September 2010

Mikrostrukturierte Oberflächen können sowohl durch eine direkte Strukturierung der Bauteile als auch durch die Abformung eines Werkzeugs erzielt werden, in das die Negativform der Strukturen eingearbeitet ist. Letzteres bietet sich besonders bei der Herstellung von Kunststoffbauteilen an, um kurze Zykluszeiten und geringe Produktionskosten sicherzustellen. Im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ werden an der RWTH Aachen Produktionsprozesse entwickelt, die alle notwendigen Schritte zur Herstellung mikrostrukturierter Kunststoffbauteile durch Extrusions- und Spritzgießprozesse umfassen. Die Produktionsprozesse beginnen mit der Herstellung mikrostrukturierter Prägewalzen und Spritzgießwerkzeuge. Sie gehen weiter mit der Entwicklung von Beschichtungen zum Schutz der Werkzeuge und zur Verbesserung der Entformung; diese Beschichtungen werden mittels Plasmatechnologie abgeschieden. Die Prozesse enden dann mit der Weiterentwicklung variothermer Abformprozesse durch Extru-sionsprägen und Spritzgießen. Ziel ist es, Kunststoffbauteile mit beispielsweise superhydrophoben Oberflächen zu erzeugen, die für schmutzabweisende Oberflächen verwendet werden können.

Wie können mikrostrukturierte Werkzeugoberflächen hergestellt werden?

Zur Herstellung eines laserstrukturierten und beschichteten Werkzeugs, das in Spritzgieß- oder Extrusionsprozessen eingesetzt werden soll, gibt es zwei unterschiedliche Ansätze:

  • Einerseits kann man zuerst die gewünschten Strukturen direkt in die Werkzeugoberfläche einarbeiten. Auf diese wird anschließend eine Beschichtung in einem Plasmaprozess mit der Magnetron Sputter Ion Plating (MSIP) Physical Vapour Deposition (PVD) Technologie appliziert. Problematisch bei dieser Herangehensweise ist bei kleinen Strukturen (kleiner als fünf Mikrometer), dass trotz der abbildenden Eigenschaft einer PVD-Beschichtung diese Strukturen teilweise oder vollständig durch die Beschichtung verändert werden.
  • Andererseits ist es möglich, solche kleinen Strukturen direkt in die Werkzeugbeschichtung einzuarbeiten. Im Gegensatz zur ersten Variante besteht hier eine Einschränkung bei der Tiefe der Strukturen. Da die Schicht zur Erhaltung der Eigenschaften nicht komplett durchdrungen werden darf, ist die Strukturtiefe, abhängig von der Schichtdicke, auf einige Mikrometer beschränkt.

 

Im Folgenden wird der letzte Ansatz, Oberflächenstrukturen kleiner als fünf Mikrometer direkt in die Werkzeugbeschichtung einzuarbeiten, näher betrachtet. Zur Strukturierung werden vom Institut für Oberflächentechnik (IOT) auf einem X43Cr13 (1.2083) Kaltarbeitsstahl beispielsweise eine (Cr0.66Al0.32Si0.02)N PVD-Beschichtung mittels gepulster MSIP-Technologie in einer industriellen Beschichtungsanlage CC800/9 des Herstellers Cemecon aus Würselen abgeschieden. Cr-Basisschichten zeichnen sich allgemein durch ihre Korrosionsbeständigkeit und ihre geringe Affinität zu einer Vielzahl von Kunststoffen aus; allerdings muss man beachten, dass die Schichtzusammensetzung je nach dem zu verarbeitendem Kunststoff variiert werden muss.

Die Strukturierung wird am Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) mit einem ps-UV-Laser (Typ Rapid von Lumera Laser, Kaiserslautern) bei einer Wellenlänge von 355Nanometern durchgeführt. Zur schnelleren strukturierenden Bearbeitung wird ein Scannersystem verwendet, mit dem Schreibgeschwindigkeiten von mehreren Metern pro Sekunde erreicht werden können. Dank der integrierten Pockels-Zelle ist es bei dem verwendeten Laser möglich, definierte Pulspakete mit einer Pulsdauer von 12Picosekunden und Pulsabständen von 20Nanosekunden zu erzeugen (Bild2). Neben der Anzahl der Pulse pro Pulspaket werden auch die Anzahl der Überfahrten, die Geschwindigkeit des Scannersystems und die Laserleistung variiert.
Mit Hilfe dieses Aufbaus wird die (Cr0.66Al0.32Si0.02)N Schicht strukturiert und es werden beispielsweise Linienstrukturen mit einer Breite von 5,2Mikrometern und einer Tiefe von 4,9Mikrometern erzeugt (Bild3). Die Strukturen können dabei rissfrei erzeugt werden, so dass die Funktionalität der Beschichtung bezüglich Verschleißfestigkeit und geringer Kunststoffaffinität erhalten bleibt.

Variotherme Temperaturführung für hohe Abformungsqualität notwendig

Die Abformung derart kleiner Strukturen durch eine Kunststoffschmelze stellt hohe Anforderungen an die Prozesstechnik, insbesondere an die Temperaturführung. Sowohl im Extrusionsprägeprozess (bei dem ein Schmelzefilm durch eine mikrostrukturierte Präge/Kühlwalze ausgeformt wird) als auch im Spritzgießprozess (mit einer mikrostrukturierten Kavität) wird die niedrigviskose, heiße Kunststoffschmelze durch ein deutlich kälteres Werkzeug ausgeformt und erhält die angestrebte Oberflächenstruktur. Kühlt die Oberflächenschicht der Kunststoffschmelze bei Kontakt mit dem Werkzeug jedoch zu schnell ab, so können die Mikrostrukturen nicht mehr vollständig abgeformt werden und die Funktionalität der Oberfläche wird nicht mehr erreicht.

Abhilfe für dieses Problem kann nur eine variotherme Prozessführung schaffen. Die variotherme Walzentemperierung für den Extrusionsprägeprozess sorgt für eine hohe Oberflächentemperatur vor und im Prägespalt. Dadurch beginnt der Schmelzefilm, der auf der Prägewalze abgelegt wird, erst nach Durchlaufen des Prägespalts zu erstarren (Bild4). Im Spritzgießprozess sorgt die variotherme Werkzeugtemperierung für eine zeitliche Veränderung der Oberflächentemperatur, um lokal die Erstarrung des Kunststoffs zu verzögern.

Externe Zusatzheizung zur internen Werkzeugtemperierung erforderlich

Am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen werden zwei variotherme Temperiersysteme entwickelt und erprobt, bei denen eine konventionelle, interne Flüssigtemperierung mit einer externen Zusatzheizung kombiniert wird. Über die interne Temperierung wird das Grundtemperaturniveau des Werkzeugs geregelt, über die externe Temperierung wird die Temperatur der Werkzeugoberfläche lokal und zeitlich definiert stark erhöht. Die Zusatzheizung wird dabei möglichst nah vor dem Prägespalt positioniert, um im Prägespalt eine möglichst große Temperaturerhöhung ýTeffektiv zu erzielen.

Als externe Zusatzheizung wird zum einen eine induktive Heizung, zum anderen eine laserbasierte Heizung eingesetzt. Die induktive Heizung erzeugt in einem oberflächennahen Werkzeugbereich Wirbelströme, die zu einer Erwärmung des Metalls führen. Die Wärme muss daher nicht in das Werkzeug übertragen werden, sondern entsteht direkt dort, wo die höhere Temperatur benötigt wird. Entscheidend für den Wirkungsgrad der Heizung sind die elektrischen Eigenschaften des Werkzeugmaterials. Die laserbasierte Temperierung hingegen überträgt die Heizleistung durch Strahlungsabsorption auf die Werkzeugoberfläche. Der Wirkungsgrad wird hier hauptsächlich durch den Absorptionsgrad der Werkzeugoberfläche beeinflusst.
Mit Hilfe der variothermen Walzentemperierung können bei der Extrusion Temperaturunterschiede von mehr als 70Kelvin über dem Walzenumfang erzielt und die Abformungsqualität deutlich gesteigert werden (Bild5).

Zusatzheizungen für Spritzgießprozesse müssen instantan regelbar sein

Entgegen dem Extrusionsprozess handelt es sich beim Spritzgießen um einen diskontinuierlichen Prozess. Eine sinnvolle Charakterisierung der Zusatzheizsysteme kann hier über den Temperaturgradienten vorgenommen werden, der auf der Kavitätsoberfläche erzielt wird. Mit der Anlage zur externen induktiven Erwärmung können maximale Temperaturgradienten von bis zu 60 Kelvin pro Sekunde erzielt werden. Mittels der laserbasierten Zusatzheizung kann dagegen ein um den Faktor 5 höherer Temperaturgradient von bis zu 300Kelvin pro Sekunde erreicht werden. Eine Nutzung dieser Zusatzheizsysteme ohne Temperaturregelung ist im diskontinuierlichen Erwärmungsprozess nur bedingt möglich. Eine Beschädigung der Kavität durch Überhitzung wäre unvermeidbar. Aus diesem Grunde sind beide Systeme mit instantanen Temperaturmess- und Regelsystemen ausgestattet, basierend auf berührungslos messenden Pyrometern. Dies ermöglicht eine Benutzung der Systeme im Vollautomatik-Modus der Spritzgießmaschine, wodurch eine absolut reproduzierbare Versuchsdurchführung möglich ist. Bild6 zeigt die Anwendung der variothermen Temperierung mit laserbasierter Zusatzheizung bei der Abformung eines mikrostrukturierten Formeinsatzes.

Die vorgestellten Arbeiten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ finanziell gefördert. Der Exzellenzcluster will produktionstechnische Beiträge liefern, um arbeitsmarktrelevante industrielle Produktionen in Hochlohnländern zu schaffen beziehungsweise zu erhalten.

Neue Technologien
Superhydrophobe Kunststoffoberflächen im Ur- und Umformprozess

Durch Mikrostrukturen auf der Oberfläche können Kunststoffbauteile gezielt funktionalisiert werden. Ziel der vorgestellten Untersuchungen am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) ist, superhydrophobe Oberflächen herzustellen, die sich leicht reinigen lassen. Die Oberflächenstruktur wird dabei nicht nachträglich auf dem fertigen Bauteil erzeugt sondern durch integrierte massenproduktionstaugliche Verfahren direkt im Ur- und Umformprozess. Zur Verbesserung der Entformung der Kunststoffbauteile werden Beschichtungen für die Werkzeugoberflächen entwickelt, die laserstrukturierbar sind und die Anhaftung der Kunststoffschmelze reduzieren. Durch eine angepasste thermische Prozessführung mittels variothermer Werkzeug-Temperierverfahren einschließlich externer Zusatzheizungen wird zudem die Abformgenauigkeit deutlich erhöht.

 

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Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

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