Mit Blick auf die endliche Ressource Erdöl verändert sich die Welt der Kunststoffe. Viele Unternehmen gestalten ihre Produkte und Prozesse effizienter, sparen Material, Zeit und Energie in der Produktion. Ganz im Fahrwasser der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus entwickeln Industrie und Wissenschaft neue Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen, um dem Ressourcenproblem zu begegnen. „Nachhaltiges Wirtschaften und Recyceln von Wertstoffen reicht heute nicht mehr aus“, meint dazu der Chemiker und Verfahrenstechniker Professor Michael Braungart, Gründer des unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstituts Epea Internationale Umweltforschung, Hamburg.
Abfall wird Nahrung
„Ein Produkt sollte so gestaltet sein, dass es in den biologischen Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann“, so Braungart weiter. Seit rund 30 Jahren erforscht er weltweit, wie natürliche Systeme funktionieren. Sein Konzept „Von der Wiege zur Wiege“ oder englisch „Cradle to Cradle“ ist eine grundlegend neue Herangehensweise zur Herstellung ökologisch intelligenter Produkte, die zu einer umfassenden Produktqualität führt und eine nahezu vollständige Rückgewinnung aller Inhaltsstoffe ermöglicht – anstatt diese als Abfall zu deponieren, zu verbrennen oder geringwertiger zu recyceln. Dabei stellt er heraus, dass es keine generellen Vor- oder Nachteile fossiler oder nachwachsender Rohstoffe gibt. Bei jeder einzelnen Anwendung spielen Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und soziale Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus eine wichtige Rolle. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen können in vielen Fällen bereits Produkte aus Erdöl basierten Kunststoffen ersetzen.
Nachwachsend und kompostierbar
Die steigende Nachfrage fordert die Wissenschaft heraus: zukünftig könnten weitere pflanzliche Rohstoffe, beispielsweise Biomasse aus Abfällen, Abwässern oder Algen, nutzbar sein, um die Kohlenstoff-Polymere zu gewinnen. Die erste Generation der Bio-Kunststoffe stammt größtenteils aus Stärkeprodukten wie Mais und Kartoffeln.
Der Rohstoff PLA (Polylactidacid oder Polymilchsäure) gehört zu den bekanntesten Biopolymeren, das mittels Fermentation aus Pflanzenstärke gewonnen wird. Das Unternehmen Danone, Paris, bewirbt einen Jogurtbecher aus PLA. Dieses Verpackungsprodukt steht jedoch in der Kritik, über den kompletten Lebenszyklus nicht ökologisch wertvoller zu sein, als sein herkömmliches Pendant. Grundsätzlich ist PLA kompostierbar. Der französische Herstellers fordert den Verbraucher dazu auf, den Becher dem Recycling zuzuführen. Jedoch fehlt hierzu die notwendige Masse an PLA-Abfällen am Markt – der Bio-Becher verpufft daher in der Restmüllverbrennung.
Plastiktüte für den Kompost
Eine Lösung für die Entsorgung von organischem Küchenabfall hat die BASF, Ludwigshafen, entwickelt. Ein kompostierbarer Müllbeutel aus dem Kunststoff Ecovio FS soll sich in industriellen Kompostieranlagen innerhalb von vier Wochen biologisch abbauen.
In mehreren Pilotprojekten in Deutschland, Kanada und Australien hat das Chemieunternehmen das Verhalten des Kunststoffs in Kompostieranlagen getestet. „Beide Bestandteile von Ecovio, das teilweise erdölbasierte Ecoflex und die Polymilchsäure aus Maisstärke, sind biologisch abbaubar“, sagt Professor Andreas Künkel, Forschungsleiter für Biopolymere bei der BASF. „Für die Bioabbaubarkeit ist nicht wichtig, ob ein Material aus pflanzlichen Rohstoffen oder aus Erdöl hergestellt wird. Entscheidend ist allein der Aufbau der Moleküle. Da das synthetische Polymer gezielt auf Bioabbaubarkeit hin optimiert wurde, können die Mikroorganismen es problemlos verdauen.“ In einer industriellen Kompostieranlage mit kontrollierten Bedingungen – hohe Temperatur und Feuchtigkeit, definierter Sauerstoffgehalt – zersetzen Mikroorganismen das Material zusammen mit dem Bioabfall zu Wasser, Kohlendioxid und Biomasse.
Müll- oder auch Einkaufstüten sind nicht die einzige Anwendung des neuen Biokunststoffs: Eine dünne Folie aus dem Material kann als Beschichtung in Papierbechern diese gegenüber Flüssigkeiten dicht halten. Auch diese Produkte lassen sich kompostieren. Dasselbe gilt für mit der Folie ummantelte Getränkegebinde.
Einmal geputzt, nie mehr benutzt
Ein serienreifes Fertigungsverfahren für eine Einweg-Zahnbürste auf Basis nachwachsender Rohstoffe hat der Werkzeugbauer Zahoransky Formen und Werkzeugbau, Rothenkirchen, in Kooperation mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau entwickelt. Dazu arbeiteten die Entwickler Altpapierfasern in eine Matrix aus einem Biopolymer, wie PLA oder PHB (Polyhydroxybuttersäure), ein. Aus dem Werkstoff kann dann beispielsweise im Spritzguss die „Zahnbürste aus Karton“ für den Hotel- und Luftfahrtbereich entstehen.Bioabbaubare Kunststoffe werden weltweit immer stärker nachgefragt. Experten schätzen, dass der Markt jährlich um mehr als 20 Prozent wächst. Jedoch sollten auch diese neuen Rohstoffe ökologisch vorteilhaft sein. Energieaufwändige Verfahren bei der Verarbeitung kehren den ökologischen Effekt leicht um.
Hintergrund – Biokunststoffe
Unter dem Begriff „Biokunststoffe“ werden zwei verschiedene Gruppen von Rohstoffen zusammengefasst, die „biobasierten“ und die „biologisch abbaubaren“ Kunststoffe. Biobasiert heißen Materialien, die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Dazu gehören beispielsweise Polymilchsäure, Polyhydroxyfettsäuren, Stärke, Cellulose, Chitin oder Gelatine. Biobasierte Kunststoffe können biologisch abbaubar sein – sind es aber nicht immer. Zu den biobasierten, aber nicht bioabbaubaren Kunststoffen zählen naturfaserverstärkte Kunststoffe und Verbundwerkstoffe aus Holz und Kunststoff. Biologisch abbaubare Kunststoffe müssen nicht aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, sondern können auch erdölbasiert sein. Denn die biologische Abbaubarkeit hängt nicht vom Ausgangsmaterial ab, sondern allein von der chemischen Struktur des Kunststoffs.
Erhöhte Marktchancen – Effektiver Werkstoff
Biologisch abbaubare Kunststoffe sind nicht generell umweltfreundlicher als andere. Aber sie sind für bestimmte Anwendungen die beste Lösung – zum Beispiel für unterpflügbare Agrarfolien, kompostierbare Lebensmittelverpackungen oder Tragetaschen. Seit zwei Jahren setzt der Discounter Aldi Süd solche Tüten ein, die sich nach mehrmaligem Gebrauch als Tragetasche anschließend noch als Biomüllbeutel verwenden lassen.