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Qualitative Darstellung hierarchischer Kommunikation im Entwicklungsprozess. (Bildquelle: alle Conbility)

Die Vielzahl an Bauweisen, Materialien, Fertigungsverfahren und Maschinensystemen bedingt eine schwierig beherrschbare Komplexität. Um in diesem Umfeld Wettbewerbsvorteile zu erzielen, ist Kostentransparenz bereits in den frühen Phasen der Produktentwicklung wichtig. Intuitive Costing-Software kann interdisziplinäre Entwicklungsteams durch Kopplung physikalischer Größen mit wirtschaftlichen Prozesskettenmodellen im Entwicklungsprozess unterstützen.

Der größte Teil der Fertigungskosten eines Produktes wird bereits in den frühen Phasen der Bauteilentwicklung und Produktionsplanung festgesetzt. Nach der Festlegung des Produktdesigns, der Materialien und der Fertigungsprozesse können diese nur noch in geringem Maße und unter großem Aufwand beeinflusst werden.

Alle an einer Produktentwicklung beteiligten Partner sollten frühzeitig an einem Tisch

Gerade für anspruchsvolle Produkte sind zahlreiche mögliche Lösungskonzepte für die Produktion verfügbar. Die Lösungsansätze werden jedoch bei einer streng hierarchischen Kommunikation von Anforderungen des jeweils in der Wertschöpfungskette vorgeschalteten Akteurs an den Nachfolgenden stark eingeschränkt.

Auf Basis der Produktanforderungen kann ein Design vorgegeben sein, dem meist ein Werkstoff- und Produktionskonzept des Bauteilverantwortlichen zugrunde liegt. Die Anforderungen werden von Ebene zu Ebene in der Wertschöpfungskette übergeben und jeder Akteur bietet die jeweils am besten passende Lösung. Wäre er mit seiner Expertise frühzeitiger einbezogen worden, so hätte er möglicherweise eine effizientere Lösung vorschlagen können, die typischerweise auch wieder das Produktdesign und die Werkstoffauswahl beeinflusst. Die beste Lösung ergibt sich also in der Regel im Spannungsfeld zwischen Material-/Prozesstechnologie, Produktdesign und Anlagentechnik. Aufgrund der enormen Vielzahl an heute existierenden Technologien ist es daher notwendig, dass Kommunikation frühzeitig und wertschöpfungskettenübergreifend erfolgt.

Das Simultaneous Engineering unterstützt diesen Prozess, indem Abläufe innerhalb der Produktentwicklung und der Produktionsplanung parallelisiert werden. Insbesondere das kontinuierliche Abschätzen der Herstellungskosten ist wichtig für das Bewerten von Lösungskonzepten. Das Dilemma der frühzeitigen Produktkostenabschätzung liegt darin, dass in den frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses für die Entwickler nur sehr wenige, zur Kostenrechnung notwendige Informationen über das finale Produkt und den Herstellungsprozess verfügbar sind. Mit zunehmender Festlegung von Produktdesign- und Werkstoffparametern nimmt auch die Genauigkeit der Kostenabschätzung zu, allerdings erfolgt dadurch meist ein Festlegen der Kosten. Ziel ist folglich, den Einfluss von Änderungen während der Produktentwicklung auf Produktionsprozesse und Kosten zu verstehen und zu quantifizieren. [1]

Ein Tool für alle Entwicklungspartner

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Workspace zur visuellen Planung und Bewertung von Produktionsprozessen.

Um Entwicklungsprozesse durch hohes Ausnutzen von Kreativität und Expertise der einzelnen Teammitglieder zu unterstützen, wurde das Tool Oplysis entwickelt. Es ermöglicht die Erstellung von Produktionsszenarien auf einer Drag-and-Drop-Oberfläche.

Es wird eine Prozesskette modelliert und in Aktivitäten unterteilt, welche durch Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen miteinander verkettet sind. Weiterhin werden Ressourcen zu den einzelnen Aktivitäten hinzugefügt, welche zum Durchführen der jeweiligen Aktivität nötig sind. Dabei kann zwischen Material, Maschine, Werkzeug, Personal und Betriebsmittel gewählt werden. Somit wird die Produktion des gewählten Produktes idealisiert abgebildet. Jeder Ressourcentyp und jede Aktivität verlangt Eingabeparameter, wie beispielsweise Vorgangsdauern, Materialverbrauch, Lohnkosten, Werkzeugstandzeit oder Energiebedarf einer Maschine. Dadurch können Ausgabeparameter, wie die realisierte Zykluszeit, Kosten (Material-, Betriebs- und Investitionskosten) oder Ausbringungsmenge pro Jahr berechnet werden. Die Erstellung ist für jedes Teammitglied transparent und intuitiv nachvollziehbar. Statt in einer Teambesprechung Berechnungsaufträge zum Wiedervorlegen zu vergeben, kann das Auswirken einer Änderung am Fertigungsablauf auf Kennzahlen, wie Kosten und Ausbringungsmenge, durch die Rekonfiguration oder das Hinzufügen von Berechnungselementen direkt analysiert und diskutiert werden.

Integration von Prozessauslegung und Costing

Um Einflüsse der Bauteilentwicklung auf die Ressourcen und Aktivitäten in der Prozesskette zu berücksichtigen, wurde durch Verwenden von Oplysis ein integrierter Ansatz entwickelt, der kostenrelevante Eingabeparameter des Prozesskettenmodells mit einem physikalischen Modell der Teilprozesse koppelt. Das heißt, wirtschaftliche und technologische Kennzahlen der Prozesskette werden auf Basis von physikalischen Eingabegrößen berechnet.

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Mittelarmkonsole hergestellt mit Prozesskette Hinterspritzen eines Organobleches (linkes Teilbild [2]).

Zur Demonstration des Ansatzes wird ein exemplarisches Bauteil, eine Mittelarmkonsole, gewählt, welche durch Überspritzen eines Organoblechs mit glasfaserverstärktem Polypropylen (PP) und thermoplastischem Elastomer (TPE) gefertigt wird.  Einflüsse von Bauteil-, Material- und Maschinenparametern auf die Zykluszeit und Kosten der Verfahrenskombination aus Spritzgießen und Thermoformen werden nachfolgend kostenseitig betrachtet. Ein bereits zugeschnittenes Organoblech wird mit einem Infrarot-Strahler erhitzt und in das Spritzgießwerkzeug eingelegt. Nach Zufahren der Spritzgießmaschine wird es nacheinander mit PP und TPE hinterspritzt. Nach Abkühlung des Bauteils wird es entnommen und während des Handlingvorgangs einer optischen Qualitätskontrolle unterzogen. Hierzu wurden Ressourcen in der Prozesskette angenommen, die zur Kostenstruktur der Bauteilfertigung beitragen. So werden zum einen Maschinen, wie die Spritzgießmaschine, der IR-Strahler und zwei Roboter, zum anderen die Materialien PP, TPE und das Organoblech, sowie weitere Betriebsstoffe, Anlagenbediener und Werkzeuge in der Berechnung berücksichtigt.

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Input-, Kopplungs- und Outputparameter der vorgestellten Prozesskette in einem Berechnungsmodell.

Zu den Inputparametern zählen Parameter, die direkt aus der Bauteilentwicklung abgeleitet werden können, wie beispielsweise Bauteil- und Maschinenspezifikationen sowie Materialkennwerte. Diese Inputparameter werden über sogenannte Kopplungsparameter mit der Prozesskette verbunden. Die Kopplungen bestehen aus individualisierbaren Berechnungselementen, die es dem Anwender ermöglichen eigene Formeln direkt in das Berechnungsmodell einzubinden und das Prozesskettenmodell abhängig von den Inputparametern zu analysieren. Somit können mit geringem Aufwand Änderungen während der Bauteilentwicklung in einem Berechnungsmodell vorgenommen und gleichzeitig auf deren Einfluss auf die erwarteten Produktkosten analysiert werden. Beispielsweise beeinflusst die Wanddicke des Organoblechs und der Compounds unter anderem die Einspritzdauer, die Kühlzeit im Spritzgießen sowie den Materialverbrauch.

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Exemplarische Ergebnisauswertung auf Basis selbst durchgeführter Abschätzungen für die jeweils relevanten Eingabeparameter.

Taktgebend ist der Spritzgießprozess mit einer Gesamtdauer von 59 Sekunden. Konkret werden hier neben den jeweiligen Material- und Energieverbräuchen die Einspritzdauer (über die Materialmenge) und die Kühlzeit (über die Wanddicke, Wärmeleitfähigkeit, Schmelze-/Werkzeugtemperatur) berechnet. Weiterhin wird die hauptzeitparallele Dauer zur Aufheizung des Organoblechs über dessen Dicke, die Leistung des IR-Strahlers sowie Materialparameter wie Absorptions-/Emissionskoeffizienten, Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität berechnet.

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Vergleich verschiedener Szenarien durch Variation der Eingabeparameter.

Durch Variation der Eingabeparameter können verschiedene Vorgänge erstellt und verglichen werden. Wird beispielsweise die Wandstärke dicker, so steigen die Betriebskosten durch höhere Energieverbräuche und längere Zykluszeiten.

Bestmögliches Ergebnis ist herausfordernd

Das bestmögliche Umsetzen von Produktanforderungen in technologisch und wirtschaftlich gute Produktionsabläufe ist mit zunehmender Vielfalt an Bauweisen, Materialien, Fertigungsprozessen und Anlagentechnologien herausfordernd. Hierfür ist ein enges Einbeziehen von Experten aus den jeweiligen Technologiefeldern bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses notwendig. Zur Unterstützung der Kommunikation in interdisziplinären Entwicklungsteams bieten Costing-Methoden großes Potenzial, da die wirtschaftlichen Kennzahlen einer Produktion maßgeblich über den Erfolg entscheiden. Wichtig ist hierbei, dass Auswirkungen von Änderungen an der Fertigungstechnologie oder des Produktionsablaufs direkt und transparent analysiert werden können.

Der entwickelte Ansatz zeigt einen zusätzlichen Weg auf, wie die Einflussnahme von Entscheidungen auf die zu erwartenden Produktkosten in den frühen Phasen der Produktentwicklung auf Basis physikalischer Eigenschaften des Produkts quantifizierbar werden.

Firmenprofil

Conbility ist spezialisiert auf Lösungen und Produkte zur Unterstützung des Job-, Process- und Productcosting für Fertigungsprozesse. Die Expertise von Conbility verbindet Markt- und Technologiewissen mit Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie ein großes Netzwerk in Bezug auf die Produktionstechnologien. Eine der Kernkompetenzen ist die in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelte Prozesskalkulationssoftware Oplysis zur Analyse von Produktionskosten und -performance.

 

Quellen:

[1]: Ehrenspiel, K., Kostengünstig entwickeln und Konstruieren: Kostenmanagement bei der integrierten Produktentwicklung, 2014, Kapitel 2

[2]: Einstufige Serienfertigung von Hybridteilen mit Sichtflächen, Lightweight Design, 5|2018

 

Kontakt

Conbility, Aachen

info@conbility.com

leitet den Geschäftsbereich Software Solutions bei Conbility in Aachen. katharina.bleck@conbility.com

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