Kunststoffland_NRW_Koeln_Begrüßung Reinhard Hoffmann090418-59

Hoffmann: „Das Material- und Prozesswissen aus sämtlichen Werkstoffwelten ist in NRW in einer Breite und Tiefe vorhanden wie in keiner anderen Region in Europa, vielleicht sogar weltweit.“ (Bild: Kunststoffland NRW)

„Die Batterietechnologie-Führerschaft hat die deutsche Industrie mittlerweile an China verloren“, mahnte Reinhard Hoffmann, Geschäftsführender Gesellschafter der Gerhardi Kunststofftechnik, Lüdenscheid, und Vorsitzender von Kunststoffland NRW, Düsseldorf, in seiner Eröffnungsrede an. „Das gilt noch nicht für den Leichtbau. Deutsche Unternehmen sind Weltmarktführer in der Leichtbautechnologie, müssen aber hochinnovativ bleiben, um diese Rolle weiterhin zu behaupten.“

Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender von Lanxess, Köln, präsentierte das Ergebnis ausführlicher Analysen seines Unternehmens zum Thema Elektromobilität. Zachert erwarte einen Marktanteil von etwa 80 Prozent für elektrische Antriebe im Jahr 2025. „Es ist ganz klar, dass die Elektrifizierung des Autos zwingend erforderlich sein wird, um den CO2-Zielen, die regulatorisch vorgegeben werden, zu entsprechen.“ Die Hybridtechnologie werde in den nächsten zehn Jahren eine Übergangslösung darstellen, um die Reichweiten-Problematik zu lösen: Mild-Hybrids als kurzfristige Maßnahmen, langfristig läge der Schwerpunkt auf konventionellen Elektroautos (BEV) und Plug-in-Hybriden. Der Verbrennungsmotor werde von seiner einstigen Funktion zurückgedrängt werden aber nicht vollständig verschwinden, führte Zachert weiter aus.

Was die Kunststoffindustrie betrifft werde der Technologiewandel bzw. der erforderliche Leichtbau viele Vorteile einbringen, sagte Zachert. „Die Elektrifizierung der Antriebe bringt auf jeden Fall einen zusätzlichen Bedarf an technischen Kunststoffen auf Basis von Polyamid (PA) und Polybutylenterephthalat (PBT). Wir erwarten, dass der Anteil an PA/PBT-Anwendungen von jetzt 10 Prozent bei den Verbrenner-Fahrzeugen auf 14 Prozent bei rein elektrisch angetriebenen Autos steigen wird.“ Bewusst setze der Kunststoffhersteller auf neue Kunststoff-Metall-Verbundtechnologien für die automobile Großserie. Die Kombination von Material- und Prozess-Know-how aus verschiedenen Werkstoffwelten sorge für einen wirtschaftlichen Leichtbau.

Unendliche Möglichkeiten der Gestaltung

Aus Sicht von Gunnar Herrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Ford Werke, Köln, und Vice President Quality, Ford of Europe, Köln, werde die Elektrifizierung für Fahrzeughersteller höchst interessant. „Einfach gesagt haben wir es nur noch mit einem gekühlten Rahmen, in dem wir Batterien platzieren, zu tun. Das eröffnet natürlich unendliche Möglichkeiten.“ Die Zielsetzung bei Elektroautos sei einfach, sagte Hermann. „Je leichter ein Elektroauto ist umso größer ist die Reichweite und umso kleiner bzw. günstiger sind seine Batterien. Das ist der wesentliche Punkt. Der Leichtbau ist für die Elektromobilität essenziell.“

Die Elektromobilität verändere die Anforderungen im Automobilbau radikal, meinte auch Bernhard Osburg, Head of Sales Steering, Thyssenkrupp Steel Europe, Duisburg: „Bei der E-Mobilität fällt die CO2-Thematik weg. Die Bedeutung von Gewichtsreduktion sinkt und der Kostendruck wird steigen. Der wirtschaftliche Leichtbau gewinnt deutlich an Bedeutung.“ Am Beispiel eines Golf VII rechnete Osburg vor, dass der Elektroantrieb das Leergewicht des Fahrzeugs um 345 kg erhöht. „Batterie und Einhausung sind die Gewichtstreiber bei Elektrofahrzeugen. Mehrgewicht und Gewichtsverteilung erfordern Anpassungen am Fahrzeug und am Werkstoff. Die Werkstoffentwicklung bleibt weiterhin festigkeitsgetrieben.“ Intelligentes Werkstoffdesign mit Stahl-Kunststoff-Composites eröffne dabei neue Anwendungspotenziale. „Stahlbleche mit Kunststoffkern reduzieren nicht nur die Vibrationen und den Körperschall im Automobilbau, sondern bieten auch ein hohes Leichtbaupotenzial bei niedrigen Kosten, zum Beispiel im Vergleich zu Aluminium.“

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v.l.n.r.: Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen; Bernhard Osburg, Head of Sales Steering Thyssenkrupp Steel Europe; Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender Lanxess; Gunnar Herrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung Ford Werke GmbH und Vice President Quality Ford of Europe; Reinhard Hoffmann, Geschäftsführender Gesellschafter Gerhardi Kunststofftechnik und Vorsitzender Kunststoffland NRW e.V.; Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann, Leiter Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Moderation)(Bildquelle: Kunststoffland NRW)

Kooperation in der Wertschöpfungskette

Bei der Podiumsdiskussion war ein Kernthema die Kooperation in der Wertschöpfungskette Kunststoff und Stahl. Herrmann erklärte: „Wir bei Ford haben mit unseren Lieferanten eine sehr enge Kooperation. Bei den Themenfeldern Elektromobilität und autonomes Fahren verschiebt sich das Lieferantenfeld ein wenig und wir sind hochgradig abhängig von deren innovativen Möglichkeiten. Wir haben als Großunternehmen gelernt, dass wir nicht alles selbst entwickeln und umsetzen können. Von der Zulieferpyramide nehmen wir mittlerweile Abstand und reden von Partnering. Für kleine oder mittelständische Unternehmen ergeben sich durch die neuen Themen viele neue Chancen.“

Hoffmann beschreibt dabei die Rolle des Vereins wie folgt: „Wir als Kunststoffland NRW wollen Vermittler sein zwischen den Chemieunternehmen, den Kunststoffarbeitern und der Stahlindustrie. Die Zukunft des Leichtbaus liegt eindeutig im Multi-Material-Mix. Diese Verzahnung mit Stahl und auch Aluminium wollen wir moderieren.“

Aus Sicht der Stahlindustrie führt Osburg aus: „Unser Weckruf als Stahlindustrie war vor 20 Jahren der Audi A8 mit Aluminiumkarosserie. Heute haben wir keinen Stahl mehr in den Fahrzeugen mit dem noch vor 20 Jahren Autos gebaut worden sind. Wir haben seitdem jede Menge neue Werkstoffe entwickelt. Wir brauchen, um wirtschaftlich zu arbeiten, ein hohes Produktionsvolumen. Wir sind seit vielen Jahren in der Kombination Kunststoff und Stahl unterwegs allerdings bisher in Nischenapplikationen. Wir arbeiten daran, die Grenzen Richtung Volumenproduktion zu verschieben. Stahl und Kunststoff in einer Produktion miteinander zu verketten, ist hochkomplex. Stahl braucht in der Produktion hohe Volumen und stabile Prozesse. Unsere Produktionsingenieure sehen den Kunststoff daher als Fremdkörper. Wir müssen also in den Köpfen etwas verändern und raus aus der Nischen- in die Volumenproduktion.“

Hoffmann bestätigt: „Das ist ohne Frage ein schwieriger Prozess – auch für die Kunststoffverarbeiter. Es wird dabei keine Gewinner oder Verlierer geben, sondern beide Branchen werden gewinnen. Die Frage ist nur, wie gestalten wir das auf Augenhöhe? Wenn ein globaler Konzern wie Thyssenkrupp auf einen mittelständischen Kunststoffarbeiter trifft, gibt es doch sehr starke Unterschiede. Bevor sich die Techniker zusammensetzen können und ein neues Produkt entwickeln muss erst mal sehr viel vertragliches und rechtliches geregelt werden. Da müssen beide Seiten erst einmal lernen, dass die Ansprüche unterschiedlich sind und es vielleicht auch neue Wege geben muss. Da wir uns in einem neuen Produktumfeld bewegen, muss das gegenseitige Vertrauen erst einmal erarbeitet werden. Dafür, so ist meine Erfahrung, ist der beiderseitige Wille auf jeden Fall vorhanden.“

 

 

 

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Mit über 1.000 Unternehmen, rund 137.000 Beschäftigten und 37 Mrd. Euro Umsatz ist NRW der Kunststoffstandort Nr. 1 in Europa. Von der Kunststofferzeugung, der Kunststoffverarbeitung über den Maschinenbau bis hin zu den Forschungsinstituten ist Kunststoffland NRW der Partner für die gesamte Wertschöpfungskette Kunststoff in dem Bundesland. Der Verein ist eine Plattform für Information, Kommunikation und Kooperation.

ist freier Redakteur des Plastverarbeiter.

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