Die Anwendungstechnik von Covestro konzentriert sich einerseits auf das Tagesgeschäft mit etablierten Anwendungen. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen daran, gemeinsam mit Kunden und deren Partnern neue Anwendungen für Polycarbonat und passende Fertigungstechnologien zu erschließen. Dazu schließt es mittel- bis langfristige Kooperationen mit kompetenten Partnern. Das anwendungstechnische Kow-how deckt alle Stufen der Bauteilentwicklung ab. Insbesondere von den global vernetzten Entwicklungszentren in Leverkusen, Pittsburgh und Shanghai können die Kunden profitieren. Hierbei werden unter anderem durch rechnerunterstütze Bauteilauslegung und Simulation von Fertigungsprozessen schon im frühen Stadium einer Entwicklung Problem erkannt und gelöst.
Einstieg in endlosfaserverstärkte Thermoplast-Composites
Ein Beispiel hierfür ist das langfristige, oft mehrere Jahre dauernde Entwickeln von Polycarbonat-Anwendungen. Dieses verläuft bei Covestro gemeinsam mit Partnern zweigleisig. So werden neue Anwendungen aus technologischen und gesellschaftlichen Zukunftstrends abgeleitet, ihre Machbarkeit in Polycarbonat geprüft und daraus Anstöße für die Materialentwicklung gegeben. Parallel arbeiten die Beteiligten daran, die passenden Fertigungstechnologien bereitzustellen.
So befasst sich Covestro zum Beispiel mit dem Zukunftsthema Leichtbau. Ein Fokus liegt dabei auf dem Entwickeln neuer endlosfaserverstärkter, thermoplastischer Composites, die ein besseres Gewicht-Steifigkeitsverhältnis haben als Metalle. Ein anderes Beispiel sind komplexe Polycarbonat-Linsen mit Freiformflächen für LED-Leuchten und -Scheinwerfer. Sie sind durch Polycarbonat (PC) leichter als Glas und lassen sich einfacher umformen.
Unter dem Projektnamen SurfaceTechnologies verfolgt Covestro einen neuen Ansatz, um hochwertige und unempfindliche Oberflächen herzustellen und gleichzeitig das Bauteilgewicht zu senken. Eine Kombination verschiedener Technologien macht dies möglich. Zu nennen ist hier das 3D-Laserstrukturieren von Werkzeugoberflächen, wodurch sich zum Beispiel feine, matte Muster auf glänzendem Untergrund abbilden lassen. Eine weitere Möglichkeit ist das Spritzgießen von Komponenten mit Tiefenglanzoberfläche.
Hochwertige Oberflächen durch dynamische Werkzeugtemperierung
Auf der Fakuma 2015 zeigte das Unternehmen unter anderem Prototypen eines Handschuhkasten-Deckels aus dem Polycarbonat-ABS-Blend Bayblend mit sowohl hochglänzenden als auch strukturierten Oberflächenbereichen. „Für die Herstellung der Prototypen haben wir eine Kombination verschiedener Technologien genutzt“, erläutert Rainer Protte, der in der Business Unit Polycarbonates von Covestro für die Entwicklung von Sonderspritzgießverfahren verantwortlich ist. „Dadurch ist es möglich, Formteile mit hoher Qualität und geringerem Gewicht herzustellen und dabei gleichzeitig Kosten einzusparen.“ Zu diesen Technologien gehörte das physikalische Schäumen mit dem Mucell-Verfahren der Firma Trexel, Wilmington, USA. Dabei wird Stickstoff im überkritischen Zustand über Injektoren in den Spritzgießzylinder und damit direkt in die Schmelze eingebracht. Gegenüber dem konventionellen Spritzguss werden Qualitätsmerkmale wie Ebenheit, Rundheit und Verzug aufgrund verringerter und gleichmäßigerer innerer Spannungen und einer gleichmäßigeren Schwindung verbessert und Einfallstellen vermieden oder reduziert. Der Nachdruck kann bei diesem Verfahren entfallen.
Die durch das Schäumen meist schlechtere Oberflächenqualität, die sich in Form von Schlieren zeigt, wird durch ein dynamisches Temperieren des Werkzeugs vermieden. Durch die hohe Werkzeugwandtemperatur wird die Oberfläche des Formteils praktisch glattgebügelt. Hersteller können deshalb gegebenenfalls auf einen zusätzlichen Beschichtungsschritt verzichten. Darüber hinaus ist ein gutes Abformen von Strukturen möglich. Durch das tiefere Einbetten der empfindlichen Hochglanzbereiche in die Struktur werden diese vor Kratzern und Berührungsschmutz geschützt. Dennoch lässt sich das Teil bei Bedarf zusätzlich lackieren oder anderweitig beschichten.
Zudem verbessert der Schäumprozess die Fließfähigkeit der Schmelze. Dadurch lässt sich die Formteilwanddicke reduzieren, ohne den Spritzdruck in unzulässigem Maße zu erhöhen. Gegenüber herkömmlichen Verfahren spart diese Lösung Material und damit Gewicht ein und liefert einen Beitrag, den Treibstoffverbrauch des Pkws zu senken. Ein Grund hierfür ist auch die geringere Dichte der Schäume im Vergleich zu massiven Kunststoffen. „Zurzeit arbeiten wir an einer weiteren Senkung der Wanddicke“, fügt Protte hinzu.
Während des Projekts arbeitete Covestro eng mit einer Reihe von Partnern zusammen: Dazu gehören die GWK Gesellschaft Wärme Kältetechnik, Meinerzhagen (Temperierprozesse), der Werkzeughersteller Krallmann, Hiddenhausen, sowie die Firma J. & F. Krüth, Solingen, die sich auf die Narbung der Werkzeugoberfläche – in diesem Fall eine 3D-Laserstruktur – spezialisiert hat. Die Mucell-Technologie kam von Trexel.
Weltweit verteilte Technika
Eine zentrale Rolle spielen in der kundennahen Unterstützung und in der Anwendungsentwicklung die Technika von Covestro. Sie sind mit modernen Anlagen für den Spritzguss, die Extrusion und die Folienverarbeitung ausgestattet. Diese dienen einerseits dazu, die Fertigung von Kunden nachzustellen, um Hilfe bei der Verarbeitung zu leisten. Anderseits werden sie bei neuen Anwendungen zur Materialentwicklung und für Fertigungsversuche genutzt.
Für eine gezielte und erfolgreiche Entwicklung neuer Anwendungen bekennt sich Covestro ausdrücklich zum Open-Innovation-Gedanken. Das Unternehmen sucht daher nicht nur weltweit den Kontakt zu Industriepartnern, sondern etwa auch zu Universitäten, Forschungseinrichtungen, Verbänden und Start-ups. Ein Projekt, das in diesem Sinne aktuell verfolgt wird, sind energiesparende Beleuchtungskonzepte mit speziellen Fokussieroptiken aus Polycarbonat.