Für die Herstellung dieser Compounds, die vollständig oder überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, setzt Tecnaro Zweischneckenextruder ein. „Wir haben mit Gebrauchtmaschinen begonnen, eine davon stammte von Krauss Maffei Berstorff“, erklärte Jürgen Pfitzer, einer der beiden Geschäftsführer des Kunststoffherstellers. „Dies ist mit einer Gründe warum wir uns jetzt wieder für eine Compoundieranlage aus Hannover entschieden haben.“ Bei der Neuanlage, die derzeit installiert wird, handelt es sich um eine ZE Basic 62 mit einer Maximalleistung von 800 kg/h. „Für uns ist es sehr wichtig, dass wir unsere Rezepturen auf den neuen Extruder skalieren können, damit wir größere Mengen eines Compounds herstellen können“, erläuterte Pfitzer. Dabei geht es um Forschungs- und Entwicklungszwecken – Rezepturen mit einem Durchsatz von bis zu 1 t/h werden auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Zweischneckenextruder der ZE Basic-Baureihe sind sehr vielfältig einsetzbar. 80 Prozent aller Aufgaben beim Plastifizieren, Füllen und Verstärken lassen sich mit einem solchen Modell ohne großen Umbauaufwand bewerkstelligen.
Tecnaro hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1998 der Herstellung von Biokunststoffen verschrieben und beschäftigt heute 30 Mitarbeiter. So werden die lignin-basierten Compounds unter dem Namen Arboform beispielsweise für Lautsprecher, Musikinstrumente, Spielwaren oder Designobjekte eingesetzt, während die wahlweise auch biologisch abbaubaren Rohstoffe der Arboblend-Serie für Verpackungen, Bürobedarf, Haushaltswaren, Folien und weitere Halbzeuge Einsatz finden, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die dritte Produktlinie Arbofill ist für Haushaltswaren, Verpackungen, technische Profile und Stühle sehr gefragt. Hier handelt es sich um mit Naturfasern gefüllte Compounds aus bis zu 80 Prozent nachwachsenden Rohstoffen. Mit Handelsvertretern und der Albis Plastic aus Hamburg als Vertriebspartner sind die Biocompounds weltweit lieferbar.
Preise über Preise
Die Biocompounds von Tecnaro wurden vielfach ausgezeichnet. Es begann 1999 spektakulär mit dem ZDF-WISO-Gründerpreis und dem Euromold Award in Gold 2000. Es folgten viele weitere Preise, in jüngster Zeit erhielten die Biobrush-Zahnbürsten den German Design Award 2018, den Reddot Award 2017, den 2. Platz im Greentec Award 2017, den Green Good Design Award 2018 sowie den Deutschen Verpackungspreis 2016. Der Hersteller einer marktführenden Getreidemühle, der Mockmill, setzte lange auf Holzgehäuse, doch nun hat die Mühle als weltweit erstes Küchengerät ein Gehäuse aus dem aus Biokunststoff Arboblend. Hierfür erhielt der Hersteller Wolfgang Mock vor einigen Tagen den German Innovation Award 2018.
Verarbeitung der Biocompounds
Die Biopolymere von Tecnaro verlassen das Werk als Granulate. Sie sind aus nachwachsenden Rohstoffen, biologisch abbaubar oder langzeitbeständig und können in verschiedensten Verfahren verarbeitet werden: vom Spritzguss- über das Extrusions- bis hin zu Tiefzieh-, Schmelzspinn- oder Blasformverfahren. Im 3D-Druck entstehen beispielsweise die Trophäen des Green Brands Germany und mit der additiven Fertigungstechnik Freeformer von Arburg werden sogar in einem Arbeitsgang, ohne weitere Montagearbeiten funktionsfähige Planetengetriebe hergestellt, welche ähnlich einem Uhrwerk funktionieren.
Unternehmerische Herausforderungen
Überraschenderweise sehen beiden Geschäftsführer Helmut Nägele und Jürgen Pfitzer nicht den Wettbewerb zur Erdölindustrie als Hauptherausforderung, auch wenn– wie die beiden finden – die erdölbasierten Kunststoffe steuerlich ungerecht begünstigt werden der ökologische Fußabdruck unzureichend Berücksichtigung finde. Die größte Herausforderung ist: Unternehmer zu sein heißt auch, bekämpft zu werden, teilweise auch mit fragwürdigen Methoden. Es sind insbesondere Anfeindungen aus ganz unerwarteten Ecken, von Akteuren, das Unternehmen eigentlich hinter sich wähnte: Ein Fehde-Handschuh wurde ihnen zum Beispiel gerade von einem weltweit agierenden Umweltverband hingeworfen. Dieser gemeinnützige Umweltverband grätschte zunächst im Geheimen „mit vorgeschobenen Thesen in einen abschlussreifen Vertrag für ein über viele Monate fertig entwickeltes Produkt für einen Großkunden“ hinein, sagte Pfitzer, „um dann im Nachgang ein für ihn selbst vorteilhaftes Geschäft auf Grundlage der Tecnaro-Entwicklungen einzufädeln und es auf seine verbundene Partner umzulenken.“ Das lasse „einen echt vom Glauben abfallen“, urteilten die beiden Geschäftsführer. (dw)