Schon kurze Zeit nach der Markteinführung der TPE-Materialien, Mitte der 80iger Jahre, war es der erklärte Wunsch, die hervorragenden Eigenschaften von Gummi mit den Vorzügen der Thermoplastischen Elastomere zu verbinden. Die Verarbeiter von TPE schätzten zwar die neu gewonnenen Vorteile hinsichtlich der thermoplastischen Verarbeitbarkeit und die damit verbundene kürzere Zykluszeit, die deutlich größere Freiheit in Bezug auf das Bauteildesign und die Möglichkeiten des 2-Komponenten-Spritzgießens – materialtechnisch anspruchsvolle Anwendungen blieben ihnen jedoch weiterhin verschlossen. Der Bedarf an einer universellen Materiallösung auf TPE-Basis war groß und wurde im Laufe der Zeit größer.
Bedingt durch ihre chemische Zusammensetzung waren thermoplastische Copolyester Elastomere (TPC) oder thermoplastische Polyamid Elastomere (TPA) relativ früh im Fokus der Entwicklungen. Diese sollten den hohen Ansprüchen hinsichtlich Öl-, Fett- und Kraftstoffbeständigkeit bei gleichzeitig hoher Temperaturstabilität genügen. Es wurden zahlreiche Ansätze im Bereich von Shore D Reaktor-TPE wie TPC und TPA verfolgt, diese konnten jedoch nicht mit der Elastizität und Weichheit von Gummi konkurrieren.
Weiche, im Shore A Bereich angesiedelte TPE, wie TPS, TPO oder EPDM/PP (TPV), weisen hingegen eine maximale Dauereinsatztemperatur von 125 °C bei mäßiger oder keiner Beständigkeit gegenüber Ölen, Fetten und Kraftstoffen auf.
Vor über zehn Jahren führte das zu einem regelrechten Boom an Entwicklungen in dem technologisch noch zu besetzenden Feld mit hohen Anforderungen an die Temperatur- und Medienbeständigkeit im Bereich von Shore A. Zahlreiche sogenannte Super-TPE bzw. Super-TPV kamen auf den Markt und verschwanden nach und nach wieder.
Erfolgreiche Vertreter dieser TPE-Klassen sind zum Beispiel auf Acrylat-Kautschuk basierte Super-TPV. Auch Kraiburg TPE hat weiche TPE-Compounds unter dem Namen Hipex entwickelt, die in Getrieben und Schmierkreisläufen von Automobilen eingesetzt werden.
Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb sich diese Entwicklungen wenig im Markt etablieren konnten. Auffällig ist jedoch, dass diese Thermoplastischen Elastomere sich auf jeweils nur eine und somit relativ starre Rohstoffbasis beziehen. Immer wieder wurde versucht, mit einer TPE-Klasse und ihrer speziellen Rohstoffbasis möglichst viele Anwendungsfälle zu bedienen. Der gewünschte Erfolg einer „Universallösung“ blieb aus.
Bei Betrachtung der Kautschuk- und Gummimischungen fällt auf, dass es eine breitgefächerte Rohstoffbasis gibt, welche die unterschiedlichen Applikationen mit unterschiedlichen Ansprüchen an Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit bedient. Dazu zählen unter anderem NBR, H-NBR, EVM, AEM, ACM, ECO, CR, SBR, IIR, BR, EPDM, VMQ, die repräsentativ für entsprechend daraus gefertigte Gummicompounds stehen. Die Applikationen und deren Materialanforderungen in den angegebenen Temperatur- und Beständigkeitsbereichen sind derart unterschiedlich, dass starre Materialantworten nur einen Bruchteil der Anwendungen erschließen würden. Der Erfolg der Gummimischungen liegt im individuellen Compounding, welches sich der Vielzahl an Elastomeren bedient. Es ist daher naheliegend, dass dies auch für neuartige TPE-Materialien gilt. Das Konzept, vielfältige technische Anwendungen mit einer TPE-Universallösung zu ersetzen, musste folglich scheitern.
Wie in der Vergangenheit gibt es für TPE-Materialien auch heute noch Hürden, die einem breitgefächerten Einsatz entgegenstehen. Gummimaterialien haben seit Jahrzehnten einen angestammten Platz in anspruchsvollen Anwendungen. Dabei spielt die Beständigkeit bezüglich Temperatur und Chemikalien eine zentrale Rolle. Hinzu kommt, dass sich der Maschinenpark der Gummiverarbeitung grundlegend von dem der thermoplastischen Verarbeitung unterscheidet. Selbst wenn die technische Performance von TPE genügt, werden Kautschuk-Compounds nur zögerlich durch TPE-Compounds ersetzt werden.
Ausgangssituation für die Entwicklung der neuen Technologieplattform und der Thermoplastischen Elastomer Hybride
Es zeichnete sich bei Kraiburg TPE ab, dass das bisherige Konzept der Universallösung überdacht werden musste. Mit dem Gummiwerk Kraiburg hat Kraiburg TPE einen kompetenten Partner in Sachen Kautschuktechnologie und deren Anwendungsfelder an der Seite.
Die Welt des Kautschuks und die Vielfalt ihrer verwendeten Elastomere eröffnet ganz neue Horizonte für mögliche TPE-Materialien. Interessant ist, dass unterschiedliche Kautschukmischungen nahezu alle mit derselben Technologie hergestellt werden. Trotz chemischer Unterschiede der verwendeten Elastomere und deren Vernetzungschemie liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Flexibilität des Herstellverfahrens. Das Ziel von Kraiburg TPE war es, eine Kombination aus flexibler Herstelltechnologie mit einer großen Vielfalt an Rohstoffen zu erzielen.
Application engineered TEH
Nach intensiver Forschung und Prozessentwicklung ist es gelungen, eine Technologieplattform zu realisieren, die es erlaubt, eine Vielzahl von Thermoplast-Elastomer-Kombinationen in kurzer Zeit zu erproben. Bedurfte es für die ersten Entwicklungen noch Monate, kann heute innerhalb weniger Versuchszyklen und nach wenigen Wochen der Prüfung eine Aussage über die Eignung einer neuen Rohstoffkombination getroffen werden. Die jeweilige Anwendung mit ihrem spezifischen und technischen Anforderungsprofil bestimmt dabei die Wahl der Rohstoffkombination aus passendem Thermoplast und Elastomer.
In den vergangenen Jahren wurden bei Kraiburg TPE unterschiedliche Thermoplaste, wie PP, PE, EVA, PA, PBT sowie modifizierte Thermoplaste aber auch Thermoplastische Elastomere, wie TPE, TPC, TPA, TPU als Thermoplast-Phase getestet. Als Elastomere kamen unter anderem NBR, H-NBR, EVM, AEM, ACM, SBR, IIR, BR, NR, EPDM und VMQ zum Einsatz.
Essentiell bei der Auswahl der Elastomere war die Verfügbarkeit der eingesetzten Rohstoffe. Der Übertrag in den Produktionsmaßstab wurde für ausgewählte TEH-Compounds erfolgreich absolviert, sowie Patente zu den Thermoplastischen Elastomer Hybriden und deren Herstelltechnologie bereits veröffentlicht.
Mit der Technologieplattform ist es Kraiburg TPE gelungen, das Eigenschaftsprofil von weichen, TPE-Compounds unter 80 Shore A deutlich zu erweitern. Kunden profitieren durch dieses Herstellverfahren von völlig neuen, anwendungsspezifischen Materiallösungen. In Anwendungen, bei denen klassische TPE an ihre Grenzen stoßen und bisher Gummimaterialien bevorzugt wurden, können künftig Thermoplastische Elastomer Hybride eingesetzt werden. Gleichzeitig bietet die thermoplastische Verarbeitung Designfreiheit, kurze Zykluszeiten und vielfältige Möglichkeiten des 2-Komponenten-Spritzgießens. Hinzu kommt der inhärente Vorteil von thermoplastisch verarbeitbaren Materialien gegenüber Gummi: wie herkömmliche TPE sind TEH recyclingfähig.
Thermoplastische Elastomer Hybride können wie Thermoplaste verarbeitet werden. Im Kontakt mit verschiedenen Medien sind die TEH den Gummimischungen ebenbürtig. Haftungsoptimierte TEH-Compounds, die im 2-K-Spritzguss verarbeitet werden, erübrigen das aufwendige Montieren separat gefertigter Gummiteile und vermeiden damit verbundene Fehlerquellen.
Ausgewählte Vergleiche zwischen Gummi und TEH
Zunächst wurden die mechanischen Kennwerte zweier TEH-Compounds verglichen. Eines war für die Haftung auf Polypropylen (TEH (PP)) und das andere für die Haftung auf Polyamid (TEH (PA)) entwickelt worden. Die Prüfungen wurden für Dauerbelastungen bei Temperaturen bis zu 120 °C ausgelegt, wie sie beispielsweise im Getriebe von Automobilen von Interesse sind. Hervorzuheben sind die sehr niedrigen Druckverformungsreste der TPE.
Weiterhin wurde das technische Potential dieser TEH-Compounds mit einem NBR basierten Gummi verglichen. Der Quellversuch ergab eine deutliche Volumen-Abnahme des NBR-basierten Gummicompounds. Dies kann ein Problem bei Dichtungsanwendungen darstellen. Beide TEH zeigen hingegen eine sehr geringe Volumenänderung, auch unter extremen Bedingungen von drei Wochen bei 120 °C in IRM901 Öl.
Ein ähnlicher Trend zeigt sich in den Ergebnissen des Zugverhaltens bei Heißluftlagerung von sechs Wochen bei 120 °C. Das Verhalten der Produkte in oxidativer Umgebung bei 120 °C zeigt deutliche Unterschiede der Leistung von TEH gegenüber NBR-basiertem Gummi. So ist bereits nach drei Wochen die Lebensdauer des NBR-Gummicompounds überschritten, wohingegen die TEH über die Messdauer von sechs Wochen nahezu konstant in ihrer Zugfestigkeit bleiben.
Für die Auswahl von Dichtungsmaterialien stellt die Messung der Druckspannungsrelaxation eine praxisnahe Prüfung dar. Sie liefert aussagekräftigere Ergebnisse als der Druckverformungsrest. Die Druckspannungsrelaxation bei 120 °C Heißluft für drei Wochen führt lediglich zu einem Spannungsabfall von 39 % des TEH (PP). Der Druckverformungsrest nach dieser Zeit und Temperatur beträgt lediglich 58 %.
Die Druck-Spannungs-Relaxation des TEH (PA) in einem Getriebeöl (Fuchs Titan EG5252529) bei 100 °C nach drei Wochen verdeutlicht das hohe Leistungsniveau der TEH. Interessant ist der leichte Spannungsanstieg zu Beginn der Messung, wo sich zwei Effekte überlagern: Die Quellung in Getriebeöl und der Spannungsabbau, der zu Beginn der Messung noch stark ist.
Die Materialien sind gut für den Einsatz in permanentem Kontakt mit paraffinischen Ölen geeignet. Bei Spitzentemperaturen von 120 °C zeigt sich eine bessere Beständigkeit als bei einem vergleichbaren NBR-basierten Gummicompound.
Gleiches gilt für die Lagerung bei 140 °C in aromatischem Öl IRM903 über 3 Wochen. Es wurde ein TEH mit einem H-NBR-basierten Gummi verglichen.
Fazit
Mit den neuen Thermoplastischen Elastomer Hybriden kann Kraiburg TPE die Leistungsunterschiede zwischen TPE und Gummi weiter verringern. Die neue Technologieplattform erlaubt es, eine Vielzahl von „application-engineered“ Materiallösungen bereitzustellen, deren Modifikationsvielfalt mit der von TPE oder Gummicompounds vergleichbar ist.
Patente:
1.: DE102015007200A1; WO2016188517A1; EP3303471A1;
2.: DE102016103822A1; EP3214119A1; US2017253732A1; JP2017155235A; CN107151356A
3.: DE102016103823A1; EP3214120A1; US2017253731A1; JP2017155234A; CN107151354A