Antrieb, Getriebe und intelligente Steuerung sind das Herzstück einer Emblemheckbetätigung mit integrierter Heckkamera. Diese Komponenten sind gemeinsam mit der Rückfahrkamera ausfahrbar unter dem Emblem versteckt und somit sicher vor Verschmutzung und Diebstahl geschützt. Da die Komponenten im Außenbereich des Fahrzeugs eingesetzt sind, müssen sie über die gesamte Lebensdauer wasserdicht sein. Das Laserdurchstrahlschweißen sorgt dafür, dass diese Forderung erfüllt wird.
Entwicklungspartner für dieses Projekt sind der Hersteller von intelligenten Schließ-, Verriegelungs- und Sicherheitssystemen Witte Automotive mit Sitz in Velbert sowie der Entwickler und Hersteller von Laserkunststoffschweißsystemen, Evosys Laser aus Erlangen. Insbesondere die hohen Anforderungen an die Einzelbaugruppen und die verschiedenen Fügeverbindungen waren herausfordernd. Die Dichtheit des Systems nach IP6K7 muss durch die im Automobilbau üblichen Forderungen über die Lebensdauer von zehn Jahren für die möglichen Einsatztemperaturen gewährleistet werden.
Heckkamera ist Kernelement
Die Gesamtbaugruppe ist ein plattformunabhängiges Bauteil, welches in verschiedenen Modellen der automobilen Mittelklasse eingesetzt wird. Durch die geschickte Konstruktion gehört es zu den leisen Systemen am Markt und wird sukzessive in neue Fahrzeugmodelle integriert. Kernelement der Gesamteinheit ist die Heckkamera, die im Bedarfsfall ausgefahren wird, sich im ungenutzten Zustand aber sicher geschützt im Innenraum befindet. Getriebe und Steuerungselektronik müssen für die zuverlässige Funktionserfüllung dicht, dauerfest und insbesondere partikelfrei gekapselt werden. Besonders anspruchsvoll ist dabei die Dichtheit über das flexible Dichtmaterial im Bereich des Kabelabgangs sicherzustellen. Das Gehäuse der Steuerungseinheit ist an der Seite der Elektronikschweißung an einer Stelle offen, sodass der Kabelstrang von der innenliegenden Elektronik nach außen gelegt und durch ein TPE-Element abgedichtet wird. Die Dichtheit der Baugruppe wird hergestellt, in dem der Deckel auf das Gehäuse und gleichzeitig direkt auf das TPE-Material geschweißt wird. Durch das in die Laserschweißeinheit integrierte, flexible Scannersystem wird der Energieeintrag im TPE-Bereich geregelt, indem Laserleistung und Bewegungsgeschwindigkeit des Laserstrahls punktuell eingestellt werden. Der Scanner lenkt den Laserstrahl so ab, dass dieser die Schweißkontur in der Schweißebene abbildet und dadurch punktgenau in der Fügezone positioniert werden kann. Somit sind ein optimales Aufschmelzen und eine gute Schweißverbindung möglich. An der Rückseite des gleichen Gehäuses wird im Anschluss der Antrieb montiert und ebenfalls über eine Deckelschweißung dicht an das Steuergehäuse geschweißt.
Ein weiteres Element ist der sogenannte Wasserablauf, welcher abriebfrei und zuverlässig dauerfest geschweißt werden muss. Er sichert die Entwässerung der Baugruppe und garantiert, dass bei Minusgraden kein Verklemmen oder Beschädigen der Gesamtbaugruppe auftritt und diese einwandfrei funktioniert.
Ein schlanker Prozess
Aufgrund der Erfahrung mit dem Laserdurchstrahlschweißen favorisierte Witte Automotive von Beginn an diese Technologie als Fügelösung. Das Verfahren ist ein einstufiger Prozess, bei dem das Erwärmen des Kunststoffes und der Fügevorgang gleichzeitig ablaufen. Bereits vor der Energieeinbringung werden die Fügepartner in der gewünschten Endlage positioniert und der Fügedruck aufgebracht. Beim Laserdurchstrahlschweißen werden unterschiedliche optische Eigenschaften der Fügepartner gezielt ausgenutzt. Während das zu durchstrahlende Bauteil einen hohen Transmissionsgrad aufweist, muss der andere Fügepartner einen hohen Absorptionsgrad besitzen. Diese Eigenschaften beziehen sich auf die Wellenlänge der verwendeten Laserquelle. Der Fügepartner, der für das Laserlicht transparent ist, wird vom Laserstrahl ohne nennenswertes Erwärmen durchstrahlt. Erst im Fügepartner, der einen hohen Absorptionsgrad im Bereich der Wellenlänge des Laserlichtes aufweist, wird der Laserstrahl in einer dünnen, oberflächennahen Schicht vollständig absorbiert. Dadurch schmilzt der absorbierende Fügepartner in der Fügezone auf. Aufgrund von Wärmeleitungsprozessen werden die tieferen Schichten des absorbierenden Fügepartners sowie der transparente Fügepartner im Bereich der Fügezone ebenfalls plastifiziert. Der Fügedruck wird von außen durch die Fügevorrichtung aufgebracht. Er wird benötigt, um eine möglichst spaltfreie Berührung der Bauteile in der gesamten Fügefläche zu erzielen. Wie bei allen Schweißverfahren muss auch beim Laserdurchstrahlschweißen der Fügedruck in der Abkühlphase aufrechterhalten werden, um der Volumenkontraktion des Kunststoffes entgegenzuwirken. Auf diese Weise werden Fehlstellen in Form von Lunkern, die die Schweißnahtqualität verringern, vermieden.
Fügen erfolgt in der Linie
Das Laserstrahlkunststoffschweißen der beiden verschiedenen Baugruppen ist aufgrund der kurzen Taktzeit für beide Schweißungen, des geringen Platzbedarfs des Fügeverfahrens sowie der hohen Wirtschaftlichkeit interessant. Durch die Flexibilität der Systemtechnik ist es möglich, alle erforderlichen Schweißungen auf einer Schweißanlage in der Fertigungslinie durchzuführen. Auch die Möglichkeiten der Online-Prozessüberwachung, die hohe erzielbare Schweißnahtfestigkeit und die Tatsache, dass keine Zusatzwerkstoffe erforderlich sind, sprechen für den Einsatz der Lasertechnik. Weiterhin finden kein Schwingungseintrag durch Vibration und keine Fusselbildung statt.
Als Werkstoffe wurden aufgrund der mechanischen Anforderungen an die Baugruppe ein mit 30 % Glasfasern verstärktes PA6 für die gesamte Getriebeeinheit sowie ein mit 50 % Glasfasern verstärktes PA66 für das Gehäuse des Wasserablaufs ausgewählt. Für den Deckel des Wasserablaufs wurde ein unverstärktes PA6 herangezogen. Zur Absorption der Laserstrahlung kommt eine Rußpigmentierung zum Einsatz. Die beiden Deckel sind hingegen ungefärbt, um die Transmission der Laserstrahlung zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung der funktionalen und herstellungsspezifischen Randbedingungen wurde die Konstruktion der Baugruppen an das Verfahren angepasst. Daraus ergibt sich zum Beispiel eine für den Laserstrahl gut zugängliche Fügezone sowie die während des Schweißprozesses abzuschmelzende Materialzugabe auf dem Schweißsteg. Durch diese können zum einen während des Schweißprozesses Fertigungstoleranzen der Spritzgießteile ausgeglichen und zum anderen eine Fügewegüberwachung implementiert werden. Ein gleichzeitiges Aufschmelzen der umlaufenden Kante, kombiniert mit dem Anpressdruck der Spannvorrichtung, ermöglicht das Messen des Fügewegs des oberen Bauteils zum unteren Bauteil oder die Zeit, in der ein vorgegebener Fügeweg erreicht wird. Das Ergebnis wird zur Qualitätsüberwachung ausgewertet.
Stark in Serie
Für die Fertigung des Bauteils wurde schließlich in Zusammenarbeit zwischen Baugruppen- und Schweißanlagenhersteller ein geeignetes System ausgewählt. Aufgrund der Fertigungslogistik, die über ein Gurtbandtransfersystem die einzelnen Herstellungsprozesse vorsieht, wird eine scannerbasierte Laserstrahl-Kunststoffschweißanlage EVO 3800 eingesetzt. Mit dieser Anlage können die erforderlichen Komponenten in einem Gehäuse untergebracht werden. Die Anlage ist für die Integration in lineare Werkstückträger-Transfersysteme vorbereitet. Die Werkstückaufnahme fährt automatisch in die Anlage und wird in der Schweißposition gestoppt. Nach dem Fügen verlässt sie die Anlage zum nächsten Fertigungsschritt.
Das im Zentrum des Schweißsystems angeordnete Prozessmodul beinhaltet die Strahlführung und -formung. Weiterhin eine präzise Spanntechnik mit Vorpositionierung während des Aushebens des Werkstückträgers sowie alle weiteren erforderlichen Komponenten, die für einen zuverlässigen Schweißprozess benötigt werden. Die Laserklasse 1 wird durch ein Sicherheitssystem der höchsten Stufe der Schutzumhausung gewährleistet. Für den Laserschutz im Bereich der Werkstückträgerzuführung werden Doppelschotts eingesetzt. Im rückwärtigen Gehäuseteil sind die Steuerung und die Peripheriegeräte des Lasers untergebracht. Durch die Doppelschottlösung können während der Bearbeitung einer Baugruppe taktzeitneutral fertige und unfertige Werkstückträger zu- und abgeführt werden.
Die innovative und schnelle Soft-SPS-Steuerung sowie ein modernes HMI (Human-Machine-Interface) ermöglichen eine einfache und schnelle Bedienung der Anlage. Während der automatischen Produktion erlauben kundenspezifische Schnittstellen das Einbinden der Anlage in eine zentrale Steuerungslösung. Durch die von Evosys Laser entwickelten Software Evolap lassen sich Schweißkontur, Vorschubgeschwindigkeiten und Laserleistung schnell programmieren.
In der Serienproduktion hat sich der Schweißprozess als robust erwiesen. Er sichert eine hohe Ausbringung auch bei den gegebenen Schwankungen des Werkstoffs und der Bauteilgeometrie. Die Anlage besitzt durch den Einsatz von zuverlässigen mechanischen und elektrischen Komponenten sowie durch einen nahezu wartungsfreien Diodenlaser eine hohe Verfügbarkeit.