Das Temperieren von Werkzeug und Hydraulik ist zwar ein wichtiger Aufgabenbereich im Spritzgießprozess und auch bei anderen Verfahren der Kunststoffverarbeitung. Aber normalerweise steht die Kältetechnik nicht im Fokus der Aufmerksamkeit: Solange die Kälteanlage stabil läuft und – ganz wichtig – energieeffizient arbeitet, ist der Betreiber zufrieden.
Jetzt gibt es aber für jeden Kunststoffverarbeiter, der eine Kälteanlage betreibt, gute Gründe, sich mit dem Thema Kälteerzeugung zu befassen. Denn zum 1. Januar 2015 ist die EU-Verordnung 517/2014 in Kraft getreten und Betreiber müssen reagieren.
Phase-down von marktüblichen Kältemitteln
Die Verordnung ist auch als F-Gase-Verordnung bekannt oder eben noch nicht sehr bekannt, weil viele Betriebe, die Kälteanlagen einsetzen, die Inhalte dieser Verordnung noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Mit der F-Gase-Verordnung verfolgt die Europäische Union das Ziel, das Inverkehrbringen und den Gebrauch von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (H-FKW) schrittweise deutlich zu reduzieren. In diese Stoffklasse gehören zahlreiche marktübliche Kältemittel wie R 134A, R 404A, R 407A/B/C,
R 410A und R 422D.
Hintergrund dieses „Phase-down“ ist das Umweltschutzziel, das Tempo der Erderwärmung zu vermindern. Deshalb teilt die F-Gase-Verordnung die H-FKW-Kältemittel in verschiedene Klassen ein. Kältemittel mit einem GWP (Global Warming Potential; Treibhauspotenzial) von über 2.500 dürfen ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr als Frischware nachgefüllt werden, sofern die Füllmenge größer als 40 t CO2-Äquivalent ist.
R 404A & Co. – Frischware ab 2020 nicht mehr verfügbar
Dies gilt für gebräuchliche Kältemittel wie R 404A und bedeutet zum Beispiel, dass eine entsprechende Anlage ab 10,2 kg Füllmenge dann nur noch mit aufgearbeitetem oder recyceltem Kältemittel befüllt werden darf. Erfahrungsgemäß sind diese Kältemittel dann nur eingeschränkt (und zu hohen Kosten) verfügbar.
Für Kältemittel mit einem GWP über 750 – dazu gehören unter anderem die marktüblichen Kältemittel R 134A und R 407A – gelten ähnliche Regelungen, die um zwei Jahre zeitversetzt, also ab dem Jahr 2022, wirksam werden.
Erst FCKW-Verbot, nun FKW
Der Abbau der Ozonschicht zwang die Behörden schon vor Jahren zum Handeln. Zuerst wurde die Verwendung von vollhalogenierten FCKW-Kältemitteln wie R 12 und R 11 verboten. Aktuell ist laut Verordnung (EG) 1005/2009 ab dem 1. Januar 2015 ein Verwendungsverbot für alle teilhalogenierten ozonabbauenden Kältemittel (H-FCKW) in Kraft, das auch für aufgearbeitete Kältemittel gilt. Davon sind unter anderem R 22 sowie
R 22-Blends betroffen.
Dieses Verbot – darauf weist das Umweltbundesamt ausdrücklich hin – betrifft alle Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten, bei denen in den Kältekreislauf eingegriffen werden muss. Zum Beispiel sind bei diesen Anlagen keine Reparaturen von Undichtigkeiten mehr zulässig. Inzwischen greifen diese Regelungen, und bei den Kältemitteln wurde der ODP (Ozone Depletion Potential; Ozonabbaupotenzial) als Maßzahl für die Umweltgefährdung durch den GWP abgelöst. Ausschlaggebend ist somit nun der Effekt, den das Kältemittel auf die Erd-erwärmung hat.
Kältetechnik leistet überproportionalen Beitrag
Es ist sicher nicht eindeutig, warum die Kältetechnik so gravierende technische Veränderungen vollziehen muss. Trägt doch die Verwendung der H-FHWs im Vergleich zu anderen Emittenten nur einen verschwindend geringen Anteil zur Erderwärmung bei. Fakt ist, dass die F-Gase-Verordnung in den kommenden Jahren Auswirkungen auf die Kältetechnik in kunststoffverarbeitenden Betrieben haben wird. Deshalb ist jeder Betrieb gut beraten, sich schon jetzt Gedanken darüber zu machen, welche Kältemittel im Einsatz sind und wie der betriebliche Phase-out von umweltschädigenden hin zu zukunftsfähigen Kältemitteln vollzogen wird.
Die Alternativen: Natürliche Kältemittel
Die Kernfragen dabei lauten: Welche Alternativen stehen zur Verfügung? Was sind die Kältemittel der Zukunft? Diese Fragen lassen sich zufriedenstellend beantworten, denn es gibt gleich mehrere natürliche Kältemittel mit einem extrem geringen GWP, die bereits erprobt und bewährt sind. Zur Auswahl stehen unter anderem die natürlichen Kältemittel Ammoniak, Propan, CO2 und Methan. Sie haben einen sehr geringen GWP-Wert (Ammoniak = 0, Propan = 3) und einen ODP-Wert von Null und fördern somit weder den Treibhauseffekt noch die Zerstörung der Ozonschicht.
Für alle drei Kältemittel stehen geeignete Komponenten und Baugruppen wie Flüssigkeitskühler, Kompressoren und Pumpen zur Verfügung, sodass sich State-of-the-art-Kälteanlagen bauen lassen, die alle Anforderungen des Kunststoffverarbeiters und auch der F-Gase-Verordnung erfüllen. Die verwendeten alternativen Kältemittel sind weltweit zu niedrigen Kosten verfügbar, und die Technologie ist auch nicht neu. Im Gegenteil: Die ersten industriellen Kälteanlagen, die ab 1876 von dem Unternehmen Lindes Eismaschinen entwickelt wurden, nutzten bereits Ammoniak als Kältemittel.
Wie sollte ein Kunststoff verarbeitender Betrieb nun auf die F-Gase-Verordnung reagieren?
Empfehlungen für Kunststoffverarbeiter
Aus Sicht von L&R lassen sich folgende Empfehlungen geben. Wenn größere Reparaturen oder Umbauten anstehen oder wenn die Neuanschaffung einer Kälteanlage geplant ist, sollte der Anwender bedenken, dass die Anlage noch über 2020 hinaus in Betrieb sein wird und die Gebrauchsdauer der bisher marktüblichen Kältemittel begrenzt ist. Es stehen jedoch Alternativen zur Verfügung, denn L&R und auch andere renommierte Kälteanlagenhersteller haben umfangreiche Erfahrungen in der Projektierung von Anlagen mit diesen alternativen Kältemitteln.
Potenziale zur Energieeinsparung nutzen
Welches der drei Kältemittel das am besten geeignete ist, hängt auch von den Umgebungsbedingungen ab. Generell gilt der Ratschlag, dass der Kunststoffverarbeiter bei der Investition in neue Kältetechnik unabhängig vom Kältemittel alle Möglichkeiten der Energieeinsparung nutzen sollte. Hier gibt es große Unterschiede und viel Potenzial. Die Energiesparmaßnahmen (wie zum Beispiel Winterentlastung/Freikühler und gleitende Kondensationstemperaturregelung) erfordern zwar Mehrkosten, die sich aber aufgrund der Einspareffekte quasi selbst bezahlen – oft in weniger als einem Jahr.
Diese Maßnahmen sind zugleich auch ein Beitrag zum Umweltschutz und zum Senken der Betriebskosten. Gerade in der Kunststoffverarbeitung gilt auch noch ein drittes Argument: Eine moderne, optimal geregelte Kälteanlage ermöglicht präzisere Temperaturverläufe und eine schnellere Kühlung nach dem Spritzgießprozess. Auf diese Weise kann der Kunststoffverarbeiter die Qualität der Produkte erhöhen und die Taktzeit verkürzen – daraus ergeben sich in der Praxis noch größere Einspareffekte als durch die Reduzierung der Energiekosten.
Fakuma 2015
Halle A5, Stand 5308