Simulation der Intralogistik eines Unternehmens. Mit einem digitalen Zwilling kann die Intralogistik eines Unternehmens im Planungsprozess und im Betrieb simuliert werden.

Mit einem digitalen Zwilling kann die Intralogistik eines Unternehmens im Planungsprozess und im Betrieb simuliert werden. (Bild: Simplan)

Bereits in den 1980er-Jahren wurden die ersten Simulationsmodelle industrieller Logistikprozesse erstellt, um die Komplexität dieser Abläufe in den Griff zu kriegen. Die im militärischen Bereich entwickelte Technologie war die Grundlage für die sogenannte Ablaufsimulation, die bis heute für die Abbildung von Produktions- und Logistikprozessen eingesetzt wird und auch als Basistechnologie für das Erstellen digitaler Zwillinge in der Intralogistik dient. Während die Ablaufsimulation bis in die 1990er-Jahre hinein rein als Werkzeug zum Absichern von Planungen diente, konnten mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Simulationssoftware, aber auch der Computer-Hardware, neue Anwendungsfelder erschlossen werden. Dazu zählen vor allem der Einsatz von Simulationsmodellen für den Test von Steuerungssoftware, auch virtuelle Inbetriebnahme genannt sowie das Nutzen von Simulationsmodellen, um operative Entscheidungen im laufenden Betrieb zu unterstützen. Hierzu gab es bereits Ende der 1990er-Jahre erste Projekte, die jedoch häufig mit hohen Hürden zu kämpfen hatten, insbesondere bezüglich der Verfügbarkeit von Daten. Im Zuge der Digitalisierungsbestrebungen vieler Unternehmen in den letzten Jahren verbessern sich die Bedingungen für die Simulation und damit für den Aufbau eines digitalen Zwillings. Die Verfügbarkeit von Eingangsdaten ist eine wesentliche Voraussetzung und wichtiger Erfolgsfaktor für digitale Zwillinge, deren Ergebnisqualität durch korrekte und präzise Eingangsdaten bestimmt wird.

Simulation eines Kommisionierbereiches. Auch Einzelbereiche wie das Versorgen von Kommissionierplätzen lassen sich simulieren.
Auch Einzelbereiche wie das Versorgen von Kommissionierplätzen lassen sich simulieren. (Bild: Simplan)

Wann lohnt sich ein digitaler Zwilling?

Ob der Aufbau eines digitalen Zwillings eines Logistikprozesses für ein Unternehmen sinnvoll ist, ergibt sich aus den individuellen Bedingungen. Steht das Unternehmen beispielsweise vor der Entscheidung, einen Logistikprozess zu ändern oder gar neu zu planen, ist im ersten Schritt der Einsatz der Ablaufsimulation zum Unterstützen von Planungsentscheidungen auf jeden Fall empfehlenswert. Nicht nur um eventuelle Fehler im Konzept zu erkennen, sondern auch um den Prozess robust und effizient insbesondere gegenüber sich ändernden Bedingungen auszulegen. Die Simulation kann helfen, alternative Lösungen unter den exakt gleichen Bedingungen gegenüberzustellen und anhand von Prozesskennzahlen objektiv zu bewerten. Außerdem dient sie zur Ermittlung der erforderlichen Ressourcen wie beispielsweise die Anzahl der Fahrzeuge in einem fahrerlosen Transportsystem oder die notwendige Leistung eines Lagers zum lückenlosen Versorgen von Kommissionierplätzen. In vielen Fällen ergeben sich aus diesen Untersuchungen bereits wesentliche Erkenntnisse, die ohne die Simulation erst nach Inbetriebnahme des neuen Prozesses erkannt worden wären. Es liegt auf der Hand, dass es wirtschaftlicher ist, Prozessanpassungen bereits in der Planungsphase als später im laufenden Betrieb vorzunehmen. Das in der Planungsphase aufgebaute Simulationsmodell ist die Grundlage sowohl für die virtuelle Inbetriebnahme als auch für den digitalen Zwilling im operativen Betrieb. Verfügt das Unternehmen bereits über einen installierten Logistikprozess, so können folgende Fragen helfen, die Notwendigkeit eines digitalen Zwillings zu eruieren:
• Unterliegt der Prozess stark schwankenden Einflussgrößen, die zum Beispiel die operative Ressourcenplanung erschweren? Als Beispiel kann hier die Ersatzteillogistik genannt werden.
• Sind die Auswirkungen von taktischen oder strategischen Entscheidungen intransparent, weil es eine Vielzahl von dynamischen Wechselwirkungen gibt, und führen diese Entscheidungen oft zu Ineffizienzen im Prozess?
• Muss der Prozess häufig an sich ändernde Bedingungen angepasst werden? Als ein Beispiel kann hier die Versorgungslogistik in einem Produktionsprozess mit unterschiedlichen Produktionsprogrammen und Arbeitszeitmodellen genannt werden.
Wie man diesen Fragen bereits entnehmen kann, dient ein digitaler Zwilling vor allem der Unterstützung von Entscheidungen im operativen Betrieb und soll auf Basis einer Prognose die Auswirkungen dieser deutlich machen. Dies geschieht anhand von Prozesskennzahlen. Ob der Aufbau eines digitalen Zwillings letztlich wirtschaftlich ist, ergibt sich aus dem Steigern der Prozesseffizienz und -leistung durch ebendiese Entscheidungsunterstützung. Das ließe sich beispielsweise an Kennzahlen wie Durchsatz, Auftragsdurchlaufzeiten oder Ressourcenauslastung messen.

 

Zitat

Von individuellen Bedingungen ist der Einsatz eines digitalen Zwillings abhängig.

Die richtige Zielsetzung ist entscheidend!

Die Wirtschaftlichkeit eines digitalen Zwillings wird stark durch die strategische Ausrichtung des Werkzeugs bestimmt. Die wiederum definiert sich aus den Fragen, wer ist Anwender/Nutzer und welche Kennzahlen sollen prognostiziert werden. Handelt es sich beispielsweise um einen Disponenten, der für die Zuteilung von Personalressourcen zu den verschiedenen Bereichen in einem Logistikprozess zuständig ist, so sollte er in der Lage sein, seine Planung an den digitalen Zwilling zu „übergeben“. Der Zwilling wird mit dem aktuellen Zustand des Logistikprozesses initialisiert beziehungsweise permanent synchronisiert und liefert eine Prognose über die entscheidenden Kennzahlen. Dabei sind verschie-dene Aspekte zu berücksichtigen. So erfordert zum Beispiel das Erstellen einer Prognose Zeit. Will der Disponent mehrere alternative Pläne testen, kann das nicht innerhalb von wenigen Minuten erfolgen. Die Zeit, die für eine Prognose verwendet wird, ergibt sich aus dem Zeitbedarf für die Initialisierung des Modells mit Ist-Zustand des realen Prozesses sowie dem Durchführen, Auswerten und Vergleichen von mehreren Simulationsläufen. Je nach Komplexität und Detaillierungsgrad des Modells sowie des zu simulierenden Prognosezeitraums kann dieser Prozess durchaus 30 bis 60 min in Anspruch nehmen. Daraus folgt auch, dass Entscheidungen, die innerhalb von wenigen Sekunden oder Minuten zu fällen sind, hohe technische Anforderungen an die Simulation stellen und nur begrenzt umsetzbar sind. Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Definition des Ziels ist die Frage nach dem Umgang mit stochastischen Einflussgrößen. Soll der digitale Zwilling beispielsweise eingesetzt werden, um den Einfluss von Störungen zu evaluieren, so sind hier verschiedene Anwendungskonzepte vorstellbar. Da eine Simulation eine Störung nicht exakt prognostizieren kann, müssen viele Simulationsläufe durchgeführt werden, um ein sogenanntes Konfidenz-intervall bezüglich wichtiger Ergebniskennzahlen liefern zu können. Dieses Intervall gibt an, dass der tatsächliche Ergebniswert mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in diesem Bereich liegen wird. Ein anderer Ansatz wäre die Untersuchung der Auswirkung selten auftretender Großstörungen, wie beispielsweise der Ausfall einer Lagergasse. In diesem Fall macht es mehr Sinn, von einer Störung ausgehend eine Prognose zu erstellen, um anhand der Kennzahlen den Einfluss abschätzen zu können. Dieses Vorgehen würde bei jeder Störung wiederholt.

Was ist ein digitaler Zwilling?

Der digitale Zwilling ist die digitale Repräsentanz eines physischen Prozesses, in unserem Fall eines Intralogistikprozesses. Die Abläufe des Prozesses werden über ein Simula-tionsmodell beschrieben. Um dem Begriff „Zwilling“ gerecht zu werden, muss das Modell einerseits die Realität möglichst genau abbilden und andererseits muss es mit aktuellen Prozessdaten gefüttert werden, um den Zwilling mit dem realen Prozess synchronisieren zu können. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu einer typischen Planungssimulation. In der Planungssimulation wird der Prozess teilweise abstrahiert, um das Modell auf die Kernfragen der Planung zu fokussieren. Es werden Annahmen getroffen, wenn die entsprechenden Daten in der Planung noch nicht vorliegen. Im Unterschied dazu muss der digitale Zwilling in der Lage sein, die Prozessdaten in der vorliegenden Granularität 1:1 zu verarbeiten. Das erfordert in den meisten Fällen einen deutlich höheren Detaillierungsgrad des Modells.

Warum die KI ins Spiel kommt

Eine wirtschaftliche und effiziente Umsetzung eines digitalen Zwillings beginnt bei der Zieldefinition und dem daraus abgeleiteten Umsetzungskonzept, geht über das Schaffen der Voraussetzungen wie das Bereitstellen der erforderlichen Datenquellen bis hin zur Umsetzung auf Basis eines leistungsstarken Simulationssystems. Mithilfe eines Testbetriebs wird der digitale Zwilling zunächst validiert, also auf die Ergebnisgenauigkeit geprüft und kalibriert. In der Forschung wird bereits einen Schritt weitergegangen und die Anwendung von Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) untersucht, um nicht nur ein Prognoseergebnis liefern, sondern Entscheidungen aktiv unterstützen zu können. Wir dürfen gespannt sein, was die Zukunft bringt.

Quelle: Simplan

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