Oktober 2011

Im Jahre 1987 liefen bei einem der heute weltweit führenden Kunststoffteilehersteller für die Autoindustrie, Peguform, im Werk Neustadt a. d. Donau die ersten Instrumententafeln für den Audi 80 vom Band. Über 20 Jahre und viele Automodelle später ist es der Geländewagen Audi Q5, der hier sein Cockpit erhält. Der Aufbau der Tafel besteht aus drei Materiallagen: einem langglasfaserverstärkten Kunststoffträger, einer PUR-Schaumschicht sowie der sogenannten Slushhaut, einer Formhaut aus PVC. Die Trägerteile werden bei Peguform im Spritzguss aus PP (Polypropylen) gefertigt, ein unpolarer Kunststoff, der zwingend einer Vorbehandlung bedarf, um für Haftungsprozesse empfänglich zu werden. Ziel der Vorbehandlung ist die Erhöhung der Oberflächenenergie. Je höher diese ist, desto besser die spätere Haftung mit dem Schaum.
Für die Fertigung des Q5 Instrumententrägers plante das Werk Neustadt den Bau einer neuen Vorbehandlungsanlage, doch entgegen der bislang eingesetzten Beflammungstechnik entschied sich der Hersteller hier für ein anderes Vorbehandlungsverfahren: die Plasmatechnologie Openair. Produktionsleiter Oliver Berger, Peguform, berichtet hierzu, dass ein bedeutender Kostenfaktor beim Bau einer neuen Beflammungsanlage – außer den weit höheren Betriebskosten – der erforderliche Einbau von gleich zwei automatischen Maskierungssystemen gewesen wäre, das heißt einmal für Links- und einmal auch für Rechtslenker. Nach der Testphase lagen die Vorteile einer plasmabasierenden Vorbehandlungsanlage für den Hersteller auf der Hand. Neben der Betriebskosteneinsparung waren es vor allem die ortsselektive Plasmabehandlung und der damit einhergehende Verzicht auf die Maskierung sowie die starke Haftung bedingt durch die hohe Aktivierungskraft des Plasmas, die Peguform überzeugten. Mit Beginn 2008 startete man die Serienproduktion mit der neuen Anlage.

Plasmaaktivierung verbessert Haftung

Das atmosphärische Plasmaverfahren von Plasmatreat, Steinhagen, basiert auf einem Düsenprinzip für unterschiedlichste Bauteilgeometrien. Die Systeme arbeiten unter normalen Umgebungsbedingungen und werden einzig mit Druckluft und Hochspannung betrieben. Das Plasma bewirkt die hohe Aktivierung von Kunststoffen, Metall, Glas oder Keramik durch gezielte Oxidationsprozesse bei gleichzeitiger Entladung und mikrofeiner Reinigung der Oberflächen. Für die Beurteilung der voraussichtlichen Haftung einer Klebschicht oder Beschichtung auf einem Festkörper ist dessen Oberflächenenergie das wichtigste Maß. Bei der Prüfung von unpolaren Thermoplasten wie PP ergeben sich geringe Oberflächenspannungen, meist zwischen 28 und 32 mJ/m². Aber erst ab 38 bis 42 mJ/m² bilden sich erfahrungsgemäß gute Haftungsvoraussetzungen. Durch eine Plasmabehandlung, das heißt durch eine starke Aktivierung der Materialoberfläche, kann eine deutliche Steigerung erreicht werden. Versuche beim Hersteller des Verfahrens ergaben, dass bei den meisten Kunststoffen Werte bis über 72 mJ/m² möglich werden. Das System zeichnet sich durch Prozesssicherheit aus, was sich sehr positiv auf die Haftung und die Produktionsqualität auswirkt.

Ortsselektive Vorbehandlung

Das mit drei Rotationsdüsen ausgestattete Plasmasystem arbeitet mit einer Strömungsgeschwindigkeit von etwa 250m/sec. Dies bewirkt, dass die Aktivierung auch bei komplexen Geometrien – wie kleinen Vertiefungen und Hinterschnitten – effektiv ist. Der Arbeitsbereich des Plasmas liegt dicht an der Düse, wodurch sich Abstandsschwankungen, bedingt durch verschiedene Toleranzen an Bauteilen und Werkzeugen, in der Vorbehandlungsspurbreite kaum bemerkbar machen. Ein besonders positiver Effekt liegt im konturgenauen Abscannen der Kunststoffoberfläche. Während die Plasmadüse auf dem Bauteil Richtungswechsel vornehmen und Bahnen, nicht nur Linien abfahren kann, müssen größere Richtungswechsel beim Flammverfahren außerhalb vorgenommen werden, da sonst beim Umkehrpunkt die thermische Einwirkung zu Verbrennungen an der Oberfläche führen kann.
Weichen die Parameter „Abstand vom Bauteil“ oder „Dauer der Beflammung“ auch nur minimal von den Vorgaben ab, kann eine über tausend Grad heiße Flamme dem thermisch empfindlichen PP gefährlich werden, insbesondere, wenn es sich wie in diesem Fall um einen langglasfaserverstärkten Kunststoff handelt. Sollte einmal das PP aufgrund der Flammhitze schmelzen, so lägen die Fasern lose an der Oberfläche und eine gute Haftung mit dem PUR-Schaum wäre nicht mehr gesichert. Auch könnte im Bereich der Vertiefungen der Anzeigeinstrumente bei der Beflammung ein Hitzestau entstehen, da die Wärme nicht abfließen kann, was zum selben Ergebnis führen würde. Bei der Openair-Technik sind diese Risiken ausgeschlossen. Das Plasma, auch kaltes Plasma genannt, erwärmt den Kunststoff während der Behandlung nicht über 30 °C.

Maskierung wird überflüssig

Der für den Softtouch der Instrumententafel zwischen PP-Träger und Slushhaut in der Schaumanlage eingespritzte Schaum muss an bestimmten Stellen haften, an anderen darf er es jedoch nicht. In den ausgesparten Bereichen befinden sich zum Beispiel Anschraubpunkte, sind Anbauteile vorgesehen oder – bei Exklusivausstattungen – soll später die Slushhaut mit dem dahinter liegenden Schaum durch Echtleder ersetzt werden. Alle Bereiche, an denen später keine Schaumhaftung erfolgen soll, müssen beim Flammverfahren mit thermisch stabilen Masken abgedeckt werden.
Bei der Openair Technik entfällt die Maskierung, da der robotergeführte Plasmastrahl ortsselektiv arbeitet. Er kann im Gegensatz zur Flamme millimetergenau der Bauteilgeometrie folgen. An den nicht behandelten Stellen lässt sich später die angefräste Slushhaut mit dem hinterschäumten PUR-Schaum leicht abziehen. Bereiche, an denen komplette Öffnungen des Trägers für den Einbau von Instrumenten vorgesehen sind, werden in einem gesonderten Arbeitsschritt ausgefräst. Laut Peguform hat sich der stabile Vorbehandlungsprozess von Plasmatreat bewährt, seit Beginn der Fertigung der Audi Q5 Tafeln gab es keinen einzigen Feldausfall. Zu den Vorteilen zählen demnach vor allem die Zuverlässigkeit und hohe Effektivität des Verfahrens im Produktionsprozess. Daneben lässt sich das Verfahren einfach in automatisierte Prozessabläufe integrieren. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden ist es außerdem wirtschaftlicher – und dies bei guter Umweltverträglichkeit.

Kosteneffizienz
Ortsselektive Vorbehandlung macht Maskierung überflüssig

Für das Ausschäumen von Instrumententafeln setzt Peguform das Openair-Plasma zur  Vorbehandlung ein. Es kommt ohne vorherige Maskierung des Bauteils aus, da die Düsen im Unterschied zur Beflammung ortsselektiv arbeiten. Eine Maskierung des Bauteil wird insofern überflüssig, als das Plasma die Hafteigenschaften der Oberfläche nur dort erhöht, wo eine verbesserte Haftung wirklich gebraucht wird. Stellen, an denen der Schaum nicht haften soll, werden ausgespart.

 

 

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