Produktpiraterie ist kein Kavaliersdelikt. In sensiblen Bereichen wie etwa der Pharmabranche kann die Nichtübereinstimmung von Etikett und Verpackungsinhalt fatale Folgen für Gesundheit und Leben haben. In vielen anderen Branchen stehen zwar keine Menschenleben auf dem Spiel, gleichwohl führen auch hier Produktfälschungen zu hohen Umsatzeinbußen, Haftungsrisiken und Imageschäden bei Markenherstellern – und mitunter zu Sachschäden. In Konsumentenkreisen wenig bekannt ist zum Beispiel, dass der weltweit auf rund 150 Mrd. Euro taxierte Markt für Motoröle ein zunehmend beliebtes Ziel von Fälscherbanden ist. Gemäß Statusbericht 2019 des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erleiden die Unternehmen elf wichtiger Branchen in Europa jährlich rund 60 Mrd.Euro Umsatzverluste durch Produktpiraterie. Allein in Deutschland entsteht auf diese Weise ein Schaden von 7,1 Mrd. Euro pro Jahr. Die Untersuchungen der Behörde konzentrieren sich auf Sektoren, wie etwa Bekleidung, Schuhe, Accessoires, Kosmetikprodukte, Arzneimittel oder Sportartikel, die in Europa eine große wirtschaftliche Bedeutung haben und zudem häufig ins Visier von Fälschern geraten. Laut EUIPO gehen in der EU durch Produktpiraterie direkt 468.000 Arbeitsplätze verloren.
Markenartikler zahlreicher Branchen haben also ein signifikantes Interesse daran, ihre Produkte zu schützen. Hierfür stehen ihnen eine Vielzahl von Echtheitsmerkmalen wie etwa Hologramme oder Spezialtinten zur Verfügung. Der Nachteil vieler dieser Sicherheitslösungen: Sie sind sichtbar – auch für den potenziellen Fälscher. Wenn man bedenkt, dass Banknoten heute rund 30 verschiedene Echtheitsmerkmale tragen und Falschgeld dennoch immer wieder unentdeckt die Ladenkassen passiert, werden die Defizite deutlich.
Unsichtbare Sicherheit
„30 Sicherheitselemente auf einem Arzneimittel oder einer Kunststoffflasche anzubringen, ist praktisch unmöglich“, greift Dr. Martin Kutter das Banknoten-Beispiel auf. „In der Regel müssen ein oder zwei Merkmale ausreichen, um einen effizienten Fälschungsschutz zu erreichen“, präzisiert er. Als Präsident von Alpvision weiß er, wovon er spricht. Im Kampf gegen Produktpiraterie geht das Unternehmen einen eigenen Weg – sozusagen den Weg des verdeckten Fälschungsschutzes. „Alle unsere Sicherheitslösungen sind unsichtbar“, erklärt Kutter. Markenartiklern bieten diese Lösungen neben einer höheren Fälschung Sicherheit den Vorteil, dass keinerlei Verbrauchsmaterialien benötigt werden und keine Änderung des Produktdesigns oder Investitionen in den Herstellungsprozess erforderlich sind. Auch die Verifizierung „echt“ oder „falsch“ benötigt keine Spezialausrüstung, sondern lediglich ein Smartphone.
Für den unsichtbaren Fälschungsschutz bietet Alpvision mit Hauptsitz in Vevey, Schweiz, und Regionalgesellschaften in den USA und China zwei verschiedene Produkte an: „Cryptoglyph“ und „Fingerprint“. Alpvision Cryptoglyph ist eine digitale Kennzeichnung, die auf allen bedruckten Produkten, wie etwa Faltschachteln, Etiketten, Dokumenten, Prospekten, Banknoten, Dosen oder Blisterverpackungen, zur Anwendung kommt. Die unsichtbaren Merkmale werden in Form von Mikrolöchern in der Lack- oder Volltonfarbschicht oder durch den digitalen Druck von Mikropunkten erzeugt. Diese codierten Informationen können überall auf der Welt mit einer handelsüblichen Kamera, beispielsweise einem Smartphone, abgerufen und so die Echtheit des Druckerzeugnisses überprüft werden. Für Hersteller von Pharmazeutika zum Beispiel ist Cryptoglyph auch deshalb attraktiv, weil Änderungen in der Kennzeichnung nicht erneut von Arzneimittelbehörden, wie etwa FDA oder EMA, genehmigt werden müssen ̶ eine Prozedur, die bei allen sichtbaren Korrekturen fällig wäre.
Mikromuster in Kunststoffoberfläche bezeugt die Echtheit
Ganz ohne spezielle Hardware kommt die Sicherheitslösung Alpvision Fingerprint aus. Hier dienen die Kunststoffoberflächen selbst als intrinsisches Echtheitsmerkmal. Denn jedes spritzgegossene oder blasgeformte Teil weist an seiner Oberfläche mikroskopisch kleine Unregelmäßigkeiten auf, die eindeutig dem jeweiligen Herstellungsprozess zuzuordnen sind. „Dieses Rauschen im Material nutzen wir für die Authentifizierung des Produkts“, erklärt Kutter. Dazu sind keinerlei Anpassungen im Produktionsprozess erforderlich. Die Oberfläche des Bauteils wird einmal fotografiert und die Infos über einen Server in der entsprechenden App gespeichert. Oft reicht hierzu eine Aufnahme mittlerer Qualität, die der Kunststoffverarbeiter, etwa mit der Handykamera, selbst erstellt. Bei Bedarf stellt Alpvision Kameras zur Verfügung, die der Verarbeiter direkt an der Maschine postiert und mit dem Computer verbindet. Hersteller können ihre Produkte aber auch an einen Alpvision-Standort schicken, wo sie entsprechend erfasst werden. Diese Option kommt laut Kutter vor allem bei komplexen, höherwertigen Produkten zum Tragen, die in vergleichsweise geringen Stückzahlen gefertigt werden. Als Beispiel hierfür nennt er die Spritzgussbauteile von E-Zigaretten. Diese alternativen Nikotinspender werden mit zunehmenden Markterfolg zu einem bevorzugten Ziel von Fälschern.
Die Authentifizierung der in Verkehr gebrachten Produkte erfolgt ebenfalls über das Smartphone. Der automatische Abgleich mit dem Referenzbild informiert den Anwender innerhalb weniger Sekunden, ob es sich um das Originalprodukt oder eine Fälschung handelt. Ein weiterer Vorteil von Fingerprint: Die Sicherheitslösung kann auch „rückwirkend“ appliziert werden, wenn das Produkt bereits auf dem Markt ist.
Angewendet werden kann Fingerprint bei allen Kunststoff-, Metall- oder Glasteilen mit rauen oder matten Oberflächen, ausgenommen sind lediglich komplett hochglanzpolierte Produkte. Das aufgenommene Referenzbild bleibt langfristig authentisch. Chargenwechsel und mit üblichen Methoden (zum Beispiel Ultraschall) durchgeführte Werkzeugreinigungen, führen nämlich zu keiner signifikanten Änderung der mikroskopischen Oberflächenstruktur. „Erfahrungsgemäß bleibt Fingerprint wirksam, solange die Bauteile die interne Qualitätskontrolle passieren“, erklärt der Alpvision-Präsident. Sowohl spritzgegossene als auch blasgeformte Teile, zum Beispiel Shampooflaschen, erhalten so einen nachhaltigen Fälschungsschutz. Nur bei markanten Veränderungen des Produktionsprozesses, beispielsweise die Neueinführung einer Sandstrahlreinigung, muss ein neues Referenzbild erstellt werden.
Beispiel Motoröl
Entsprechend breit ist der Branchenfokus des Unternehmens – überall dort, wo Produktpiraten ihr Unwesen treiben, können die unsichtbaren Authentifizierungssysteme eingesetzt werden. Das primäre Ziel ist es dabei nicht immer, den Fälschern komplett das Handwerk zu legen; dies wäre angesichts deren krimineller Energie ein mitunter zu ambitionierter Anspruch. „Viele Kunden nutzen unsere Lösungen vor allem als Versicherungsnachweis“, erklärt Kutter. Will heißen: Wenn ein gefälschtes Produkt Schaden anrichtet oder den Ansprüchen nicht genügt, kann der Hersteller des Originals eindeutig nachweisen, dass es sich nicht um sein Produkt handelt. Zum Tragen kommt dieser Versicherungsgedanke unter anderem im Bereich der Motoröle (Lubricants). Ein globales Problem stellt hier das Refilling dar: Leere Flaschen werden wieder gefüllt, beispielsweise mit Recyclingöl, und in Vertrieb gebracht. Nicht selten sogar mit dem „Originaletikett“. In China etwa sind Druckereien aufgeflogen, die tagsüber Etiketten für einen Markenartikler produzierten und in der Nacht die gleichen Etiketten für einen Fälscher.
Die Lubricants sind ein typisches Segment, in denen beide Lösungen von Alpvision zum Einsatz kommen können ̶ Cryptoglyph für den Etikettenschutz und Fingerprint für die Fälschungssicherung der Kunststoffdeckel. Diese werden nämlich beim Öffnen teilweise beschädigt und müssen vom Fälscher nachproduziert werden. Grundsätzlich richtet sich die Wahl des Fälschungsschutzes nach den Bedürfnissen des Kunden und nach dessen Kostenkalkulation. Der Preis hängt vom Produktionsvolumen ab. Alpvision vergibt Technologielizenzen, die die Installation der App beinhalten sowie das Recht, eine bestimmte Anzahl von Produkten zum vereinbarten Stückpreis zu schützen. Optional erhalten Kunden Zutritt zu einem serverbasierten Monitoringsystem, das alle Authentifizerungsvorgänge aufzeichnet und somit dem Markeninhaber ein noch gezielteres Vorgehen gegen Produktpiraterie ermöglicht.
Organisches Wachstum in umkämpften Markt
Wirtschaftlich steht das Unternehmen auf soliden Füßen. Alpvision wurde 2001 gegründet und arbeitet seit 2003 profitabel. Seitdem verbucht die Firma ein organisches Wachstum, das auch in der Corona-Krise nicht gebremst wurde – jedenfalls nicht in Bezug auf das Auftragsvolumen, wie Kutter einschränkt. „Wir spüren einen erhöhten Preisdruck von Kundenseite“, stellt er fest. Im Segment Lubricants sei dies auch nachvollziehbar – hier treten die Hersteller wegen des in Pandemiezeiten eingeschränkten Straßen- und Luftverkehrs auf die Kostenbremse –, während andere Branchen wohl einem allgemeinen Trend folgten. Seit seiner Gründung bewegt sich Alpvision in einem stark konkurrenziertem Markt. „Viele Unternehmen sind im Fälschungsschutz tätig, viele verschwinden aber auch relativ schnell wieder von der Bühne“, berichtet Brancheninsider Kutter. Alpvision hingegen könne seinen Kunden neben hocheffizienten Sicherheitslösungen auch langjährige Partnerschaften garantieren. „Wir sind die Oldtimer in der Branche“, betont der Präsident des Unternehmens, das in diesem Jahr sein 20-Jahre-Jubiläum feiert.
https://alpvision.com/packaging-and-label-protection-cryptoglyph/
https://alpvision.com/physical-product-protection-fingerprint/