NFCs auf Basis von Vliesstoffstrukturen wurden bereits in der Automobilindustrie eingesetzt, sind aber aufgrund ihrer begrenzten Leistungsfähigkeit nicht für den Leichtbau geeignet. Hochleistungs-NFCs auf Basis von unidirektionalen oder gewebten Strukturen bieten dagegen eine überlegene Leichtbauleistung, sind jedoch hinsichtlich der Kosten sowie der Skalierbarkeit für die Massenproduktion im Nachteil.
Naturfaserverstärkte Prepregs
Doch eine Technik zur einstufigen, breiten und kontinuierlichen Herstellung von naturfaserverstärkten thermoplastischen unidirektionalen- oder gewebten Prepregs ermöglicht nun einen Paradigmenwechsel. Das Material zeichnet sich durch noch bessere mechanische Eigenschaften zu den sonst am meisten geforderten Merkmalen aus: Recyclingfähigkeit, Einfärbbarkeit, geringer Geruch sowie Kompatibilität zu konventionellen Verfahren. Das türkische Unternehmen BPREG bietet die Produktreihe Ecorein an, welche thermoplastisch basierte (PP, PLA) Prepregs beinhaltet. Diese sind mit ausgerichteten Naturfasern (Flachs, Hanf) verstärkt, um die höchsten mechanischen Eigenschaften zu erzielen. Das Portfolio umfasst Typen, die einen Zugmodul im Bereich von 9 bis 13 GPa (ISO 527-4&5) und einen Biegemodul von 6 bis 9 GPa (ISO 14125) aufweisen. Es bietet Designflexibilität sowohl in Bezug auf den Fasergehalt (30 bis 70 %), das Prepreg-Gewicht (250 bis 500 g/m²) als auch die Breite von schmalen Tapes bis hin zu Organobleche bis 1,5 m.
Es handelt sich dabei um ein umformfähiges Halbzeug, das durch bestehende Thermoformverfahren in der Automobilindustrie wie zum Beispiel Formpressen, Vakuumkonsolidierung, Hybrid-Spritzgießen und automatisches Tapelegen in Form gebracht werden. Für die Implementierung in das Design einer Innenverkleidung sind keine neuen Investitionen in die Produktionsmontage von Automobilkomponenten erforderlich. Darüber hinaus sind diese Prepregs mit den in der Industrie häufig verwendeten Materialien kompatibel, wie zum Beispiel Vlies-Akustikmatten in Motorhauben, Türen, Heck- oder Bodenverkleidungen, Wabenstrukturen in Stirnwand, Seitenverkleidungen und Kohlenstofffaser-Preforms für verbesserte NVH-Eigenschaften (Noise-Vibration-Harshness).
Dünnere Wandstärken und weniger Materialeinsatz
Eine Hutablage ist ein dekoratives Innenraumverkleidungsteil, das die Aufgabe hat, den Fahrgastraum vom Kofferraum zu isolieren. Daher wird sie entsprechend den Anforderungen an die mechanische Steifigkeit, die Witterungsbeständigkeit, das NVH, die wahrgenommene Oberflächenqualität und die Dimensionsstabilität ausgelegt. Die Hutablage wird durch zwei Methoden im industriellen Maßstab hergestellt; (i) Formpressen von holzfaserverstärkten Kunststoffen oder Glas/PP-Matten oder Naturfaser/PP-Matten, (ii) Spritzguss von 10 % mineralverstärktem Thermoplast.
In der Regel wird eine Hutablage mit einer mittleren Wandstärke von 2,5 mm konzipiert. Durch den Ersatz der derzeit verwendeten Materialien mit diesem Prepreg kann die Gesamtwandstärke auf 2 mm oder noch dünner reduziert werden. Das Ergebnis ist eine Gewichtsreduzierung von bis zu 40 %.
Thermoplastische UD-Prepregs helfen dem Konstrukteur bei einer maßgeschneiderten Konstruktion auf Basis der tragenden Bereiche im Endbauteil, die mechanischen Anforderungen mit minimalem Materialeinsatz zu erfüllen. Als neuer Designansatz führt die Kombination von NFCs auf Mattenbasis mit UD-Prepregs an diagonalen Stellen, die statisch belastet werden, zu einer reduzierten Gesamtbauteildichte.
Nachhaltige, schnelle und kostengünstige Herstellung von Composite-Bauteilen
Gängige thermoplastische Verbundwerkstoffe erfordern eine komplexe, automatisierte Verarbeitung, was die Kosten im Leichtbau erhöht. Die konventionelle Verarbeitung von Verbundwerkstoffen ist mit diesen UD-Tapes möglich und im Vergleich zu ähnlichen Materialien realisierbar. Im Fall der Hutablage wird das UD-Prepreg zunächst mit einer Infrarotheizung vorgewärmt, anschließend in eine Form eingelegt und formgepresst. Durch die Optimierung der Prozessparameter konnten die Verarbeitungstemperaturen um 30 % und die Zykluszeiten um 50 % gesenkt werden. Die Energieeinsparung reduziert den CO2-Fußabdruck bei der Herstellung deutlich.
Aus einer intensiven Arbeit in drei Monaten mit 23 iterativen Designs resultiert eine Gewichtseinsparung und bemerkenswerte Reduzierung der Produktionszykluszeit/Prozesstemperatur. Dank der UD-Prepregs ist ein Gewicht von circa 1300 g möglich, das bei wichtigen mechanischen Stabilitätstests (Durchbiegung unter Last und Steifigkeit) recht gut abschneidet. IR-Erwärmung von circa 45 s bei 250 °C und Kaltverformung mit einem Druck von circa 150 bar sind die optimalen Prozessparameter. In Anbetracht des perfekten Oberflächenfinishs und der natürlichen Haptik kann auf ein zusätzliches Dekorationsgewebe verzichtet werden.
Lightweighting Meets Performance
Die Prototypen wurden durch Funktionsprüfungen gemäß den OEM-Standards getestet. Die Vorgaben der Dimensionsstabilität und der optischen Qualität wurden genau eingehalten. Darüber hinaus wurden die Teile den Validierungstests unterzogen. Diese ergaben, dass die Hutablage wichtige mechanische Stabilitätstests wie die Steifigkeitsprüfung und die Durchbiegung unter Last bestanden hat.
Die Verwendung des 50 % flachsfaserverstärkten Thermoplasts in der Hutablage ermöglicht eine Gewichtsreduzierung von bis zu 40 % und dünnere Abschnitte in der Teilekonstruktion. Die perfekte Oberflächenbeschaffenheit erlaubt auch den Verzicht auf eine zusätzliche Dekorschicht. Die Schalldämmleistung ist dank der Naturfaser verbessert worden. Dieses Konzept ist auch ausschlaggebend für andere potenzielle Anwendungen im Bauwesen, bei Konsumgütern und in der Elektronik über den Transport hinaus.