Hände, die einen W-LAN-Router halten.

Der Einsatz von Kunststoffcompounds findet sich in vielen Smart Home-Anwendungen wie W-LAN-Router. (Bild: Teerasan - stock.adobe.com)

Kunststoffe sind bekannt als sehr gute thermische Isolatoren. Besonders in der Bauwirtschaft kommen Kunststoffe gerade wegen dieser Eigenschaft immer häufiger zum Einsatz, beispielsweise als Fensterrahmen mit besonders guten Isolationswerten oder auch in Fassadendämmplatten. Zugute kommt den polymeren Materialien dabei ihre intrinsisch niedrige Wärmeleitfähigkeit, die durch geschickte Konstruktion oder Werkstoffbehandlung wie beispielsweise Schäumen in der Anwendung noch weiter optimiert wird.

Seit einigen Jahren finden sich aber auch Kunststoffcompounds am Markt, die eine deutlich erhöhte thermische Leitfähigkeit aufweisen. Diese Entwicklungen zielen darauf ab, die thermische Isolationswirkung möglichst effektiv umzukehren und so den Einsatz in bisher metalldominierten Anwendungen zu finden. Als Beispiel seien hier Kühlkörper in Elektronikanwendungen oder auch Wärmetauscher zu nennen. Dazu ist es notwendig, die intrinsischen Polymereigenschaften durch Füllstoffe so zu modifizieren, dass eine thermoplastisch verarbeitbare Formmasse mit möglichst hoher Leitfähigkeit entsteht. Als geeignet haben sich verschiedene Füllstoffgruppen erwiesen. Zum einen sind kohlenstoff-basierte Systeme zu nennen, die sich die hohe thermische (und elektrische) Leitfähigkeit von Graphit zunutze machen. Zum anderen kommen auch keramische und mineralische Füllstoffe zum Einsatz, die zwar die thermische Leitfähigkeit erhöhen, dabei aber die elektrischen Isolationseigenschaften der Polymere erhalten.

Bilder der simulierten Temperaturen auf den Kühlkörpern; links aus Kunststoff, rechts aus Aluminium, jeweils eine Ansicht von oben und von unten.
Bilder der simulierten Temperaturen auf den Kühlkörpern; links aus Kunststoff, rechts aus Aluminium, jeweils eine Ansicht von oben und von
unten. (Bild: Mocom)

Welche Kunststoffe geeignet sind

Als thermoplastisches Matrixmaterial wird in der Regel auf teilkristalline Polymere wie PA6 oder PA66, PP, PBT oder auch PPS (für Hochtemperaturanforderungen) zurückgegriffen. Diese bieten auch bei hohen Füllstoffgehalten eine ausreichende Fließfähigkeit und sind bei erhöhten Temperaturen stabil. Daneben ist jedoch auch das amorphe PC als Basis zu nennen, das neben der geringen isotropen Schwindung auch eine gute Dimensionsstabilität bei erhöhten Temperaturen besitzt. Jedoch ist hier das Prozessfenster in der Spritzgussverarbeitung eingeschränkt, besonders bei Compounds mit hoher Wärmeleitfähigkeit.

Warum die Vorteile thermisch leitfähiger Compounds auf der Hand liegen

Gegenüber den klassischen metallischen Werkstoffen verfügen Kunststoffcompounds über eine geringere Dichte, sodass mit Gewichtseinsparungen zu rechnen ist. Ebenso ermöglicht das einfache Formgeben im Spritzgießprozess eine hohe Funktionsintegration und komplexe Bauteilgeometrien, die noch besser den De­signvorgaben angepasst werden können und zudem meist ohne Nachbehandlung korrosionsbeständig sind. Jedoch gibt es auch  augenscheinliche Nachteile, wie der meist deutlich unterlegenen Wärmeleitfähigkeit im Vergleich mit gängigen Metallen und Legierungen. Während Kühlkörper aus Aluminiumlegierungen meistens mit Werten von λ>150 W/mK glänzen, kommen die meisten Kunststoffcompounds „nur“ auf Maximalwerte im Bereich von λ≈1 bis 15 W/mK. Im Vergleich zu den reinen Polymeren (λ<0,5 W/mK) ist dies zwar ein großer Sprung, jedoch stellt die breite Lücke zu den etablierten metallischen Werkstoffen nach wie vor eine Hürde zum Einsatz in Serienanwendungen dar. Daher verwundert es wenig, dass der Markt für thermisch leitfähige Kunststoffe sich noch sehr schleppend entwickelt. In einigen wenigen Anwendungen sind die Spezialcompounds bereits seit längerer Zeit im Serieneinsatz, so zum Beispiel als LED-Kühlkörper für Lampen im Consumer-Bereich oder auch in Bipolarplatten von Brennstoffzellen.

 

Diese Hürden sind zu überwinden

Demgegenüber stehen unzählige potenzielle Anwendungen im Elektronik-, aber auch im Automobilsektor, die derzeit mit metallischen Werkstoffen bedient werden. Dies ist auch der Grund für mehrere Einstiegs-hürden, die den Einsatz von thermisch leitfähigen Kunststoffen erschweren:

  • Die Kunststoffcompounds sind kein Eins-zu-Eins-Ersatz für Metalle. Die Geometrie muss auf die spezifischen Anforderungen von Kunststoffen angepasst werden, da Rippenstrukturen und Wandstärken unterschiedlich ausgeführt werden müssen.
  • Es gibt meist keine bestehenden Kunststoffspritzgießwerkzeuge, in denen ein „Proof-of-Concept“ pragmatisch durchgeführt werden kann. Es braucht kostspielige Prototypenwerkzeuge, da auch der 3D-Druck keinen gangbaren Lösungsweg bietet: 3D-gedruckte Bauteile sind ihren spritzgegossenen Äquivalenten thermisch deutlich unterlegen aufgrund der Morphologie und Schichtgrenzen.
  • Alternativ können thermische Simulationen durchgeführt werden, um die Eignung von thermisch leitfähigen Compounds zu prüfen. Dies erfordert umfangreiches Know-How sowie Erfahrung im Umgang mit den Materialdaten, das nicht bei allen Anwendern vorhanden ist.
  • Metallische Werkstoffe werden seit langem erfolgreich eingesetzt und bieten einen großen Puffer bei der thermischen Leitfähigkeit. Die Umstellung auf einen thermoplastischen Ersatz erfordert umfangreiche Materialevaluierungen, um den neuen Werkstoff kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln.
Bild 2: In dem linken Fach des Demonstrators (Bild links) sind LED auf einem Kühlkörper aus Standardkunststoff mit λ=0,3 W/mK montiert, im rechten auf Alcom TC mit λ=2 W/mK. Bei Betrieb von zwei LED (Bild rechts) zeigen sich Temperaturunterschiede von bis zu 30 °C, was das Potenzial für effiziente Wärmeableitung durch thermisch leitfähige Compounds illustriert.
Bild 2: In dem linken Fach des Demonstrators (Bild links) sind LED auf einem Kühlkörper aus Standardkunststoff mit λ=0,3 W/mK montiert, im rechten auf Alcom TC mit λ=2 W/mK. Bei Betrieb von zwei LED (Bild rechts) zeigen sich Temperaturunterschiede von bis zu 30 °C, was das Potenzial für effiziente Wärmeableitung durch thermisch leitfähige Compounds illustriert. (Bild: Mocom)

Werden diese Hürden überwunden, so ergeben sich große Potenziale zum Verbessern der Effizienz von Bauteil, Prozess und Anwendung, was aber eine ausreichende Wärmeleitfähigkeit voraussetzt.

Wie bereits beschrieben, bieten metallische Werkstoffe eine deutlich höhere Wärmeleitfähigkeit, als tatsächlich für viele Anwendungen benötigt wird. Dies ist besonders zu beobachten, wenn keine erzwungene Konvektion beispielsweise durch einen Lüfter oder Fahrtwind vorliegt. Bei natürlicher Konvektion oder lami-naren Strömungen am Kühlkörper mit sehr geringer Strömungsgeschwindigkeit der Luft ist der Wärmeübergangskoeffizient vom Festkörper zur Luft ein bestimmender Faktor; die Wärme kann vom Kühlkörper nur relativ langsam an die Umgebung abgegeben werden. Unter diesen Bedingungen wird festgestellt, dass eine Wärmequelle wie zum Beispiel eine LED schon bei geringen Wärmeleitfähigkeiten ab λ≈2 W/mK nicht mehr signifikant besser gekühlt wird, wenn die Wärmeleitfähigkeit des Kühlkörpers erhöht wird.

Noch verstärkt wird dieser Effekt, wenn Wärmequelle und Kühlkörper in einem Gehäuse verbaut sind, das nur einen begrenzten oder sogar gar keinen Luftaustausch zulässt. Hier stellt sich schon nach kurzer Zeit ein Temperaturgleichgewicht ein, das für Metall und Kunststoff vergleichbar ist. Die in Bild 1 dargestellten Kühlkörper sind in der Praxis in einem Gehäuse verbaut und kühlen eine Hochleistungs-LED. Es ist erkennbar, dass die Temperatur der LED auf dem Kunststoffkühlkörper nur um circa 6 °C höher ist als bei der Aluminiumvariante, obwohl die Wärmeleitfähigkeit des Kunststoffcompounds nur 1,2 W/mK beträgt. Das absolute Temperaturniveau von 46 °C ist dabei unkritisch. Die Simulationsergebnisse konnten durch Praxisversuche validiert werden.

Warum Kunststoffkühlkörper nachhaltiger sind

Auch vor dem Hintergrund der energetischen Nachhaltigkeit sind thermisch leitfähige Kunststoffe vorteilhaft. Insbesondere beim Herstellen und Verarbeiten von Aluminium sind große Mengen an Energie zum Aufschmelzen und Kühlen notwendig. Kühlkörper aus Kunststoff dagegen werden im Spritzgießen mit den üblichen Temperaturen hergestellt und sind dazu noch ohne Nachbearbeitung einsatzfähig. Werden diese darüber hinaus im Automobilsektor eingesetzt, ergibt sich auch über die Lebensdauer ein Vorteil durch die Dichte- und damit Gewichtsreduktion, der zur Einsparung von Treibstoff oder elektrischer Energie bei E-Fahrzeugen führt.

Es gibt aber neben dem Ersatz von klassischen Metallkühlkörpern auch neue Felder, die mit thermisch leitfähigen Spezialcompounds erschlossen werden können. Im Allgemeinen werden diese nicht selten mit 60 Gew.-% und mehr gefüllten Kunststoffen auf höchste thermische Leitfähigkeit hin entwickelt. Dies resultiert einerseits in besonderen thermischen Eigenschaften, jedoch auch in niedriger Zähigkeit und sprödem Bauteilverhalten. Für einfache Kühlkörperanwendungen, die keinen besonderen mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind, ist diese Eigenschaft meist unproblematisch. Ist jedoch ein zäheres Bauteilverhalten gewünscht,  muss ein Kompromiss zwischen thermischen und mechanischen Eigenschaften gefunden werden.

Wo die Compounds eingesetzt werden können

Ein Einsatzort ist der Bereich der sogenannten Smart Home-Anwendungen. Geräte wie WLAN Router, Repeater, und Funkzentralen sind 24/7 im Einsatz, um Lampen, Kameras, Lautsprecher und Rollläden zu steuern. Dabei entsteht eine oft nicht unerhebliche Abwärme, die aktuell noch über Lüftungsschlitze aus dem Gerät abgeführt werden muss. Gleichzeitig ist aber bekannt, dass die Hauptausfallursachen für diese Art von Geräten neben der Temperatur auch Staub und Verschmutzung sowie Spritzwasser sind [1]. Letztere können durch die notwendigen Lüftungsöffnungen im Gehäuse ungehindert eindringen und so zum vorzeitigen Ausfall führen.

Eine Simulationsstudie von Mocom, Hamburg, hat ergeben, dass der Einsatz von moderat thermisch leitfähigen Kunststoffen bereits ausreichen kann, um Lüftungsschlitze überflüssig zu machen. Im Beispiel wurde das Gehäuse des Alcom TC Demonstrators (Bild 2), in dem ein Kühlkörper aus thermisch leitfähigem Alcom TC mit zwei LEDs (je 2 W Leistung) bestückt ist, verschlossen. Das Gehäusematerial hat im Bespiel eine thermische Leitfähigkeit von λ=1 W/mK.

Die CFD-Simulation zeigt, dass die Wärmeabgabe über das geschlossene, leitfähige Gehäuse zu einer ebenso geringen Temperatur führt wie ein geöffnetes Standardgehäuse. Im Resultat ergeben sich die gleichen LED-Temperaturen für offenes und geschlossenes, aber leitfähiges Gehäuse, sodass die temperatursensiblen elektronischen Bauteile auch weiterhin im sicheren Bereich arbeiten können. Dies ist möglich, da die Wärme über das gesamte Gehäuse gleichmäßiger verteilt und dadurch die Oberfläche zum Wärmeaustausch mit der Luft signifikant vergrößert wird. Da die Wärmeleitfähigkeit gegenüber dem reinen Grundpolymer nur um rund Faktor 3 erhöht werden musste, ist auch der Abfall der Zähigkeit im Compound moderat. Auch sind Konzepte denkbar, die auf eine hybride Gehäusegestaltung mit thermisch leitfähigen Elementen setzen.

Es besteht also Grund zum Optimismus für den zukünftigen Einsatz von thermisch leitfähigen Kunststoffcompounds, dennoch muss weiter Überzeugungsarbeit bei Designern und Konstrukteuren geleistet werden. Der Wechsel von Metall- auf Kunststoffkühlkörper gelingt am besten mit der Unterstützung von bestehenden Anwendungen, funktionalen Demonstratoren und Simulationsmethoden.

Literatur

[1] Tränkler, H.-R./Reindl, L. M. (Hrsg.): Sensortechnik: Handbuch für Praxis und Wissenschaft, Heidelberg, 2018.

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