Das Unternehmen Zimmermann Formen- und Werkzeugbau, Gladenbach, hat sich auf die Konstruktion und Fertigung von komplexen Werkzeugen für die Kunststoffverarbeitung spezialisiert. „Unsere Expertise liegt bei kinematisch anspruchsvollen Spritzgießwerkzeugen unterschiedlicher Technologien in einer Gewichtsklasse, die sich bei uns üblicherweise zwischen 3 Tonnen und 50 Tonnen abspielt”, unterstreicht der Bevollmächtigte von Zimmermann, Michael Neumann. Als Beispiel zeigt er den hinteren Stoßfänger des Audi C7 Allroad, der mit einem Werkzeug von Zimmermann produziert wird. Die Fräsbearbeitung zählt für das Unternehmen ganz klar zu den Schlüsseltechnologien: „Wir wollen alles, was geht, bei der Frästechnologie ausschöpfen und möchten beim Fräsen noch besser werden, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, weil es einfach ein riesiger Kostenfaktor ist“, erklärt Neumann. Neben dem Bereich CAM – bei Zimmermann wird maschinennah an elf Arbeitsplätzen sowie an weiteren drei im Büro der CAM-Abteilung mit Work NC programmiert – gehört das Thema Werkzeuge hier zu den wichtigsten Stellschrauben. „Denn mit dem Werkzeug lässt sich der Prozess auch wirtschaftlich gut beeinflussen.“ Auf MMC Hitachi Tool wurde man in Gladenbach aufmerksam, weil der Werkzeugmaschinenhersteller anbietet, vor Ort anhand konkreter Projekte die Fräsprozesse zu optimieren.
Erfolgreicher Einstieg in das Tonnenfräsen
Beim gemeinsamen Optimierungsprojekt ging es um ein hochaktuelles Thema, bei dem CAM-Strategie und Werkzeug im Mittelpunkt stehen: Das Abzeilen großer schräger Flächen mit sogenannten Tonnenfräsern. Für das Projekt wurden zwei ungefähr gleich große Formkerne (etwa 2.000 mm x 600 mm x 500 mm) für ein Türschweller-Werkzeug ausgewählt, die allerdings mit 11° beziehungsweise 17° unterschiedliche Schrägen aufwiesen und aus jeweils verschiedenen, nicht vorgehärteten (32 bis 34 HRC) Formstählen der Sorten 40CrMnMoS8-6 beziehungsweise 40CrMnNiMo8-6-4 bestanden.
Gefräst wurden beide Formkerne auf zwei verschiedenen Maschinen: Der Formkern mit den 11°-Flächen auf einer 5-achsigen Fidia Digit 218, der zweite auf einer mit 5-Achs-Kopf ausgerüsteten Fahrständermaschine von Mecof (heute Emco Mecof).
Auf beiden Maschinen wurden die Schrägen bisher mit Z-konstant abgezeilt, jede z-Ebene wird mit dem Fräser also einzeln abgefahren. Hinzu kommt, dass man beim Schlichten der Schrägen hinsichtlich Rauigkeit und Maß an den Eckenradius des Werkzeugs gebunden ist. Für die schrägen Bereiche wurde auf der Fidia Digit bislang zum Schlichten ein einschraubbarer zweischneidiger VHM-Torusfräser mit 16 mm Durchmesser und Radius R1 verwendet. Das Werkzeug hat zwar recht ordentlich funktioniert, die relativ geringe Tiefenzustellung führte allerdings zu einer langen Bearbeitungszeit von 14,5 Stunden. Auf der Mecof wurden beim Schlichten der 17°-Schrägen bereits Werkzeuge von MMC Hitachi Tool verwendet: Der von Prozessoptimierer René Chambre für das Abzeilen mit Z-konstant empfohlene Mini-Wendeplattenfräser ASPVM mit 16 mm Durchmesser, der in anderen Größen bei Zimmermann auch bei diversen weiteren Anwendungen inzwischen erfolgreich zum Einsatz kommt.
„Beide Werkzeuge haben wir dann im Rahmen des Optimierungsprojekts durch die Wendeplatten-Tonnenfräser der GF1-Reihe von MMC Hitachi Tool ersetzt”, so Sören Leinweber, der bei Zimmermann die CAM-Abteilung verantwortet. Auf der Fidia Digit war es der GF1T mit Durchmesser 16 mm und Plattenradius 30 mm, auf der Mecof der GF1G mit 25er Durchmesser und Plattenradius 20. „Beides sind Tonnenwerkzeuge mit unterschiedlichem Plattenkörper und Neigungswinkel, um möglichst viele Geometrien abzudecken”, erklärt Jens Thor, CAM-Spezialist von MMC Hitachi Tool, den Unterschied. „Von der Z-Ebene her betrachtet würde der Neigungswinkel der ‚G-Form‘, den wir auf der Fidia Digit bis 11° gefahren haben, bei den 17° auf der Mecof nicht mehr ideal anliegen und mit der gefahrenen ap die geforderte Oberflächengüte nicht erreicht werden.“ Denn bei den Schrägen sind sowohl die Oberflächenqualität als auch die Maßhaltigkeit ein Kriterium.
CAM-System muss spezielle Werkzeuggeometrie unterstützen
Wichtig ist, dass die CAM-Software das Bearbeiten mit Tonnenfräsern – die auch Kreissegmentfräser genannt werden und die geometriebedingt über eine größere Mantelfläche verfügen – unterstützt. „Die Technologie, die dahintersteht und über die Work NC seit Kurzem verfügt, heißt Advanced Tool Form. Damit wird jede denkbare Schneidengeometrie unterstützt und zahlreichen Frässtrategien zur Verfügung gestellt, auch dem Tonnenfräser der GF1-Reihe”, erklärt Matthias Koch, Pre-Sales-Engineer von Hexagon Manufacturing Intelligence. „Man kann also auch eine ganz exotische Schneidengeometrie verwenden, und es kommt immer eine vernünftige Fräsbahn heraus.“
Fräszeiten drastisch gesunken
Der GF1 hat auf beiden Maschinen auf Anhieb beeindruckende Ergebnisse geliefert mit Schnittwerten, die Sören Leinweber immer noch begeistern: „Mit dem Tonnenfräser sind wir beim Schlichten mit der Drehzahl in etwa gleichgeblieben, haben axial aber in allen schrägen Bereichen 0,7 mm zugestellt“, erklärt Sören Leinweber. „Gegenüber den bisherigen 0,3 mm war dies natürlich ein riesiger Erfolg und wir konnten so ein großes zeitliches Einsparpotenzial rausholen.“ Und: Die Wendeplatten des Tonnenfräsers zeigten keinen Verschleiß. „Ein weiteres Highlight bei dieser Sache war, dass es bei der von MMC Hitachi Tool entwickelten Strategie möglich war, mit dem GF1 auf beiden Maschinen 3-achsig zu fräsen und nicht mit 5 Achsen, simultan oder angestellt, wie es uns sonst überall empfohlen wurde”, ergänzt Leinweber. „Trotz Sprüngen in der Kontur haben wir alles absolut maßhaltig mit 3 Achsen gefräst.“
Insgesamt reduzierte sich auf der Fidia Digit die Laufzeit für den gesamten Schlichtprozess von zuvor 14,5 Stunden auf 4 Stunden und 20 Minuten, was einer Zeitersparnis von rund 70 Prozent entspricht. Interessant ist auch das Ergebnis auf der Mecof, wo der GF1 gegen den ASPVM-Mini-Wendeplattenfräser von MMC Hitachi Tool – beide mit 25 mm Durchmesser – antreten musste. Trotz der sehr hohen Vorschübe seitens des ASPVM lieferte der Tonnenfräser deutlich bessere Ergebnisse. Hier konnten im Vergleich zu dem schon sehr guten ASPVM beim Schlichtprozess noch einmal 18 Stunden an Bearbeitungszeit eingespart werden, die mit dem GF1 jetzt nur noch 7 Stunden beträgt. Das ist schon ein gewaltiger Zeitvorteil, der sich auch äußerst positiv bei den Fertigungskosten bemerkbar macht, wie Michael Neumann aus der Geschäftsleitung unterstreicht und in diesem Zuge ausdrücklich den tatkräftigen Einsatz von MMC Hitachi Tool lobt: „Die sind wirklich mit Know-how, Mannschaft und Werkzeug hier angetreten, haben sich den Ist-Zustand angesehen, gesagt, was überhaupt geht sowie was man tun kann, und haben die Lösungen dann in den Prozess implementiert. Ohne diese Vorortbetreuung wären wir beim Trochoidalfräsen nicht dort, wo wir heute stehen, und hätten beim Einsatz der Tonnenfräser nicht so schnell dieses tolle Ergebnis erreicht.“
Unternehmen im Detail
Zimmermann Formen- und Werkzeugbau
Gegründet 1886 als Gießerei- und Modellbaubetrieb, zählt das Unternehmen im hessischen Gladenbach heute mit seinen 95 Mitarbeitern zu den erfahrensten Spezialisten von technisch anspruchsvollen Spritzgießwerkzeugen. Diese sind meist größerer Bauart und bis zu 50 Tonnen schwer – manchmal auch darüber hinaus. Hierzu zählen Spritz-, Hinterspritz- oder 2K-Werkzeuge, auch mit Einlegetechnik, die zum Teil sehr unterschiedlich aufgebaut sein können – zum Beispiel als Etagen-, Drehteller oder Umsetzungswerkzeug. Zimmermann hält den Rekord bei der Herstellung des größten Spritzgießwerkzeugs der Welt, mit dem einst die gelben Telefonzellen produziert wurden. Der Werkzeugbauer versteht sich als Full-Service-Anbieter und deckt von der Anlieferung vom CAD-Modell des Kunststoffteils bis hin zu seinem Serienstart die gesamte Wertschöpfungskette ab.
Technik im Detail
Trochoidalfräsen
Bei einem weiteren gemeinsamen Optimierungsprojekt von Zimmermann und MMC Hitachi Tool wollte Sören Leinweber endlich ein Thema angehen, das ihm quasi unter den Nägeln brannte und bei dem sowohl dem CAM-System als auch dem Werkzeug eine wichtige Rolle zukommt: das Trochoidalfräsen. Dieses hat sich mit der neuen Schrupp- und Schlicht-Strategie Waveform, über die Work NC seit letztem Jahr verfügt, stark verbessert. Bei dem Werkstück handelte es sich um einen kleinen Schieber (etwa 230 mm x 115 mm x 115 mm) aus dem Kunststoffformenstahl 1.2312 (40CrMnMoS8-6), der in vergütetem Zustand (Zugfestigkeit 950 bis 1100 N/mm2) auf einer 5-achsigen DMC 75 V linear bisher mit Z-konstant weich geschruppt und geschlichtet wurde. Neben der komplexen Geometrie gehörte zu den Vorgaben eine möglichst kurze Bearbeitungszeit. Für das Schruppen wurde deshalb mit dem EPSM ein VHM-Fräser (Vollhartmetall) ausgewählt, der sich aufgrund seiner Geometrie sehr gut für das trochodiale Fräsen einsetzen lässt. Mit dem EPSM wurde ein stabiler Prozess mit einem sehr weichen Schnitt und relativ wenig Kräften auf das Werkstück erzielt. Letzteres war extrem wichtig, da aufgrund der komplexen Geometrie der Schieber sehr schwierig zu spannen war. Gegenüber dem normalen Wendeplattenfräsen gab es zudem deutlich weniger Schwingungen.