Die Leichtbauweise liegt im Trend. Vor allem in der Flugzeugproduktion sind Komponenten aus Materialien mit besonders geringem Gewicht nicht mehr wegzudenken. Aber auch die Automobilbranche setzt zunehmend auf innovative Werkstoffe wie zum Beispiel Carbonfaser-verstärkten Kunststoff (CFK), der bei einem Fünftel des Gewichts die gleiche Zugfestigkeit wie ein entsprechend dimensioniertes Stahlbauteil aufweist. Hintergrund sind vor allem die steigenden Anforderungen in den Bereichen CO2-Emissionsreduzierung, Energieeffizienz, ressourcenschonende Fertigung sowie Nachhaltigkeit. In der voranschreitenden Elektromobilität sind ultraleichte Materialien aufgrund des hohen Batteriegewichts der Fahrzeuge ohnehin ein Muss.
Mit dem Trend zum Leichtbau steigt auch die Bedeutung von Klebverfahren. Schon seit geraumer Zeit erkennen immer mehr Branchen die Vielzahl an Vorteilen, die das Kleben bietet: Unterschiedlichste Materialien lassen sich stoffschlüssig verbinden und die Klebprozesse gut in automatisierte Fertigungsprozesse integrieren. Wenn der Klebstoff so konzipiert ist, dass er gleichzeitig das Abdichten übernimmt, kann damit zudem ein kompletter Arbeitsschritt eingespart werden. Es entsteht kein Lärm wie beim Schrauben und Nieten – und kein Funkenflug wie beim Schweißen. Schließlich sind verklebte Oberflächen auch optisch attraktiver, da keine Schraubenköpfe beziehungsweise Nieten sichtbar sind. Klebverfahren sind damit eine wichtige Voraussetzung für die Verarbeitung moderner Werkstoffe und die Schaffung von Innovationen.
Kleben: Im Leichtbau die Fügetechnik der Wahl
Im Leichtbau kommt hinzu, dass es oft gar keine Alternativen zum Kleben gibt, weil sich herkömmliche Fügeverfahren nicht eignen. Da hier vorrangig nicht-metallische Werkstoffe zum Einsatz kommen, fällt das Metallschweißen schon einmal weg. Beim Verschrauben und Nieten können die leichten Materialien der extremen mechanischen Punktbelastung oft nicht standhalten: Der Druck, der an einer geschraubten oder genieteten Befestigung entsteht, kann schnell zu Beschädigungen führen. Klebstoff dagegen lässt sich über die gesamte Fläche verteilen. Damit verteilt sich auch die Belastung der verfügten Bauteile, die Kraft wird auf die gesamte Fläche abgeleitet. Um zusätzlich Gewicht einzusparen, werden im Leichtbau beispielsweise Komponenten verwendet, die aus einer in zwei durchgehenden Aluschichten eingefassten Wabenstruktur aus leichtem Metall oder Kunststoff bestehen. Diese Sandwichbauteile lassen sich grundsätzlich nur per Klebtechnik verfügen. Für den Druck einer Schraube oder Niete sind sie zu empfindlich.
Allerdings ist das Kleben eine hochkomplexe Angelegenheit, die viel Wissen und ein präzises Vorgehen voraussetzt. Wenn eine Klebverbindung versagt, ist dies Untersuchungen zufolge in 92 Prozent der Fälle auf Anwendungsfehler zurückzuführen. Kleben erfordert daher eine Null-Fehler-Strategie. Diese einzuhalten ist oft gar nicht so einfach. Schon die unzureichende Reinigung vor dem Klebvorgang oder eine falsche Vorbehandlung der Oberflächen können dazu führen, dass der Klebstoff nicht richtig hält. Auch durch die Mischung eines Zweikomponentenklebers im falschen Verhältnis sowie durch Fehler bei der Berechnung von Dimensionen kann es passieren, dass die Klebverbindung versagt.
Multi-Material-Konzepte: eine Herausforderung für Fügetechniker
Im Leichtbau wird häufig ein intelligenter Materialmix verwendet, um von den unterschiedlichen physikalischen und mechanischen Eigenschaften verschiedenartiger Werkstoffe zu profitieren. Auch in der Automobilindustrie liegt Multi-Material-Design im Trend. Sehr verbreitet ist hier beispielsweise die Kombination aus Faserverbundwerkstoffen, Aluminium und Magnesium sowie Stahl. Durch diese unterschiedlichen Materialien lassen sich spezielle Anforderungen meist besser erfüllen als mit Bauteilen aus einem einzigen Werkstoff. Ein Windkraftrad beispielsweise muss so steif sein, dass es bei der Rotation nicht abknickt. Stahl würde die beste Härte bieten, ist allerdings zu schwer. Gleichzeitig ist bei einem Windrad die Elastizität faserverstärkter Kunststoffe gefragt, um der dynamischen Belastung dauerhaft standzuhalten.
Für die Fügetechniker bedeuten solche Multi-Material-Konzepte eine Herausforderung, denn sie müssen beim Kleben die unterschiedlichen physikalischen und mechanischen Eigenschaften der Materialien berücksichtigen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, welcher Klebstoff zum Einsatz kommt und ob er sich für die zu verklebenden Materialien eignet. Die Bandbreite ist groß: Sie reicht von spröde-harten Klebstoffen wie Sekundenklebern bis hin zum hochelastischen, weichen Silikon, das schon eher zu den Dichtstoffen gehört. Entscheidend ist das Einsatzgebiet. Um beim Thema Windkraftrad zu bleiben: Da sehr große Kräfte übertragen werden, ist hier ein relativ hartes System gefragt.
Perfekt für Multi-Material-Bauteile sind Konstruktionsklebstoffe, die unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Einen guten Kompromiss aus Crashfestigkeit und Steifigkeit auf der einen Seite und Flexibilität und Zähigkeit auf der anderen bieten beispielsweise innovative Kunstharze auf Basis von Epoxid, auch Epoxid- oder EP-Harze genannt. Dabei handelt es sich um einen Zweikomponentenkleber bestehend aus Harz und Härter, mit dem sich auch für Mischverbindungen sichere und langzeitbeständige Klebungen realisieren lassen.
Epoxidharze erfüllen viele moderne Anforderungen
In anderen Bereichen wie beispielsweise der Baubranche kommt es dagegen vorrangig auf die Dehnungseigenschaften des Klebstoffs an. So haben metallische Werkstoffe eine deutlich höhere thermische Ausdehnung als etwa CFK. Dadurch entstehen beim Verbinden der Fügeteile Spannungen, die zu Deformationen und Beschädigungen des Bauteils führen können. Ein Beispiel hierfür ist die Verklebung von Aluminium und Glas, die etwa im Fassadenbau, aber auch im Leichtbau verbreitet ist: Bei dauerhafter Sonneneinstrahlung dehnt sich Aluminium stark aus, Glas dagegen kaum. Dadurch kann es passieren, dass die Scheibe springt. Und um das zu vermeiden, braucht es einen relativ elastischen Klebstoff, der unterschiedliche Dehnungseigenschaften mitbringt.
Auch die Dosierung spielt eine Rolle
Insgesamt spielen bei der Klebstoffauswahl mehrere Faktoren eine Rolle: von den Kräften, die auf das Bauteil wirken – etwa Witterungseinflüsse, Bewegung, Hitze oder die Berührung mit aggressiven Säuren – über die oben erwähnten Dehnungseigenschaften des Materials bis hin zur Frage, wie das Fügesystem ausgehärtet wird. In Sachen Medienbeständigkeit etwa ist ebenfalls Epoxidharz zu empfehlen: Der Zweikomponentenkleber eignet sich auch für das Verkleben von Komponenten, die regelmäßig mit Kraftstoff in Berührung kommen – zum Beispiel Tankeinfüllstutzen.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium dafür, dass eine Klebstoffverbindung hält, ist die Dosierung: Vor dem Klebvorgang muss definiert werden, dass der Klebstoff die komplette Fläche benetzt – ohne Aussparungen. Das ist ein klares Qualitätsmerkmal. Zu viel Kleber darf allerdings auch nicht aufgetragen werden, da dies die Belastungsfähigkeit des Klebstoffs beeinträchtigen würde: Je dicker die Klebstoffschicht, desto schlechter werden die Kräfte von einem zum anderen Bauteil übertragen. Denn Klebstoffe weisen in der Regel eine geringere Festigkeit als das zu klebende Material auf und können reißen, wenn die Schicht zu dick ist.
Neue Materialien erfordern neue Klebstoffe
Während Sonne und Hitze die Dehnungseigenschaften von Materialien und damit auch den Klebvorgang deutlich beeinflussen, bieten die meisten im Leichtbau verwendeten Klebstoffe eine Toleranz von bis zu -50° C. Damit ist Kälte im Automobil- und Flugzeugbau kein Thema. In der Raumfahrt dagegen sind Spezialklebstoffe gefragt. Bei Temperaturen im extremen Minusbereich würden herkömmliche Klebstoffe spröde werden und könnten brechen.
Das Thema Kleben ist ein weites Feld. Und die Entwicklung schreitet unablässig voran. Immer wieder kommen neue Klebstoffe mit neuen Eigenschaften auf den Markt. Das liegt zum einen daran, dass die Industrie permanent neue, innovative Materialien einsetzt, die wiederum spezielle Ansprüche an die Fügetechnik stellen. Zum anderen steigen die Anforderungen an den Arbeitsschutz – etwa Verbote bestimmter Chemikalien oder neue Kennzeichnungspflichten. Aber auch wenn in der Klebtechnik alles im Fluss bleibt – eines steht mittlerweile fest: Schrauben und Nieten haben auf längere Sicht ausgedient. Mit dem 21. Jahrhundert hat die Ära des Klebens begonnen.