Seit einem Jahr hält die Corona-Pandemie die gesamte Kunststoffindustrie in Atem. Alle Teilsegmente mit Ausnahme der Medizintechnik spürten den mit der Covid-19-Krise verbundenen Konjunkturabschwung. Überlagert wird dies von positiven Impulsen, uner anderem im Bereich Verpackungstechnik. „Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Verpackungen deutlich gesteigert – und entsprechend auch nach Spritzgießmaschinen, die diese Verpackungen produzieren“, betont Bertram Stern, Packaging and Circular Economy Manager bei Arburg, Loßburg. Er verweist zum Beispiel auf Pilotprojekte, in denen Einweg- durch Mehrweg-Pfandverpackungen ersetzt werden, so wie es für Glasflaschen bereits gang und gäbe ist.
Wittmann Battenfeld, Kottingbrunn, Österreich, verzeichnete im Verpackungsbereich lediglich im zweiten Quartal 2020 einen leichten Rückgang, „in der die Projekttätigkeit und Investitionsentscheidungen verschoben wurden“, blickt Andreas Schramm, Geschäftsführer Wittmann Battenfeld Deutschland, zurück. Die Engel Gruppe, Schwertberg, Österreich, berichtet von einem „stabilen bis guten“ Geschäft im Business Unit Packaging. Dabei haben sich laut Christoph Lhota, Vice President Engel Packaging, im vergangenen Jahr gegenläufige Entwicklungen ausgeglichen: „Dünnwandverpackungen für Lebensmittel werden verstärkt produziert, weil mehr zu Hause gegessen wird. Auch das Take-away-Geschäft der Gastronomie benötigt mehr Verpackungen“, führt Lhota aus. Andererseits seien die Märkte für größere Lebensmittelbehälter zurückgegangen, weil viele Restaurants und Großküchen geschlossen sind. Von einer ähnlich ambivalenten Entwicklung berichtet Mold-Masters, Baden-Baden: „Die Covid-19-Pandemie hat zum einen für Verunsicherung gesorgt. Auf der anderen Seite sehen wir jedoch einen großen Anstieg an Projekten für spezielle Anwendungen, wie etwa Dosierspender, beispielsweise für Desinfektionsmittel“, berichten Thomas Bechtel, Global Sales Director Packaging & Medical, und Igor Kim, Global Sales Director, PET & Co-injection von Mold-Masters: Dies helfe, einige Verluste auszugleichen, die etwa in den Bereichen Deckel und Verschlüsse entstanden seien.
Krauss Maffei, München, verweist in diesem Zusammenhang auf den durch die Corona-Pandemie florierenden Versandhandel. „Zur Distribution und Lagerung von Waren werden verstärkt Transportbehälter wie Kisten aber beispielsweise auch Paletten benötigt“, präzisiert Michael Schreyer, Global Application Owner Packaging & Logistics bei Krauss Maffei. Diese Artikel müssten für eine lange Lebensdauer beziehungsweise zur Mehrwegnutzung ausgelegt werden.
Ressourcenschonung durch dünnere Wände
Abgesehen vom Sonderfaktor Corona bestimmen Nachhaltigkeitsziele die Entwicklungstätigkeit der Spritzgießmaschinenbauer – besonders im Bereich Verpackungen. „Die übergreifenden Trends sind Ressourcenschonung und Circular Economy“, stellt Arburg-Experte Bertram Stern, in Übereinstimmung mit ähnlich lautenden Statements seiner Mitbewerber, fest. So lassen sich laut Stern heute auch sehr dünnwandige Produkte prozesssicher, materialsparend und damit wirtschaftlich fertigen, zum Beispiel auf hybriden Hochleistungs-Spritzgießmaschinen. Auch für Andreas Schramm von Wittmann Battenfeld spielt das Thema Ressourcenschonung eine zunehmende Rolle. „Es wird weiter darum gehen, aus dem eingesetzten Kunststoff mehr Produkte zu erzeugen“, sagt er. „Ein Weg dazu ist die weitere Reduzierung des Kunststoffanteils an den Verpackungen.“ Beispielsweise lassen sich laut Schramm im Dünnwandbereich durch Spritzprägen (ICM) noch geringere Wandstärken für Behälter realisieren. „Durch weitere Optimierung der Produktions- und Technologieprozesse müssen zukünftig die Anfahr- und Produktionsausschüsse weiter reduziert, und damit die Produktivität gesteigert werden“, fügt der Wittmann-Battenfeld-Experte hinzu. Für Christoph Lhota von Engel gehen Material- und Energieeffizienz Hand in Hand: „Neben dem verstärkten Einsatz vollelektrischer Spritzgießmaschinen“, sagt er, „werden Dünnwandpotenziale noch umfangreicher genutzt, und Technologien wie Spritzprägen oder Schäumen finden immer öfter auch in der Verpackungsproduktion Einsatz.“
„Die Forderungen der Umweltverbände und Verbraucher nach Nachhaltigkeit und immer leichteren Verpackungen stellen besondere Herausforderungen an das Verpackungsdesign, wie beispielsweise die Dichtheit“, merken Thomas Bechtel und Igor Kim von Mold Masters an. „Um die Dichtheit trotz immer dünner werdenden Flaschen und aggressiveren Testkriterien zu realisieren, muss gegebenenfalls eine Dichtkomponente, wie etwa TPE, eingesetzt werden.“ Dies erfordere deutlich komplexere Formen sowie eine Heißkanaltechnik für kleine Schussgewichte bei besserer Balancierung sowie leistungsfähige Zusatzeinspritzaggregate.
Challenge Circular Economy
Die größte Herausforderung für den Verpackungssektor ist zweifellos das Primat der Kreislaufwirtschaft. Mit der Umsetzung der Verpackungsrichtlinie der EU werden die Marktteilnehmer unter anderem zur Rücknahme von Kunststoffverpackungen verpflichtet. „Die stoffliche Wiederverwendung der Kunststoffe ergibt sich damit zwangsläufig“, stellt Andreas Schramm von Wittmann Battenfeld fest. Um Post-Consumer-Rezyklate prozesssicher zu verarbeiten, seien Materialhersteller ebenso gefordert wie die Spritzgießmaschinentechnik.
Dass eine echte Kreislaufführung – zu mindestens in einer Messe-Umgebung ̶ möglich ist, zeigte unter anderem Arburg auf der K 2019: Dort verarbeitete eine Spritzgießmaschine in Packaging-Ausführung neues PP-Material zusammen mit 30 % sortenreinem PP-Rezyklat zu dünnwandigen Rundbechern. Diese wurden am Stand von Erema rezykliert, um anschließend Klappboxen aus 100 % Rezyklat daraus zu fertigen. „Wenn es möglich ist, Kunststoffe sinnvoll und sicher zu sammeln, lassen sich diese wieder in die Wertschöpfungskette zurückführen“, schlussfolgert Bertram Stern von Arburg. Damit adressiert er aber auch ein Problem, das die Begeisterung für Circular Economy in der Praxis häufig noch bremst: Die etablierten Sammel- und Sortiersysteme für Post-Consumer-Abfälle schaffen es bislang nicht, Rezyklate in der Quantität und Qualität zu liefern, die für flächendeckende Kunststoffkreisläufe erforderlich wären. Deshalb tauchen die Maschinenbauer mitunter tief In die Wertschöpfungskette ein, um an wichtigen Stellen gemeinsam mit Partnern Weichen zu stellen. So verweist Arburg etwa auf sein Engagement im Projekt „Holy Grail 2.0“, das auf das sortenreine Sortieren von Kunststoffverpackungen mittels digitaler Wasserzeichen abzielt.
Viele Bio- und PCR-Kunststoffen lassen sich gemäß Thomas Bechtel und Igor Kim von Mold-Masters gut verarbeiten. „Einige stellen jedoch besondere Anforderungen an die Anwendung, etwa durch eine verbleibende Restfeuchte, aber auch an den Verarbeitungsprozess“, fügen sie hinzu. Mold-Masters hat die verschiedensten neuen Kunststoffe getestet und deren Eigenschaften in einer Datenbank erfasst. Dieses Wissen soll dazu beitragen, den Verarbeitern eine „robuste Produktion, nicht nur für Pilotprojekte, sondern auch für Seriensysteme mit hohen Kavitätenzahlen“ zu ermöglichen, sagen Bechtel und Kim. Großes Augenmerk richtet Mold-Masters dabei auf seine Co-Injektionslösungen einschließlich Nachrüstmodulen, die Spritzgießern die Möglichkeit geben „mit geringem Investitionsaufwand“ Multi-Layer-Teile „zu niedrigeren Kosten mit Bio-und PCR-Kunststoffen“ zu produzieren. Als Beispiele nennen die Experten unter anderem die Einkapselung von PCR-Kunststoffen in eine Schicht aus neuem Kunststoff, der dann als einziges Material mit dem verpackten Produkt in Kontakt kommt, oder die Zugabe von Hochbarrierekunststoff als Kernschicht, wodurch die Verpackung leichter wird und eine längere Haltbarkeit aufweist.
Alternative Materialien
In Zukunft werden Spritzgießfertiger von Verpackungen womöglich mit Rohstoffen umgehen, die heute noch gar keinen Eingang in industrielle Prozesse gefunden haben. „Speziell durch das Verbot von Einwegplastikprodukten werden auch alternative Materialansätze verfolgt“, sagt Andreas Schramm von Wittmann Battenfeld. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Fertigung von Kosmetiktiegeln aus einem Naturfaser-Matrixmaterial („Zeroplast free“), die das Unternehmen auf der K 2019 vorführte
Eine weitere zu klärende Frage ist, welche Qualitäten, etwa in Hinblick auf Optik, die aus recycelten Kunststoffen hergestellten Produkte aufweisen sollen. „Wir brauchen neue Anwendungen für Rezyklate, um Kunststoffe wirklich im Kreislauf halten zu können“, sagt Engel-Experte Lhota und fügt hinzu: „Muss ein Farbeimer zwangsweise weiß sein? – Das beispielsweise ist eine wichtige Frage, wenn es um sinnvolles Downcycling von Lebensmittelverpackungen geht. Die Herausforderung besteht darin, die Konsumenten mitzunehmen, ein Umdenken zu erreichen.“
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