Der Innenraum des Audi Q8 wirkt sachlich und zugleich edel und weist damit den Weg in die Zukunft auf. „Audi ist besonders designorientiert“, beschreibt Jochen Klos, Injection Moulding Manager der Faurecia Innenraumsysteme mit Stammsitz im südwestdeutschen Hagenbach, einen besonders anspruchsvollen Autobauer. Sechs Innenraumteile werden im Produktionswerk Peine für das SUV-Coupé produziert. Die Mittelkonsole macht die hohen Qualitätsanforderungen besonders gut deutlich. Um wettbewerbsfähig zu sein, entwickelte Faurecia gemeinsam mit seinem Spritzgießmaschinenbaupartner Engel einen Produktionsprozess abseits des Mainstreams.
Die Black-Panel-Bauteile werden auf einer Engel Duo 700 Combi Spritzgießmaschine mit Drehteller in einem Dreikomponentenspritzgießprozess hergestellt. Verarbeitet werden PC-ABS für die Trägerstruktur sowie zwei PC-Typen, darunter ein transparentes, denn der Buchstabe P, der in der Schaltanzeige die Position „Parken“ symbolisiert, ist hinterleuchtet. Ein in die Fertigungszelle integrierter Knickarmroboter entnimmt die Teile aus dem Werkzeug und übergibt sie an die Qualitätskontrolle. Unmittelbar im Anschluss an die Spritzgießproduktion werden die Oberflächen der Mittelkonsolen lackiert und das hinterleuchtbare P mittels Lasergravur wieder präzise vom Lack befreit. Der schwarze Hochglanzlack mit exakt definiertem Mattanteil ist eine Sonderentwicklung von Audi und für den Automobilkonzern ein Differenzierungsmerkmal.
Bei der Mittelkonsole des Audi Q8 handelt es sich um eine filigrane Rahmenstruktur, die im Cockpit den Bordcomputer, die Schaltung und ein Ablagefach umschließt. Anspruchsvoll ist die Herstellung nicht nur aufgrund der drei Materialien, die in einem Arbeitsschritt zeitgleich verarbeitet werden, sondern vor allem, weil der Hochglanzlack einen absolut ebenen Untergrund erfordert. „Audi prüft die Bauteile mit Hilfe von Streifenlicht“, erklärt Tobias Hüppe, Werksleiter am Standort Peine. „Das Licht lässt sich nicht täuschen. Auch feinste Bindenähte oder Einfallstellen werden detektiert und führen zu Ausschuss.“
180 °C heißes Druckwasser über den Drehteller zuführen
Um sichtbare Bindenähte zu vermeiden, entschieden sich die Faurecia-Prozessentwickler für eine variotherme Werkzeugtemperierung mit Hilfe von Druckwasser. Einfallstellen, verursacht von Rippen und Montageelementen auf der B-Seite der nur 2,5 mm dicken Trägerstruktur, waren ebenso wie Auswaschungen im transparenten, hinterleuchteten Material, die die Lichtreinheit beeinflussen können, eine anspruchsvolle Aufgabe.
„Diese Themen bereiteten uns wirklich Kopfzerbrechen“, berichtet Klos. „Letzten Endes haben wir den herkömmlichen Mehrkomponentenprozess quasi auf den Kopf gestellt.“ Jochen Wallmüller, Vertriebsleiter Automotive von Engel am Stammsitz Schwertberg in Österreich, erläutert die Herausforderung: „Wir mussten die komplette Medienversorgung auf die bewegliche Werkzeugaufspannplatte durch den Drehteller hindurch verlegen.“ Was mit Hochtemperaturleitungen für Anwendungen im Bereich Automotive Lighting Stand der Technik ist, erfuhr bei Faurecia eine weitere, neue Dimension. „Es ist das erste Mal, dass wir auch die Leitungen für die variotherme Werkzeugtemperierung, die 180 °C heißes Druckwasser transportieren, über den Drehteller anschließen“, so Wallmüller.
Um auf engstem Raum die hohen Temperaturen und die Lastwechsel zwischen Heizen und Kühlen sicher zu beherrschen, hat der Maschinenhersteller eine gezielt an diese Anforderungen angepasste Drehdurchführung entwickelt. „Der Unterschied zu herkömmlichen Drehdurchführungen liegt im Dichtsystem“, verdeutlicht Klaus Hof, Vertriebsingenieur bei Engel Deutschland, der bei der Prozessentwicklung eng mit dem Faurecia-Team zusammenarbeitete. „Wir erreichen bei den Dreikomponenten-Bauteilen eine Ausschussrate von unter 4 Prozent und haben damit unter den Black-Panel-Lieferanten die Nase vorn“, so Klos.
Automatisierung wird Teilequalität noch weiter steigern
Zwei weitere Faktoren leisten einen Beitrag zu diesem Erfolg: Das Nadelverschlusssystem und die Automatisierung. Um drei sehr unterschiedliche Schussgewichte – das kleinste liegt bei gerade einmal 1,1 Gramm – in einem Schritt zu verarbeiten, müssen nicht nur die drei Spritzeinheiten exakt auf ihre jeweilige Aufgabe zugeschnitten werden, darüber hinaus gilt dem Nadelverschlusssystem im Werkzeug ein besonderes Augenmerk. Hier fiel die Entscheidung auf Flexflow des italienischen Anbieters HRS Flow. Das Nadelverschlusssystem mit Servoantrieb ermöglicht es, den Hub, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung der einzelnen Nadeln jeweils unabhängig voneinander zu steuern. Das sehr langsame und präzise Öffnen und Schließen der Nadelverschlussdüsen trägt ebenfalls dazu bei, das Risiko von Oberflächendefekten zu reduzieren.
„Unser Ziel ist ein vollautomatisierter Prozess“, gibt Hüppe einen Ausblick auf die weitere Entwicklung des Verarbeitungsprozesses. Bereits heute entnimmt ein Knickarmroboter die Spritzgießteile aus dem Werkzeug und legt sie für die visuelle Qualitätskontrolle durch einen Mitarbeiter ab. Geplant ist, ein Kamerasystem zu integrierten und die Spritzgießzelle über AGVs (Automated Guided Vehicles) mit der Lackieranlage und der Laserverarbeitungsstation zu verbinden. „Von der Herstellung im Spritzguss bis zur Endbearbeitung der lackierten Bauteile und deren Verpackung und Auslieferung soll zukünftig niemand mehr die Teile berühren müssen“, macht Jochen Klos deutlich. „Wir werden durch die Automatisierung die Oberflächenqualität noch weiter steigern und die Ausschussrate noch weiter senken können.“
Fünf Engel duo Spritzgießmaschinen mit Schließkräften von 7.000 und 5.000 kN sind für die unterschiedlichsten Black-Panel-Bauteile für den Audi Q8, aber auch den Audi Q3 im Faurecia Werk in Peine im Einsatz. Weitere duo Maschinen sind bestellt, denn insgesamt produziert Faurecia immer mehr Innenraumteile in Mehrkomponententechnik. Dabei nimmt die Variantenvielfalt kontinuierlich zu, was zu immer häufigeren Rüstprozessen führt. Damit dies die Wirtschaftlichkeit des integrierten Herstellungsverfahrens nicht schmälert, werden alle duo Maschinen im Unternehmensstandard mit magnetischen Schnellspannsystemen ausgerüstet.
Design aus einem Guss – dahin geht der Weg
Engel ist Lieferant von Faurecia. „Entscheidend dafür sind die TCO, die Total Cost of Ownership“, betont Klos. Alle Maschinen, Anlagen und Technologien bewertet der Faurecia Einkauf anhand einer Matrix, der viele und ganz unterschiedliche Kennzahlen zugrunde liegen. Bezogen auf die Produkte und Technologien gehören hierzu unter anderem die Performance und Qualität. In Bezug auf den Anbieter sind vor allem die weltweite Präsenz, die Serviceleistungen und die Innovationskraft ausschlaggebend. „Und bloß kein Overengineering“, ergänzt Jochen Klos einen Aspekt, der ihm persönlich nach der hohen Innovationskraft am wichtigsten ist. Diese wird nicht mit Standardmaschinen erreicht, sondern durch individuelle Anlagenkonzepte. Denn zukünftig wird die Technologiekompetenz noch stärker über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden als heute.
Welche Technologien in Zukunft den Ton angeben werden, untersucht Faurecia systematisch. Am Standort Méru nördlich von Paris hat der Automobilzulieferer ein eigenes Kompetenzzentrum zum Thema „Cockpit of the future“ gegründet, das mehr als 50 Produktentwickler beschäftigt. Das autonome Fahren und die Elektromobilität verändern die Automobile grundlegend. Zu den neuen Herausforderungen für die Innenraumdesigner gehören die zunehmende Konnektivität und der Wunsch nach einem immer individuelleren, persönlicheren Ambiente. „Knöpfe und Schalter werden verschwinden. Design aus einem Guss – dahin geht der Weg“, so Jochen Klos. Für die Spritzgießprozesse bedeutet dies noch mehr Integration, zum Beispiel von elektronischer Funktionalität bis hin zu kompletten TFT-Displays. „Es wird in Zukunft weniger zu montierende Teile geben und damit weniger Übergänge, die heute noch mit Rähmchen kaschiert werden müssen. Das Design wird noch schlichter“, sagt Klos. Und das freut nicht nur die Ästhetiker. Positive Nebeneffekte sind, dass zum einen durch die Abnahme der Teilezahl die Innenraumgeräusche weniger werden, und zum anderen noch mehr Arbeitsschritte und damit noch mehr Energie und Rohmaterialien eingespart werden können.