Januar 2013

Für großvolumige und komplizierte Produktgeometrien aus geschäumten Thermoplasten ist die Herstellung von Schaumstoffpartikeln und die anschließende Weiterverarbeitung dieser zu Formteilen der einzig gangbare Weg. Nur in diesem Fall sind über die kleinen Wandstärken der Schaumpartikel das Temperatur-Fenster, die Abkühlung und damit die Stabilisierung der Schaumstruktur steuerbar. Der Trend bei Formteilen aus versinterten Schaumstoffpartikeln wie klassischerweise bei expandiertem Polystyrol-Partikelschaum (EPS), geht hin zu hochwertigen Schaumstoffen, bei denen verschiedene Eigenschaften miteinander vereint werden sollen. Beispielsweise müssen Energieabsorptionselemente (Protektoren, Helme, Crashpads) bei möglichst geringem Gewicht eine hohe Struktursteifigkeit aufweisen.

Aktuelle Schaumstoffe stoßen hier an ihre Grenzen und der Einsatz konventioneller Verstärkungsstoffe zur Werkstoffmodifizierung würde die Schäumbarkeit der Polymere negativ beeinträchtigen. Der Einsatz von gängigen Verstärkungsfasern wie Carbon- oder Glasfasern als Kurz- oder Langfasern zur Verstärkung der geschäumten Partikel hätte zur Folge, dass diese aufgrund der Durchmesser von 5 bis 10 µm und Längen von bis zu einigen mm eine Schädigung der Zellstruktur der Schaumstoffe verursachen und den Schäumprozess behindern. Ziel im Rahmen eines vom BMBF geförderten Verbundprojektes „Carbo Protekt“ war die Entwicklung maßgeschneiderter Schaumstoffe auf Basis von Polystyrol über die Modifizierung mit Carbon Nanotubes (CNT), insbesondere zur Verbesserung der mechanischen und Energie absorbierenden Eigenschaften bei geringer Dichte.

Die Idee war hierbei, über die nanoskaligen Verstärkungsfasern eine Verstärkung der Zellwände zu erreichen, ohne die Zellstruktur zu schädigen. Aufgrund der geringen Größe der CNTs, die weit unterhalb der Zellwanddicke von Schaumstoffen liegt, stören diese den Verschäumprozess nicht und können in den Zellwänden eingebunden werden.

Vom Granulat zum Schaumbauteil

Grundlage für einen homogenen Ausgangswerkstoff und eine reproduzierbare Bauteilverstärkung ist die feindisperse Verteilung der CNTs in der Polymer-Matrix. Basis ist hierbei die Dispergierung der CNTs in der Polymerschmelze im Doppelschnecken-Extruder. Die anschließende Granulat- und Schaumpartikelherstellung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Klassischerweise werden bei extrusionsgeschäumten Polystyrol-Partikelschaumstoffen zunächst im Extruder treibmittelbeladene Granulate hergestellt, diese in einem weiteren Schritt zu Schaumpartikeln aufgeschäumt und anschließend zu Formteilen verarbeitet.

Die Herausforderung der Entwicklung lag in der homogenen Verteilung der CNTs im Polymer und den anschließend aufgeschäumten EPS-Partikeln. Um die CNT-Verteilung, Granulatgröße und Zellstruktur gezielt steuern zu können, wurde als erfolgversprechende Alternative zum klassischen Extrusionsprozess das sogenannte Seed-Verfahren untersucht.
Der Partikelschaum wird hierbei in zwei Prozessschritten erzeugt.

Im ersten Schritt wird ein CNT-Masterbatch per Extrusion hergestellt. Mittels einer Unterwassergranulierung wird ein Mikrogranulat mit der gewünschten Korngrößenverteilung und -geometrie realisiert. In einem zweiten Schritt wird über das Seed-Verfahren im Autoklav die Polymerstruktur des Mikrogranulates verändert und die Granulatgröße mittels Polymerisation auf die Wunschgröße erweitert. In diesem Prozessschritt werden die CNT-Konzentration zwischen 1 und 5 Gewichtsprozent eingestellt, wesentliche Wunsch-eigenschaften (Molekulargewicht, Addivierung) geprägt und das Granulat mittels Pentangas druckbeladen. Abschließend erhalten die Granulate ein Coating zur Optimierung der Verarbeitungsfähigkeit in den darauf folgenden Verarbeitungsschritten. Die angeschlossene Weiterverarbeitung erfolgt über das Aufschäumen der Partikel im Vorschäumer und der Versinterung der Schaumstoffpartikel im Formteilprozess zu Prüfkörpern und Bauteilen. Die Verarbeitung der geschäumten Partikel kann mit Standardanlagen der Partikelschaumverarbeitung durchgeführt werden. Als Prüfmuster wurde ein sicherheitsrelevantes Helmbauteil aus EPS gefertigt und geprüft.

Höhere Steifigkeit

Ziel der Entwicklung war es, eine Versteifung der Zellwände der Schaumstoffe über die eingelagerten CNTs zu erreichen und damit eine verbesserte Energieabsorption über ein gezieltes Einknicken der Zellwände bei einem erhöhten Kraftniveau zu erreichen. Des Weiteren unterstützen die CNTs die Zell-Nukleierung und tragen zu einer homogenen Zellbildung bei.

Als dynamische Kenngrößen wurden über Fallversuche Polsterkurven ermittelt. Für Fallmassen bis 7 kg konnte mit dem CNT-verstärkten Material eine Reduzierung der Beschleunigungswerte um durchschnittlich 15 Prozent und damit eine entsprechende Verbesserung der dynamischen Stoßbelastbarkeit erzielt werden. Die Materialien weisen aufgrund der CNTs in der Zellstruktur eine deutlich höhere Steifigkeit als bisheriges klassisches EPS und Energieaufnahme des Materials auf, womit Anwendungen mit Anforderungen an hohe Festigkeiten bei geringer Dichte realisiert werden können.

Über die Modifizierung von Polystyrol-Partikelschaumstoffen mit CNTs ist es möglich, die mechanischen Eigenschaften der geschäumten Bauteile deutlich zu verbessern. Der Herstellungsaufwand ist abhängig vom CNT-Anteil im Polymer sowie aufgrund des zusätzlichen Prozessschritts höher als bei klassischem EPS. Jedoch bieten die zunehmenden Anforderungen an EPS-Formteile, wie beispielsweise an Energieabsorber mit eingeschränktem Bauraum (Helmbauteile, Protektoren, Stoßfängereinleger) oder an hochwertige Verpackungsbauteile und Ladungsträger, ein großes Potenzial für diese neue Materialklasse.n

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