität und
- energieeffiziente Produktionsweisen.Regenerative Energieerzeugung kann, zumindest zum Teil, nur mit Kunststoffen realisiert werden.
Wie bereits erwähnt, sind Großwindanlagen ohne Faser-Kunststoff-Verbunde nicht machbar. Die Photovoltaik mit Polymeren hat Zukunft, und auch Brennstoffzellen kommen ohne Polymermembranen nicht aus.
Energieeffiziente Gebäude mit Kunststoffen
In Mittel- und Nordeuropa wird viel Energie zum Beheizen, in Südeuropa und anderen heißen Regionen zum Kühlen von Gebäuden aufgewendet. So ist ein wesentlicher Beitrag zur Energieeinsparung der Einsatz von wärmedämmenden Kunststoffelementen. Die Webseite www.nachhaltiges-bauen.de führt aus, dass im ökologischen Vergleich Systeme aus expandiertem Polystyrol (EPS) mit Graphit („graue“ Platten) am besten abschneiden, gefolgt von EPS ohne Graphit, Steinwolle und Kork. Dennoch entwickeln zahlreiche Forschungsinstitute und Industrieunternehmen immer neue Schaumstoffe für eine noch stärkere Wärmedämmung.
Auch Haushaltsgeräte werden immer effizienter. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Polyurethan-Dämmung von Kühlschränken im Vergleich zur Steinwolle zwar mehr Energie bei der Herstellung des Dämmmaterials erfordert, diese aber überproportional während der üblichen Gebrauchsdauer kompensiert wird und die Steinwolle somit energetisch „überholt“. Spül- und Waschmaschinen verbrauchen bei gleicher Reinigungsleistung dank moderner Sensorik sowie effizienter Pumpen und Wärmetauscher aus Kunststoff immer weniger Energie und Wasser.
Leuchtmittel benötigen immer weniger Energie: Gegenüber der Glühbirne spart die LED-Technik ein Vielfaches an Energie ein. Diese energiesparenden Leuchtmittel sind teils selber aus Kunststoff oder benötigen ein Kunststoffgehäuse, um die Elektronik zu schützen. Technologisch besonders herausfordernd ist die Wärmeableitung: Mehrere Forschungsstellen, darunter das IKT in Stuttgart, arbeiten an kostengünstigen, wärmeleitenden Kunststoffen, die herkömmlich und effizient zu verarbeiten sind.
Mobilität der Zukunft – nur mit Leichtbau
Für den Individual-Personenverkehr werden Kunststoffe und Faser-Kunststoff-Verbunde verstärkt eingesetzt, weil sie mit ihren geringen Massenkräften die Massenträgheit verringern. Wird die Massenträgheit reduziert, lässt sich die Motorleistung und damit auch der streckenbezogene Energieeinsatz stark verringern. So spart ein Pkw pro 100 kg weniger Gewicht 0,15 bis 0,40 Liter Benzin pro 100 km. Ein Verkehrsflugzeug verbraucht pro 100 kg reduzierter Masse 300.000 kg weniger Treibstoff über 60.000 Flugstunden. Extrem leichte Kohlenstofffasern waren daher nicht nur beim Airbus A380 gefragt; auch im A350 werden mehr CFK-Teile als in jedem anderen Flugzeug verbaut.
Viele Forschungsinstitute arbeiten derzeit intensiv an Leichtbautechnologien, um die in der Thermoplastverarbeitung üblichen Zykluszeiten zu erreichen. Faser-Kunststoff-Verbunde auf Thermoplastbasis scheinen der Schlüssel dazu, mehr Leichtbau-Anwendungen im Bau von Serienfahrzeugen zu verankern. Das IKT arbeitet zum Beispiel daran, das Einsatzspektrum von Polyamid-basierten Organoblechen sowie der in-situ-Pultrusion hochgefüllter Faserpolyamid-Halbzeuge zu erweitern. Diese werden als leichter Metallersatz im Hybridspritzgießen eingesetzt.Der Einzug der kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) in Serienfahrzeugen erfordert nicht nur völlig neue Fertigungstechniken. Auch in anderen Bereichen wie Konstruktion oder Recycling muss ein Umdenken stattfinden.
Energieeffiziente Produktion in der Kunststoffbranche
Der dritte große Hebel, um maßgeblich Energie zu sparen, ist der Energieeinsatz für die Herstellung von Produkten. Nahezu alle Spritzgießmaschinenhersteller haben inzwischen eine vollelektrische Maschine im Programm. Nach Herstellerangaben können Verarbeiter ihren Energiebedarf damit im Vergleich zu hydraulischen Maschinen um bis zu 50 Prozent senken.
Recherchen des IKT im Rahmen eines vom Land Baden-Württemberg geförderten Projekts ergaben, dass die Energiekosten den Großteil der Maschinenbetriebskosten von Extrudern [3] und Spritzgießmaschinen ausmachen [4, 5]. Zum kleineren Teil wird die Energie zum Aufheizen verwendet, zu über 90 Prozent für Antriebe und hydraulische bzw. elektrische Verfahrbewegungen. Auch in der Antriebstechnik wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. So weisen die inzwischen weit verbreiteten Direktantriebe mit sogenannten Torquemotoren um 5 bis 10 Prozent bessere Wirkungsgrade auf als herkömmliche Getriebemotoren [6].
An Extrudern und Spritzgießmaschinen führte das IKT systematische Analysen von Wärmequellen und -senken während des Verarbeitungsprozesses durch. Ergebnis sind Darstellungen der Wärmeströme und Temperaturniveaus, um eventuelle Kopplungspotenziale innerhalb der Produktionseinheit zu detektieren. So kann anfallende Abwärme beispielsweise zur Erwärmung von Trockenlufttrocknern eingesetzt werden, die zwar als effizient, aber energieintensiv gelten und 10 bis 20 Prozent der Prozessenergie benötigen.
Eine spezielle Prozesstechnik erlaubt dem am IKT erforschten Hochleistungsextruder Helibar einen besonders energieeffizienten Betrieb. Dank einer genuteten, förderwirksamen Plastifizierzone entstehen auf diesem System nicht die hohen Druckpeaks in der Einzugszone wie bei herkömmlichen Nutbuchsenextrudern, ohne dass die Fördersteifheit verloren geht. Hierdurch sinkt der Energiebedarf für den Antrieb, die Schmelzetemperatur kann niedrig gehalten werden. Die Energieeinsparungen betragen 15 bis 30 Prozent.
In dem von der EU im Rahmen des Forschungsprogramms FP7/2007-2013 geförderten Projekt „HyperDry“ untersucht das IKT gemeinsam mit Partnern Methoden zur energieeffizienten Trocknung bei gleichzeitiger Kürzung der Trocknungszeiten. Dazu werden Mikrowellen eingesetzt, die das feuchte Granulatkorn auch innen aufheizen und den Stofftransport beschleunigen, während von außen mit überhitztem Dampf besonders schnell und effizient konvektiv die Wärme eingebracht sowie Feuchte abtransportiert wird.
Ressourceneffizienz durch Prozessintegration
Die Ressourcen „Maschine“ und „Arbeitskraft“ wurden in den vergangenen Jahren immer teurer und durch Effizienzsteigerung wieder überproportional günstiger, sodass für denjenigen Betrieb, der investierte, stets eine Ersparnis blieb. Dies hat die Produktivität der deutschen Industrie stets erhöht – mit dem bekannten Ergebnis, dass nur noch etwa 20 Prozent der Kosten der deutschen kunststoffverarbeitenden Industrie Personalkosten sind. Nicht etwa geringe Materialpreise, sondern die geringen Produktionskosten in Serie sind ein wichtiger Erfolgsfaktor von Produkten aus Kunststoff.
Um Maschinen- und Arbeitsstunden zu sparen, hat die Kunststoffindustrie immer mehr Prozessschritte kombiniert und integriert. Beispiel dafür ist ein Bauteil aus langfaserverstärktem Thermoplast, das etwa für Stützstrukturen in Pkw-Sitzen eingesetzt werden könnte.
Bereits vor Jahren entwickelte eine Kooperation um den Maschinenbauer Krauss-Maffei einen hochintegrierter Prozess, in dem ein Organoblech mit Kohlenstoff-Endlosfasergewebe zunächst in einer Infrarotstation beheizt, dann in ein Spritzgießwerkzeug eingelegt und direkt mit kurzglasfasergefüllter Polyamidschmelze hinterspritzt wurde. Beim Anspritzen der Versteifungsrippen an das Thermoplast-basierende Leichtbauteil wurde das Organoblech mit dem Spritzdruck im Werkzeug umgeformt.
Am IKT ist es inzwischen in dem erfolgreichen BMBF-Projekt HEAT gelungen, zwei weitere Prozessschritte einzusparen und durch ein neues Aufheizkonzept zugleich den Energiebedarf zu reduzieren. Das Organoblech muss nicht mehr im Infrarotofen aufgeheizt werden, stattdessen werden die Kohlenstofffasern, während der Roboter das Organoblech vom Stapel nimmt, mit Strom beaufschlagt und von innen heraus erwärmt. Wie zahlreiche Versuche mit verschiedenen Spannbacken- und Greiferkonzepten belegen, ermöglicht dieses Verfahren eine homogene Temperaturverteilung im Organoblech in wenigen Sekunden und mit geringem Energieaufwand.
Materialeffizienz durch Ersatz teurer Rohstoffe
Materialkosten verursachen in Deutschland ca. 50 Prozent der Kosten in der verarbeitenden Industrie. Wenn es die konstruktiven Erfordernisse zulassen, wird weniger Material eingesetzt. Besonders bei spritzgegossenen Verpackungen wird möglichst dünnwandig geplant, um Material zu sparen (und die Zykluszeit zu verkürzen). Wenn ein technisches Bauteil im praktischen Einsatz nicht ganz ausgereizt ist, können mit einem Treibmittel leichte Schaumstrukturen erzeugt und noch ein paar Prozent Material gespart werden.
Zu einer hohen Materialeffizienz gehört es nicht nur, eine möglichst geringe Menge Material einzusetzen, sondern auch einen niedrigeren Preis für die gleichermaßen zuverlässige Produktlösung anzustreben: Nach Möglichkeit werden preisgünstigere Werkstoffe („Downgrading“), Rezyklate oder – noch kostengünstiger – Monomere (In-situ-Polymerisation von Polyamid) eingesetzt.
„Downgrading“ ist Thema von zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, da Anwender hierdurch viel Geld einsparen können. Da hochviskose extrusionsfähige Polyamide knapp am Markt und teuer sind, haben Forscher des IKT in Stuttgart ein kostengünstiges Spritzgieß-Polyamid so modifiziert, dass es für die Extrusion geeignet ist. Noch kostengünstiger: PA6-Spezialitäten lassen sich auch direkt aus dem Monomer erzeugen: Für die Herstellung von schlagzähmodifizierten PA6-Block-Copolymeren wird das kostengünstige Monomer Caprolactam gemeinsam mit einem Aktivator und einem Katalysator in einen Doppelschneckenextruder gebracht und dort polymerisiert. In diesem Prozess wird die Schmelze gezielt entgast, um den Restmonomergehalt auf ein Minimum zu reduzieren. Diese reaktive Extrusion erlaubt es, noch im Prozess die Schlagzähigkeit des gebildeten PA6-Block-Copolymers gezielt zu beeinflussen.
Auf der In-situ-Pultrusionsanlage des IKT wurden erstmals uniaxial endlosfaserverstärkte Profile aus PA6 hergestellt. Der hohe Fasergehalt von über 70 Masse-Prozent auch bei großen Wanddicken und langen Fließwegen ist möglich, da das äußerst dünnflüssige Monomer vor seiner Reaktion zu Polyamid die Faserbündel problemlos durchtränken kann. Die leichten und hochsteifen Polyamid-Faserverbundbauteile werden als Einlegeteile zur lokalen Höchstverstärkung von komplexen technischen Spritzgussteilen aus Polyamid eingesetzt.
Materialeffizienz durch Recycling
Am Ende der Wertschöpfungskette steht das Entsorgungskonzept. Eine Studie im Auftrag des Verbands Plastics Europe hat gezeigt, dass ca. 99 Prozent der deutschen Kunststoffabfälle verwertet werden. Das ist – gemeinsam mit der Schweiz – Weltrekord. Österreich liegt nicht weit davon entfernt. Hierbei werden 46,7 Prozent stofflich (werkstofflich und rohstofflich) und 52,7 Prozent energetisch verwertet [7]. Zwar ist es tatsächlich höchst unwahrscheinlich, wie Minister Peter Altmaier betonte, einen Kunststofftragebeutel deutschen Ursprungs in den Weltmeeren zu finden, aber verschiedene Wegwerfprodukte werden regelmäßig an europäische Stränden gespült. Auch wenn eine hohe Sammel- und Verwertungsquote, wie in Deutschland, Schweiz und Österreich, ein bedeutender Weg sind, die Meeresverschmutzung zu vermeiden, sieht die Europäische Union keinen anderen Ausweg, als den Verkauf der zehn am meisten in Europa in der Umwelt gefundenen Wegwerfprodukte zu verbieten.
Die getrennte Erfassung des PET-Stoffstroms in Deutschland, Österreich und der Schweiz, fällt fast sortenrein an und erlaubt nach Schmelzereinigung und Kettenaufbau im Recyclingprozess einen immer höheren Rezyklatanteil in neuen PET-Flaschen. Inzwischen sind die Verfahren so sicher, dass das Rezyklat sogar für den Getränkekontakt zugelassen ist. Es heißt, der Discounter Lidl würde für neue Saskia-Flaschen bereits 100 Prozent rPET verwenden.
Biokunststoffe werden die Welt nicht retten – aber vielleicht einmal die Branche
Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen ist langfristig ebenfalls materialeffizient, weil auf diese Weise knapper und teurer werdende fossile Ressourcen länger unangetastet bleiben. Laut neuesten Prognosen werden Biokunststoffe in einigen Jahren – vor kurzem noch undenkbar – immerhin ca. 2 Prozent des weltweiten Kunststoffbedarfs decken.
Derzeit werden in Deutschland nur 6 Prozent des Erdölbedarfs für die Herstellung von Polymeren verwendet. Auf den Ölbedarf hochgerechnet, werden lediglich 2,6 Prozent des Erdöls für die Produktion von Kunststoffen eingesetzt [8]. Die Zahlen verdeutlichen jedoch, dass die Menge Öl, die Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen vermeiden, kaum dazu beitragen kann, fossile Rohstoffe zu schonen. Ein viel wichtigerer Beitrag der Forschung an Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen besteht darin, die Branche selbst von den immer knapper und knapper werdenden fossilen Ressourcen zu entkoppeln.
Mehr Selbstbewusstsein für die Kunststoffbranche
Kunststoffe haben in der breiten Öffentlichkeit einen eher schlechten Ruf, solange sie nach Gebrauch nicht gesammelt und verwertet werden. Dass dies nicht dem Werkstoff, sondern dem Verhalten jedes einzelnen Menschen geschuldet ist, ist der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Der gesellschaftliche Nutzen von Kunststoff als „Ressourcen-Schon-Stoff“ liegt auf der Hand: Mit Kunststoffen lassen sich enorme Mengen an Energie und CO2-Emissionen in Gebäuden, Transport und Verkehr sowie industrieller Produktion einsparen. Die hohe Prozessintegration und das ständige Streben nach Maschinen-, Arbeits- und Materialeffizienz bei der Verarbeitung dieser Werkstoffe erhöhen die Ressourceneffizienz weiter. Die Kunststoffbranche könnte diese Argumente sehr viel selbstbewusster nutzen!
Literatur
[1] Von Weizsäcker, E.U.; Hargroves, K.; Smith, M.: Faktor Fünf: Die Formel für nachhaltiges Wachstum. Droemer, München 2010
[2] N.N., CO2 emissions per capita vs. GDP per capita 2016, Global Carbon Project, 2017
[3] N.N.: Bewertung von Antriebskonzepten für Extrusionsmaschinen aus ökonomischer und ökologischer Sicht für KMU. Süddeutsches Kunststoffzentrum (SKZ), Abschlussbericht IGF-Vorhaben 15368 N, 2010
[4] Heinzler, F.; Weiss, P.; Wortberg, J.: Wenn Effizienzpotentiale aus Unwissenheit liegen bleiben. Kunststoffe 102 (2012) 6, S. 74–78
[5] Urbanek, O.; Saal, W.: Energy Efficiency: Plastics and Rubber Machines Well Places. Euromap Study 2011
[6] Schneider, F.: Energieverbrauch verringern. Kunststoffe 98 (2008) 10, S. 66–71
[7] Plastics Europe Deutschland e.V. Geschäftsbericht 2018[8] Bonten, C.: Kunststofftechnik – Grundlagen und Einführung. 3. Aufl., Hanser: München, 2020