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Die EU Kommision stimmte für die Einstfung von Titandioxid als möglicher krebserregend. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen. (Bild: Yvonne Bogdanski – stock. adobe.com)

Die Kommission hat für die Einstufung als „möglicherweise krebserregend“ gestimmt, obwohl sich die Mehrheit der Experten der Mitgliedsstaaten auf der Sitzung am 18.09.2019 dagegen ausgesprochen hatten.

Einstufung von Titandioxid als potenziell krebserregend

Titandioxid wird in der  Kunststoffverarbeitung insbesondere als Farbpigment eingesetzt. Verbraucher von Kunststoffprodukten kommen mit Titandioxid in Pulverform nicht in Kontakt, da das Farbpigment in eine feste Kunststoffmatrix eingebunden ist. „Titandioxid wird seit Jahrzehnten in der Industrie sicher verarbeitet. Wenn Produkte, die ungefährlich sind, als gefährlich gekennzeichnet werden, wird der Verbraucher die Kennzeichnung über kurz oder lang nicht mehr ernstnehmen“, so Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV).

Mit der Einstufung von Titandioxid wird damit erstmals ein Stoff auf Basis von stoffunspezifischen, allgemeinen Partikeleffekten eingestuft. Dies ist nicht im Sinne der CLP-Verordnung. „Die Brüsseler Behörden hätten gut daran getan, sich dem Vorschlag von Deutschland anzuschließen, Titandioxid über den allgemeinen Staubgrenzwert im Rahmen des Arbeitsschutzes zu behandeln. Deutschland hatte bereits vor über einem Jahr die Einrichtung einer Expertengruppe vorgeschlagen, die einen harmonisierten, europäischen Grenzwert für derartige Stäube erarbeiten sollte. Diese Chance ist nun vertan, stattdessen wurde ein Präzedenzfall geschaffen: Die zur Begründung der Einstufung herangezogenen Argumente lassen sich auch auf andere Stoffe mit ähnlicher Staubproblematik übertragen, was weitere Einstufungen einzelner Stoffe aufgrund von stoffunabhängigen Effekten zur Folge haben könnte“, begründet der VdMi die Kritik.

Politik widerspricht dem Rat der Experten

Mit ihrem Alleingang setzt sich die Europäische Kommission sowohl über die Mehrheit der wissenschaftlichen Fachmeinungen als auch über das Votum der Mehrheit der Experten der Mitgliedsstaaten, die die Einstufung noch am 18. September 2019 abgelehnt hatten, hinweg.

Während bisher die Zustimmung der Experten nötig war, kann die Kommission durch eine Verfahrensumstellung auf einen sogenannten Delegierten Rechtsakt im Juli dieses Jahres nun auch im Alleingang eine solche Entscheidung treffen. Bereits im Vorfeld zur Sitzung im September kündigte die Kommission an, unabhängig von den Einwänden der Experten im Verfahren fortschreiten zu wollen. „Dies ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Die Einstufung ist weder aus toxikologischer Sicht begründet, noch wird sie einen positiven Effekt im Gesundheits- oder Umweltschutz haben“, sagt Dr. Heike Liewald, Geschäftsführerin des Verbands der Mineralfarbenindustrie (VdMi).

Ein gebundenes Pigment kann nicht eingeatmet werden

Pulverförmige Produkte mit Titandioxid müssen jetzt eingestuft und gekennzeichnet werden. Ergänzend sind Zusatzkennzeichnungen für flüssige und feste Gemische mit Titandioxid vorgesehen, unabhängig davon, ob überhaupt eine Freisetzung von Titandioxid am Arbeitsplatz oder beim Verbraucher zu erwarten ist.

„Verbraucher kommen nicht mit Titandioxid-Staub in Kontakt, in nahezu allen Fällen ist Titandioxid in Lacken, Farben oder Kunststoffen in eine Matrix aus Bindemittel gebunden“, sagt Dr. Heike Liewald und schließt sich damit dem Gutachten des europäischen Gremiums zur Risikobewertung (RAC) an. „Eine Gefahrenkennzeichnung an Produkten, die nicht gefährlich sind, führt einerseits zu einer übermäßigen Verunsicherung der Verbraucher und birgt andererseits die Gefahr, dass die Verwender abstumpfen und solche Hinweise nicht mehr ernst nehmen.“

Auswirkungen wird die Einstufung in vielen Bereichen und Anwendungen haben, auch dort wo Titandioxid gar nicht eingeatmet werden kann.

Wirtschaftliche Folgen – auch für die Recycylingwirtschaft – nicht absehbar

Eine von der Wirtschaft geforderte Folgenabschätzung hat die Europäische Kommission ihrerseits abgelehnt. Zahlreiche Unternehmen und Verbände betroffener Wirtschaftskreise hatten die Brüsseler Einstufungspläne für Titandioxid im Vorfeld kritisiert und einen europaweit gültigen Arbeitsplatzgrenzwert für Stäube, der in Deutschland bereits gilt, als geeignetere Maßnahme vorgeschlagen.

Mit Titandioxid wird erstmals ein Stoff nicht aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften sondern aufgrund des stoffunspezifischen Staubpartikeleffekts eingestuft. Schwerwiegende Folgen könnte die Einstufung für den Recycling- und Abfallbereich haben: Produkte, die mehr als ein Prozent Titandioxid enthalten, müssten künftig als gefährlicher Abfall behandelt werden.

Eine aktuelle Studie der Kunststoffindustrie, der Pigmenthersteller und der Recycler zeigt, dass in Deutschland etwa 400.000 t Kunststoffe wegen der Einstufung in Zukunft absehbar nicht mehr recycelt werden könnten. „Die Einstufung von Titandioxid bringt nicht nur keinen Nutzen für Verbraucher und Arbeitnehmer, sie droht sogar der Ressourceneffizienz und der Kreislaufwirtschaft erheblich zu schaden“, so Möllenstädt weiter.

 

Gut zu wissen

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(v.l.n.r.) Die Verbände der Kunststoffindustrie, vertreten durch Dr. Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, Dr. Heike Liewald, Geschäftsführerin des VdMI, Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer GKV, sprechen sich klar gegen eine Einstufung von Titandioxid aus und schildern die teils dramatischen Folgen für die Kunststoff-Industrie. (Bildquelle: Redaktion PV, Dr. Etwina Gandert, Ralf Mayer)

Auslöser für die Diskussion zur Einstufung von Titandioxid sind Studien an Ratten, die so hohen Konzentrationen an Titandioxid-Staub ausgesetzt waren, dass dies zu sogenannten Lungenüberladungen durch das Einatmen von Staubpartikeln führte. Solche Studien können nach Ansicht von Experten nicht auf den Menschen übertragen werden. Epidemiologische Studien über mehrere Jahrzehnte geben keinen Hinweis auf negative Auswirkungen in der Anwendungspraxis.

Titandioxid ist das am häufigsten verwendete Weißpigment und wird seit Jahrzehnten sicher verwendet. Aufgrund seiner einzigartigen technischen Eigenschaften wird es breit und vielfältig in nahezu allen Bereichen und Anwendungen eingesetzt, am häufigsten in Farben, Lacken, Kunststoffen und in Papier. Darüber hinaus wird es zur Farbgebung in Kosmetik, Lebensmitteln, Pharmazeutika, Bauprodukten oder Email und Keramik genutzt. Titandioxid ist in vielen dieser Anwendungen nicht 1:1 zu ersetzen.

Der Plastverarbeiter hatte zu diesem Thema bereits im März 2018 ein Expertengespräch dazu geführt.

[ega]

 

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