Die internationale Autobranche arbeitet intensiv an umweltschonenden Elektro- und Hybridfahrzeugen. Entscheidend für deren Akzeptanz und große Verbreitung sind leistungsfähige Batteriesysteme für den Elektromotor. Die Entwicklungsarbeit konzentriert sich derzeit vor allem auf Lithium-Ionen-Batterien. Herausforderung ist dabei, einerseits eine wirtschaftliche Großserienfertigung der Batteriemodule zu ermöglichen, zugleich aber auch für hohe Speicherkapazitäten zu sorgen. Diese ist notwendig, damit die Fahrzeuge große Reichweiten pro Ladezyklus erreichen.
Voraussetzung für hohe Speicherkapazitäten ist unter anderem eine enge und präzise Packung möglichst vieler Zellen zu Modulen, was komplexe Geometrien der Module zur Folge hat. Der kompakte Aufbau der Batterien und die hohen Spannungen erfordern zudem den Einsatz brandwidriger Werkstoffe, damit sich beim thermischen Versagen einer Zelle der Brand nicht auf die ganze Batterie und das Fahrzeug ausbreitet. Enorm sind auch die hohen Belastungen beim Transport und im Fahrbetrieb der Batterien wie zum Beispiel starke Schwingungen und Vibrationen, die ihre Ursache im hohen Gewicht der Batteriezellen innerhalb der Module haben.
Wirtschaftliche Massenfertigung von Batterien mit Thermoplasten
Thermoplaste bieten sich besonders zur Fertigung von Batteriemodulen an. Sie sind im Spritzgießverfahren in großen Stückzahlen kostengünstig zu hochintegrierten, nacharbeitsfreien und montagefertigen Bauteilen verarbeitbar. Außerdem eröffnen sie fast unbegrenzte Formgebungsfreiheiten, so dass auch komplexe und filigrane Bauteilgeometrien abgebildet werden können. Nicht zu vergessen ihre, verglichen mit Metallen, deutlich niedrigere Dichte.
Zahlreiche Projekte und vor allem viele erfolgreiche Bauteilentwicklungen haben gezeigt, dass sich Polycarbonat (PC) und seine Blends mit ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) gut für Anwendungen in Batterien eignen. Eigenschaften, mit denen sich diese amorphen Thermoplaste dabei besonders bewähren, sind ihre hohe Dimensionsstabilität, Kälteschlagzähigkeit und – bei Ausrüstung mit Flammschutzpaketen – hohe Brandwidrigkeit. Zum Beispiel erfüllen flammgeschützte Materialvarianten bei Prüfkörperdicken bis 0,75 mm den Flammschutztest UL 94 des US-amerikanischen Prüfinstituts Underwriter Laboratories Inc. mit der besten Einstufung V-0.
Bewährt in Serienanwendungen
Covestro sieht deshalb für PC- und (PC+ABS)-Werkstoffe sehr gute Einsatzchancen bei Bauteilen für Lithium-Ionen-Batteriemodule, zum Beispiel Zellhalter, Endplatten, Modulwände, Abdeckungen, Spacer, Rahmen für Pouch-Zellen, Crash-Absorber oder Kabelklammern. Das Unternehmen verfügt dafür über ein breites Sortiment an maßgeschneiderten PC- und (PC+ABS)-Blend-Compounds und bringt eine große anwendungstechnische Expertise mit. Diese basiert auf der langjährigen Erfahrung mit der Elektro-, Elektronik-, IT- und Konsumgüterbranche, in der ähnliche Compounds in vergleichbaren Anwendungen zum Einsatz kommen. So werden aus Werkstoffen von Covestro beispielsweise Gehäuse und Verkapselungen von Lithium-Ionen-Batterien für Laptops, Tablets und andere elektronische Geräte gefertigt.
Verschiedene flammgeschützte (PC+ABS)-Blends des Bayblend Sortiments für Lithium-Ionenakkus von Fahrzeugen bewähren sich bereits in mobilen und stationären Batteriemodulen für Pkw, Kleintransporter, Fahrräder, Kabinenroller und häusliche Stromspeicher. In den entsprechenden Anwendungen machen sich besonders die hohe Langzeitstabilität, Dimensionsstabilität und Tieftemperaturzähigkeit der Werkstoffe sowie die großen Designfreiheiten, die sie bieten, bezahlt. Zum Sortiment gehören außerdem mineralisch gefüllte PC-Typen aus der Produktfamilie Makrolon TC (thermally conductive). Sie weisen eine erhöhte Wärmeleitfähigkeit auf und verhalten sich dabei elektrisch isolierend. Daher sind sie prädestiniert für den Einsatz im Thermomanagement von Batterien – so etwa für die Herstellung von Kühlkörpern und Batteriemodulen mit integrierten Wärmeleitrohren (Heat Pipes)
Werkzeuge sicher füllen, Eigenspannungen vermeiden
Das Unternehmen unterstützt Projektpartner bei der Entwicklung von Bauteilen für Lithium-Ionen-Batterien überall auf der Welt bis hin zum Serienstart. Rückgrat der Serviceleistungen sind die Zentren für Produkt- und Anwendungsentwicklung, die in allen bedeutenden Wirtschaftsregionen betrieben werden. Die Technika der Zentren sind mit modernen Fertigungsanlagen ausgestattet, darunter Spritzgießmaschinen mit bis zu 2.300 t Schließkraft. Diese werden unter anderem genutzt, um den Spritzgießprozess des Entwicklungspartners mit Blick auf die Massenproduktion zu optimieren. Weitere Kernkompetenzen liegen in der mechanischen und rheologischen sowie häufig auch die thermische Simulation. Zur Validierung der Simulationen wurde auch in Spritzgießwerkzeuge investiert.
Der Service beginnt mit anwendungsspezifischen Material-, Konstruktions- und Fertigungsempfehlungen. Zum Beispiel werden Vorschläge für eine kunststoffgerechte Optimierung der vom Partner vorgegebenen Bauteilgeometrie unterbreitet. Bewertet wird weiterhin das Werkzeugkonzept des Kunststoffverarbeiters mit Blick auf den ausgewählten Materialtyp. Geprüft wird beispielsweise, ob das Kühlkonzept stimmig und Heißkanäle in ausreichender Zahl richtig positioniert sind. Weiterhin simuliert der Kunststoffanbieter für seine Projektpartner das Fließ- und Abkühlverhalten der Kunststoffschmelze bei der Werkzeugfüllung und gibt Hinweise für eine bessere Werkzeugauslegung und Konstruktion. Beispielsweise werden verstärkende Rippenstrukturen so ausgelegt, dass sie möglichst dünnwandig, einfach spritzzugießen und leicht zu entformen sind.
Gerade bei Zellhaltern sind diese Berechnungen komplex, weil die Wanddickensprünge zwischen den massiven Rahmen und dünnen Stegen groß sind. Vorrangiges Ziel ist daher, die Anspritzpunkte und die Struktur so festzulegen, dass die Werkzeuge prozesssicher gefüllt werden. Außerdem gilt es, Druckspitzen und damit einhergehende Eigenspannungen im Bauteil zu vermeiden. Dies ist speziell bei wärmeleitenden Compounds für Bauteile im Wärmemanagement der Batterie anspruchsvoll. Denn die Fließfähigkeit ihrer Schmelze ist wegen des hohen Gehalts an mineralischen Füllstoffen geringer, weshalb die Compounds bei höheren Spritzdrücken verarbeitet werden müssen. Auf Basis des berechneten Abkühlverhaltens der Kunststoffschmelze simuliert Covestro auch den Verzug und die Schwindung von Bauteilen. Geprüft wird dabei beispielsweise, welchen Einfluss die Wanddickenverteilung und Glasfaserorientierung auf die Maßhaltigkeit ausüben. Außerdem wird zum Beispiel bei Zellhaltern untersucht, ob die Bindenähte bei extremer mechanischer Last halten und an den richtigen Positionen liegen.
Simulation von Vibration, Schock, Impact und Crush
Die mechanischen Simulationen richten sich derzeit hauptsächlich nach der Norm UN38.3 und deren Vorschriften und Tests für den Transport von Lithium-Ionen-Batteriemodulen. Die Norm behandelt die Batterien als Gefahrgut (brennbare Flüssigkeit) und sieht Tests vor, die die Gefahr eines Brandes oder einer Explosion prüfen. Künftig werden die Normen ISO12405 und ECE R100 an Bedeutung gewinnen. In ihr sind Vorschriften zur Prüfung von Systemen in batteriebetriebenen Fahrzeugen für den Personen- und Güterverkehr festgelegt.
Beide Normen beschreiben Prüfungen von Lithium-Ionen-Batteriemodulen für unterschiedliche mechanische Grenzbelastungen wie Vibration, Schock, Impact oder Crush. Alle diese Prüfungen werden von Covestro in der Entwicklungsphase simuliert. Sie stellen Transport- oder Unfallszenarien nach und sollen sicherstellen, dass ein Batteriemodul unter der Belastung keinen mechanischen Schaden erleidet und versagt. Zum Beispiel wird das Verhalten von Zellhaltern und zugehörigen Baugruppen in besonderen Fahrsituationen und den dort auftretenden Vibrations- und Schwingungsbelastungen simulativ betrachtet. Dabei wird beurteilt, ob die dünnen Zellwände und die Verbindungstechnik für die Zellen, wie etwa Verschraubungspunkte, den extremen Beschleunigungen gewachsen sind. So wird das Bauteil bei der Schockprüfung mit zuvor definierten Beschleunigungsanregungen belastet. Um die Simulationsergebnisse und die Performance der Batteriemodule final zu validieren, werden die realen Bauteile den jeweiligen Belastungen ausgesetzt. Ein Funktionstest gibt danach Aufschluss darüber, ob das Bauteil die Prüfung besteht.
Transfer von Know-how aus zwei „Welten“
Die Batterien der Elektrofahrzeuge werden per Kabel über das lokale Stromnetz bei Spannungen von künftig bis zu 800 V aufgeladen. Sie müssen deshalb auch den hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Elektroindustrie gerecht werden. Covestro verfügt durch sein langjähriges Geschäft mit dieser Branche über Material-, Verfahrens- und Technologiewissen, das nun zusammen mit der Automobil-Expertise des Unternehmens im gesamten Powertrain von Elektrofahrzeugen zur Anwendung kommt. Dieses Know-how aus zwei „Welten“ soll auch auf stationäre Batteriesysteme übertragen werden. Diese spielen etwa bei der Nutzung und Speicherung von erneuerbaren Energien eine immer größere Rolle – sei es im privaten, gewerblichen oder industriellen Umfeld.