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Einer der Konstruktionsarbeitsplätze bei Kellermann, wo mit Visi Mould das Werkzeug aufgebaut wird. Die vielen und zum Teil automatisierten Funktionen sorgen für eine zügige Arbeitsweise. (Bild: Kellermann/Mecadat)

Bereits seit 2003 setzt Formenbau Kellermann aus Postbauer-Heng nahe Nürnberg die 3D-CAD/CAM-Software Visi des britischen Herstellers Vero Software ein. Der Werkzeugbauer ersetzte mit dieser neuen Branchenlösung für den Werkzeug- und Formenbau das damals schon etwas veraltete 3D-CAD-System Icem DDN. Die Gründe für den Wechsel waren teils technischer Natur, zum Beispiel Faktoren wie Funktionsumfang, durchgängig gleiches 3D-Modell bei CAD und CAM auf Basis von Parasolid sowie ein überzeugendes Bedienkonzept. Aber auch der Visi-Distributor Mecadat aus dem bayerischen Langenbach war mit seinem Service, Know-how und seiner Preisgestaltung bei dem Werkzeugbauer gut angekommen. Heute bildet Kellermann mit Visi einen großen Teil seiner Workflows ab, angefangen von der Angebotsphase über die 3D-Werkzeugkonstruktion und Elektrodenkonstruktion bis hin zu den NC-Programmen für die Fräsmaschinen, die im 2D- und 2,5D-Bereich per Feature-Erkennung sogar automatisch erzeugt werden.

Angefangen in der Konstruktion …

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Konstruktionsarbeiten mit Visi Elektrode.

Kellermann stellt mit seinen 23 Mitarbeitern pro Jahr ungefähr 20 Spritzgieß-Werkzeuge mit bis zu 20 t Gewicht her, vor allem für größere Kunststoffteile wie Saugrohre und Ölmodule, Luftfiltergehäuse oder Zylinderkopfhauben mit zum Teil sehr komplexen Geometrien. „Grundsätzlich gehen wir bei der Werkzeugkonstruktion sehr strukturiert vor“, unterstreicht die Firmenchefin Sabine Kellermann. Dabei werden das 3D-CAD-Basismodul ‚Visi Modelling‘ sowie die speziell für den Kunststoffbereich ausgelegten Module wie Mould, Split und Analyse oder die Bauteil-Bibliothek eingesetzt. „Unsere Firmenphilosophie ist bereits seit vielen Jahren, dass die nicht formgebenden Bereiche wie Kavitäten, Kerne oder Auswerfer standardisiert sind. Komponenten wie Druckplatten oder Führungen sind in allen Werkzeugen einheitlich“, fährt die Firmenchefin fort. Und sehr vieles bezieht man natürlich von den großen Zulieferern wie Meusburger, Hasco oder Knarr, wobei die Platten im eigenen Haus bearbeitet werden.

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Bild 2X Visi Modelling liefert bereits in der Standardversion alle wichtigen Funktionen für die Bewegungsanalyse mit. Heute werden bei Kellermann grundsätzlich alle mechanischen Bauteile überprüft, die sich im Werkzeug bewegen.

In der Konstruktionsphase hinterlegt der Konstrukteur auch sogenannte Features, die Informationen für die spätere Bearbeitung beinhalten und die ebenso zur Qualitätssicherung dienen. Hierzu werden alle geometrischen Merkmale des Bauteils mit unterschiedlichen, vordefinierten Farben versehen, um so die Art der Bearbeitung sowie die Toleranzen zu beschreiben. Unter anderem werden diese Farben vom Visi-Modul ‚Compass Technology‘ verwendet, mit dem Kellermann die 2D- und 2,5D-Programmierung – zum Beispiel für die Plattenbearbeitung – weitgehend automatisiert hat.

Mit der von Kellermann definierten Farbpalette, die für extern vergebene Arbeiten ebenfalls gilt, werden über das Compass-Modul hinaus auch Bearbeitungsschritte mit ihrer entsprechenden Toleranz wie Feinschlichten einer Freiformfläche, Senkerodieren oder Drahterodieren gekennzeichnet. „Diese Farbkennzeichnungen dienen ebenfalls als Fertigungsinformation im Visi Viewer, der bei uns zahlreich in der Werkstatt installiert ist. Damit können sich unsere Mitarbeiter anhand des 3D-CAD-Modells sofort ein Bild machen, wie das betreffende Bauteil aussieht, wohin es im Werkzeug gehört, was wie bearbeitet und wo es montiert wird“, erläutert Sabine Kellermann und ergänzt: „Der Visi Viewer ist für uns unverzichtbar, denn außer für Drehteile erstellen wir heute keinerlei Zeichnungen mehr.“

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Messen mit VCheck: Die Messpunkte werden bei der CAM-Programmierung mit Visi gleich mit vergeben. Über die Farbcodierung weiß man, wo sich kritische Maße befinden. VCheck generiert auch den Messbericht.

Im Rahmen der Qualitätssicherung hat der Werkzeugbauer vor dem finalen Check der fertigen Konstruktion – durch den Projektleiter sowie zwei Mitarbeitern aus der Fräs- und Erodierabteilung – einen weiteren Schritt eingeführt: Seit kurzem wird bei Werkzeugen mit komplexer Mechanik zusätzlich eine Bewegungsanalyse durchgeführt. Überprüft werden dabei alle mechanischen Bauteile, die sich im Werkzeug bewegen. Auch hierfür bringt Visi Modelling bereits in der Standardversion alle wichtigen Funktionen mit.

„Gerade wenn ein Werkzeug viele Schieber hat oder Schieber mit Innenschieber, die zudem abhängig voneinander sind, dann ist die Bewegungssimulation äußerst hilfreich“, erklärt die Firmenchefin. „Ebenso bei Schrägauswerfer-Bewegungen oder Drei-Platten-Werkzeugen, wo es über die abhebende Platte zu schrägen Bewegungen der Innenschieber kommt, die in Abhängigkeit vom Weg schon mal mit einem Heißkanalsystem kollidieren können.“ Das alles wird heute mit der Bewegungssimulation von Visi abgebildet. Früher hatte der Werkzeugbauer Probleme bei der Kinematik oft erst entdeckt, wenn das Werkzeug fertig montiert war. „Dies können wir mit Visi jetzt schon im Vorfeld sehen und beheben“, erklärt Sabine Kellermann.

…und über in die Fertigung

Vor knapp 10 Jahren hat der Werkzeugbauer auch den CAM-Bereich vollständig auf Visi umgestellt. Die beim Fräsen bis dahin parallel verwendete Software Powermill (von Delcam, heute Autodesk) wurde abgelöst. Komplett automatisiert hat Kellermann das Elektrodenfräsen. Dies übernimmt seit rund zwei Jahren die 5-achsige Fräsmaschine HSC600/5U von Exeron, die über ein Elektroden- und Palettenwechselsystem ver- und entsorgt wird. Diese Anlage, die über die Grafitbearbeitung hinaus auch zum hochpräzisen Feinschlichten vorgehärteter Stahlteile wie Formeinsätze oder Schieber verwendet wird, bezieht die 5-achsigen NC-Programme von Visi über eine Prozessleitsoftware (Jobmanagement). Gefräst wird auf einem Nullpunktspannsystem, identifiziert per RFID-Chip.

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Der mit VCheck generierte Messbericht.

Sowohl beim Elektrodenfräsen als auch beim eigentlichen Senkerodieren kommt dem Modul ‚Visi Elektrode‘ eine besondere Bedeutung zu. Mit diesem Modul erzeugt Kellermann alle Schrupp-, Vorschlicht- und Schlichtelektroden in äußerst kurzer Zeit teilautomatisiert. „Auf das 5-achsige Elektrodenfräsen möchten wir nicht mehr verzichten: Wir fräsen heute durchweg mit kürzeren und damit stabileren Werkzeugen und erzeugen so bessere Oberflächen“, betont Sabine Kellermann. „Außerdem sind kompliziertere Konturen herstellbar, womit sich die Anzahl der benötigten Elektroden reduzieren lässt.“

Während das 5-Achs-Fräsen beim Grafitfräsen bei Kellermann noch relativ neu ist, zählt dies bei der Stahlbearbeitung schon seit vielen Jahren zum Alltag. Von den insgesamt vier Bearbeitungszentren sind drei mit fünf Achsen ausgerüstet, zwei davon zusätzlich mit palettenbasierten Werkstückwechslern. Auch dies hat grundsätzlich mit der Bedienfreundlichkeit von Visi und speziell mit den Funktionen des CAM-Moduls Machining 5-Achsen zu tun. So lassen sich mit der Funktion ‚3 Achsen zu 5 Achsen‘ beispielsweise die für einen Kugelfräser bereits berechneten 3-Achsenwege sehr einfach zu 5-Achs-Simultanwegen umwandeln, um bei tiefen Kavitäten oder hohen Domen möglichst kurze Werkzeuge verwenden zu können. Diese Vorgehensweise vermeidet Fehler – denn man programmiert einfacher und deutlich schneller.

Bei der Vermeidung von Kollisionen hilft Visi ebenfalls. Wenn zum Beispiel beim 5-Achs-Fräsen der Halter in Kollision kommen würde, schwenkt Visi ihn weg. Das geht automatisch, was den Programmieraufwand deutlich vereinfacht und den 5-Achsen-Simultanprozess sicherer macht. Hauptsächlich fräst man bei Kellermann aber 3+2 mit angestellter Achse, weniger simultan. Als Bestandteil der Qualitätssicherung werden bei Kellermann grundsätzlich alle Fräsprogramme mit Visi durchsimuliert, um Schäden am Werkstück und an den Maschinen zu vermeiden.

… bis hin zur Werkzeug-Abmusterung

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Die 5-achsige HPM 800U HD von GF Machining Solutions (Mikron) und ein hier aufgespanntes Frästeil mit eingewechseltem Messtaster. Nachdem die Messpunkte zuvor mit VCheck vergeben wurden, läuft das Messprogramm auf der Heidenhain-CNC (iTNC 530) ohne zusätzliche Software komplett automatisch ab.

Auf die Anschaffung eines Koordinatenmessgeräts hat der Formenbauer bewusst verzichtet: „Es gibt bei uns zum Teil sehr große Werkstücke, weshalb sich das Messen in derselben Aufspannung geradezu anbietet. Und da unsere Maschinen ja von vornherein mit Messtaster, Kalibrierungskugel und Laser ausgestattet sind, mussten wir keine zusätzliche Hardware beschaffen“, berichtet Sabine Kellermann. „Die Messpunkte werden zuvor vom jeweiligen Mitarbeiter bei der CAM-Programmierung mit Visi gleich mitvergeben, das Messprogramm läuft auf der Heidenhain-CNC anschließend automatisch ab. Aufgrund der Größe unserer Bauteile ist unser Rüstaufwand im Verhältnis zur Bearbeitungszeit relativ gering, weshalb wir auf eine Arbeitsvorbereitung verzichten.“ Die Maschinenbediener sind darum auch gleichzeitig die Fräsprogrammierer und die beiden PC-Arbeitsplätze deshalb zwischen den Maschinen untergebracht. Über die firmeninterne Farbcodierung sieht der Mitarbeiter sofort, wo sich kritische Maße befinden und setzt entsprechend die Messpunkte. Dieser Vorgang ist bei Kellermann ebenfalls Bestandteil des Visi-Workflows – und zwar mit dem Visi-Modul VCheck.

Kombiniert mit Bild 4 Kellermann`18-9B

Stichwort Messtaster: Natürlich kommen Messtaster bei Kellermann nicht immer und überall zum Einsatz. Gemessen werden nur ganz kritische Bereiche wie Passmaße, beispielsweise beim Einpassen von Innenschiebern, oder die Außenabmessungen von Einsätzen, sodass man weiß, dessen Positionierung in der Formplatte ist korrekt. Hinzu kommen Korrekturschleifen, bei denen drei, vier Punkte gemessen werden, um zu sehen, ob man beim Fräsen exakt dort angekommen ist, wo man laut CAD-Modell sein sollte. Denn das Ziel des Werkzeugbauers ist, dass die CAD-Daten hundertprozentig der Geometrie des Werkzeugs entsprechen. Dies ist auch bei Reparaturen wichtig, denn so kann dem Kunden ein Ersatzteil geliefert werden, das wirklich hundertprozentig passt.

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Bei Formenbau Kellermann werden anspruchsvolle Ein- und Mehrkomponenten-Spritzgießwerkzeuge für die Automobil- beziehungsweise Automobil-Zulieferindustrie gebaut.

Insgesamt gesehen hat sich die CAD/CAM-Software Visi bei Kellermann bewährt; neben der Bewegungssimulation beeindruckte auch das Modul VCheck den Werkzeugbauer. Zumal es viele Werkzeuge gibt, in die Kellermann wegen sehr enger Toleranzen am Kunststoffteil Vorhaltungen hineinkonstruiert. Trotzdem weisen die Teile der ersten Abmusterung manchmal einen Verzug auf, was eventuell eine Korrekturschleife bei den Stahlteilen erfordert. VCheck hilft dabei, möglichst schnell feststellen und – auch dem Kunden gegenüber – dokumentieren zu können, ob beispielsweise der Verzug auf Maßabweichungen bei der Stahlbearbeitung zurückzuführen ist oder der Fehler beim Spritzgießprozess zu suchen ist. „Damit ist Visi mit dem Modul VCheck heute auch bei der Abmusterung ein ganz wichtiges Element unserer Qualitätssicherung. Hier sind wir dank der immer ausgefeilteren Funktionen der CAD/CAM-Lösung ein gutes Stück weiter gekommen“, zieht Sabine Kellermann ein positives Fazit. „Schließlich gewinnt im Werkzeugbau eine möglichst lückenlose und sich am Prozess orientierende Qualitätssicherung immer mehr an Bedeutung. Einen großen Teil der damit verbundenen Aufgaben meistern wir heute schon – mit zunehmender Tendenz – mithilfe der integrierten 3D-Branchenlösung Visi.“

Kontakt

Mecadat, Langenbach, info@mecadat.de

Technik im Detail

Software-Modul VCheck

Das Software-Modul VCheck für die CAD/CAM-Software Visi funktioniert so: Nachdem in Visi am 3D-Modell des Werkstücks die Messpunkte gesetzt wurden, generiert VCheck daraus speziell ein NC-Programm für das Messen. Dieses wird dann mit dem Programm für die eigentliche Bearbeitung im Postprozessor zusammengeführt und zur Heidenhain-CNC (iTNC 530) der Maschinen geschickt, auf der dann das eigentliche Messprogramm läuft. Die iTNC 530 unterstützt dies, da diese CNC bereits serienmäßig über eine Anzahl von Messzyklen verfügt. Dabei wird der Nullpunkt der Fräsbearbeitung übernommen, auf das Koordinatensystem des Fräsprogramms wird also das Messprogramm quasi aufgesetzt. „Das ist ein Vorteil gegenüber der Messmaschine, weil man nicht neu ausrichten muss“, erläutert Sabine Kellermann von Formenbau Kellermann und ergänzt zwei weitere Vorteile dieser Lösung, die allerdings in dieser Form nur mit den CNCs von Heidenhain funktionieren: „Wir benötigen außer VCheck keine weitere Mess-Software und wir können direkt aus Visi heraus den Messbericht generieren.“

ist Leiter der PR-Agentur 4marcom + PR! in Unterschleißheim.

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Unternehmen

MECADAT CAD/CAM Computersysteme GmbH

Hagenaustr. 5
85416 Langenbach
Germany