Der Umzug einer kompletten, automatisierten Fertigung – die nach Möglichkeit nicht unterbrochen werden soll – ist eine besondere Herausforderung. Insbesondere dann, wenn für den Neubau der Hallen samt Infrastruktur sowie den Umzug aller Maschinen nur 31 Wochen zur Verfügung stehen. Andererseits bietet ein Umzug in eine neue, auf der „grünen Wiese“ errichtete Fabrik ideale Voraussetzungen, etwa um optimale Produktionsbedingungen zu schaffen.
„Ursprünglich projektierten wir im Rahmen einer geplanten Erweiterungsinvestition den Ausbau der Materialversorgung mit einem weiteren Trockenlufterzeuger sowie den dazugehörenden Trockentrichtern am Standort Wackersdorf“, erinnert sich Dieter Bethke, Gebietsvertriebsleiter der Motan-Colortronic, Friedrichsdorf. „Doch dann kam alles ganz anders – wir mussten aus der von BMW gemieteten Produktionsstätte im Innovationspark Wackersdorf ausziehen und infolgedessen die Planung komplett neu starten“, erklärt Dr. Manfred Paar, Bereichsleiter Technik für Nordeuropa und Nordamerika bei der Röchling Automotive Germany, Worms, den Hintergrund der kurzfristigen Planung.
Der Automobilzulieferer produziert am Standort unter anderem Radhausschalen und -verkleidungen, Motorraumabdeckungen, Luftführungen mit Luftklappensteuerungen, Windläufe oder Laubfanggitter. Dabei handelt es sich meist um großvolumige Teile, an die vereinzelt auch eine Weichkomponente angespritzt wird. Folglich stehen in der Fertigung überwiegend 2K-Maschinen; zum damaligen Zeitpunkt waren es 13 Spritzgießmaschinen mit Schließkräften zwischen 3.500 und 32.000 kN. Verarbeitet werden hauptsächlich verschiedene PP-Typen mit unterschiedlichen Füllstoffen – vorwiegend Talkum) – sowie PA6, neben Neuware teilweise auch Rezyklat, beziehungsweise Mahlgut. Separat zudosiert werden im Einzelfall Masterbatches. Ausgerüstet sind die Maschinen durchweg mit gravimetrischen Dosier- und Mischgeräten. Die Produktion läuft rund um die Uhr an fünf Tagen in drei Schichten.
Gut geplant ist halb gebaut
„Zu Beginn der ursprünglichen (Erweiterungs-)Planung hatten wir mit dem Team eine Ist-Analyse durchgeführt“, schildert Bethke das Vorgehen. Dabei habe insbesondere die enge Zusammenarbeit mit dem gesamten Planungsstab zum Erfolg beigetragen. Der Ist-Analyse folgte seitens des Verarbeiters eine Bedarfsinformation, die sich zunächst noch auf die geplante Anlagenerweiterung um zwei Maschinen bezog. Wie Bethke erläutert, ist eine realistische Bedarfsplanung beim Material-Handling ein entscheidendes Kriterium. Verarbeiter gehen in diesem Zusammenhang vielfach von den maximalen Durchsatzwerten der Verarbeitungsmaschinen aus, die jedoch in der täglichen Praxis, insbesondere bei der Produktion von technischen Teilen, selten erreicht werden.
Manfred Paar ergänzt diesen Hinweis dahingehend, dass es bei der Auslegung eines Systems zur Materialversorgung wichtig sei, ein ausgewogenes, realistisches Gleichgewicht zu finden zwischen dem – aus der Momentaufnahme heraus betrachteten – tatsächlichen Bedarf und einer Reserve für eine mögliche Produktionserweiterung. Mit anderen Worten: Eine Anlage kann komplett überdimensioniert sein und umgekehrt – beides ist problematisch und kann teuer werden.
„Wir haben bei der Planung versucht, künftige Erweiterungen, über die beiden bereits eingeplanten Maschinen hinaus, soweit möglich zu berücksichtigen. Das heißt, wir haben größere Trockner genommen weil wir davon ausgehen, dass wir die in Zukunft benötigen“, erklärt Paar die Überlegungen. Dabei erleichterte ihm die vom Peripheriegeräte-Hersteller angebotene Eta-Technik die Entscheidung. Durch die automatische bedarfsgeregelte Luft- und Heizungsregelung der Trockner wird damit trotz Leistungsreserve, nur so viel Energie zugeführt, wie der Prozess wirklich benötigt.
Ein wohl überlegter Schritt, wie sich zwischenzeitlich herausstellte. Mittlerweile hat Röchling die Erweiterung des Standorts Wackersdorf in Angriff genommen. Der weitere Verlauf des Projekts war von einem sehr engen Zeitplan geprägt. Parallel zum Rohbau kümmerte sich das Planungsteam unter anderem um die technische Infrastruktur. Darunter fielen beispielsweise alle Elektroinstallationen, die Medienversorgung, Kühlung und natürlich auch die Materialversorgung.
Für die neue Fabrik wurde gemeinsam mit den Architekten ein Raster samt Aufstellplan für die Maschinen entwickelt. Die Maschinen stehen in zwei Reihen entlang eines Mittelgangs, die Plastifizierseite jeweils zur Wand ausgerichtet. Darauf aufbauend wurde vom Team des Verarbeiters ein komplexes Medienversorgungssystem konzipiert. Neben der Materialversorgung gehören dazu Leitungen für die Energieversorgung, zwei Kühlsysteme für die Maschinen und Werkzeuge, Druckluft, Löschwasser sowie Datenleitungen. Leitgedanke bei der Konzeption war, trotz möglichst geringem Platzbedarf ein flexibles System zu entwickeln, um die Produktion jederzeit ohne Umbauten anpassen zu können.
Wegen der teils abrasiven glasfaserverstärkten Kunststoffe, bestehen die Materialleitungen aus Edelstahl. Abhängig vom Einbauort wurde für die Rohrbögen oberflächengehärteter Edelstahl gewählt; an besonders kritischen Stellen wurden Glasbögen verbaut. Jeder Spritzgießmaschine sind drei Materialleitungen zugeordnet. Für weitere Maschinen wurden die Leitungen bereits installiert, sie müssen lediglich angepasst werden.
Sichere Materialversorgung
Das Material kommt in Wackerdorf aus acht Außensilos, darunter ein Doppelsilo, acht Big Bag-Aufgabestationen, vier Oktabin-Stationen sowie aus mehreren weiteren Materialbehältern. Der Jahresdurchsatz beträgt 3.300 t.
Bei der Neuplanung wurde neben der Produktion eine Empore errichtet, auf deren oberer Etage drei Trockenlufterzeuger, 21 Trockentrichter sowie zwei Kupplungsbahnhöfe installiert sind. Über einen der beiden Bahnhöfe – der 30 Materialeingänge mit je vier Anschlüssen besitzt – wird das noch feuchte Material in die Trockentrichter gefördert. Der zweite Kupplungsbahnhof (32 x 4) ist codiert und dient zum Versorgen der Spritzgießmaschinen mit getrocknetem Material. Dieser Bahnhof ist zusätzlich durch eine Quelle-Ziel-Zuordnung abgesichert, um etwaige Fehlbedienungen durch eine falsche Kupplung zu verhindern. Dazu sind jedem Materialbehälter endlagenüberwachte Ventile zugeordnet. Die Ventile werden so angesteuert, dass immer nur das dem Bedarf zugeordnete Ventil öffnet und alle anderen geschlossen bleiben. Damit lässt sich auch dann ausschließen, dass eine Maschine mit dem falschen Rohstoff beschickt wird, wenn versehentlich die Kupplungen verwechselt werden.
Unter der Empore befinden sich die Aufgabestationen für Big Bags beziehungsweise Oktabins sowie Tagesbehälter. Das Ausgangsmaterial wird nach oben in die Trockner gesaugt und von dort auf die Maschinen verteilt. Der Empore angegliedert ist ein separater Kompressorenraum, in dem unter anderem neun Vakuumpumpen – davon eine im Standby-Modus für Ausfälle oder als Reserve für die Wartung – sowie acht zentrale Luftfilter installiert sind. Eine Schaltung verhindert, dass die Oktabins oder die Kleingebinde leerlaufen. Sie löst rechtzeitig vorher einen Alarm aus. So bleibt genug Zeit, um ein neues Gebinde bereitzustellen.
Zum Beschicken der Trockner und der Maschinen wurden insgesamt acht Vakuumkreise (Förderkreise) eingerichtet: Der Fertigung stehen sechs Kreise für die Maschinen zur Verfügung, die beiden anderen Kre’ise versorgen die Trockner. Hintergedanke dieser Lösung war die sich bereits abzeichnende Erweiterung. „Überdies haben wir in der Vergangenheit festgestellt, dass einige der Vakuumkreise oftmals nicht ausgelastet waren, andere hingegen überlastet. Nun können wir einzelne Maschinen auf einen aktuell „unterbeschäftigten“ Kreis schalten“, erklärt Paar.
Granulat energiesparend trocknen
Der Aspekt Energieeinsparung spielte bei der Entscheidung für die Trockner eine ausschlaggebende Rolle. Auch vor dem Hintergrund, dass in der neuen Produktion ein Energiemanagement-System etabliert wird, dessen Wirksamkeit übrigens bereits kurz nach der Inbetriebnahme festgestellt wurde.
„Wichtig war uns daher, nicht nur eine materialschonende, sondern auch eine energiesparende Trocknung zu realisieren“, erklärt Dieter Bethke. So sind die beiden neuen Trockner mit der Eta-Technologie sowie einem frequenzgeregeltem Gebläse ausgerüstet. Damit wird der Trockner lastabhängig angepasst, wobei die Energiemenge für das Trocknen des Granulats anhand der Prozessparameter gesteuert wird. Hinzu kommt die automatische Taupunkttemperatur Nivellierung (ATTN), die für einen konstanten Taupunkt sorgt. Dies stabilisiert Gesamtprozess und spart ebenfalls Energie. Installiert wurden je ein Trockenlufterzeuger Luxor A 2400 für maximalen Durchsatz von 1.400 kg/h sowie ein Luxor A 1800 (1.000 kg/h) mit einer integrierten Fördersteuerung. Komplettiert wird die Materialversorgung durch zwei dezentrale und zwei zentrale Mischstationen. Eine Herausforderung war des Steuerungskonzept, für das eine weitere CS7-Multisteuerung für die Maschinenbeschickung hinzu kam. Die bereits vorhandene CS7-Multisteuerung ist für die Trockner zuständig. Um nun diese beiden Systeme miteinander zu verknüpfen musste eigens eine Schnittstelle geschaffen werden. Die Bedienteile an den Geräten sind alle netzwerkfähig und lassen sich bei Bedarf in ein übergeordnetes System einbinden. Zudem werden die Füllstände der Silos visualisiert.
Firma im Detail
Fakten zum Umzug
Das Röchling-Werk in Wackersdorf war 2014 an den neuen Standort umgezogen und offiziell eröffnet worden. Die Gesamtinvestition für das neue Werk belief sich auf 23 Mio. EUR. Es verfügt über 3.300 m² Produktions- sowie 7.000 m² Logistik- und Lagerfläche. Nachdem die Kapazitätsgrenze schnell erreicht war, begannen die Planungen für den nächsten Ausbau. Dazu wird auf dem zusätzlich erworbenen Nachbargelände zunächst eine 1.350 m² große Lagerhalle gebaut. Im Anschluss daran ist der Ausbau des bestehenden Werks geplant – die Produktion soll inklusive Technik und Sozialräumen um 2.500 m², die Logistikhalle um 3.000 m² und der Bereich Logitik um 1.200 m² wachsen.