März 2012

Plastverarbeiter: Welche Herausforderungen sehen Sie noch für die E-Mobilität, um den Durchbruch für das von der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) ausgegebene Ziel 2020 (beginnender Massenmarkt) zu realisieren?

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Eine ganze Menge, denn das Ziel ist wenig realistisch, wenn wir so weiterarbeiten wie bisher. Ein wesentlicher Schritt wäre, die Autofahrer mit den Elektroautos vertraut zu machen. Dazu ist Carsharing mit E-Autos in Metropolregionen sicher das beste Instrument. Die angedachten Schaufenster wären hierzu wichtig. Aber man hört ja, dass die Budgets wegen des wenig erfolgreichen CO2-Handels nicht zur Verfügung stehen. Also auf der politischen Seite scheint das Engagement „gebremst“. Zum zweiten müssen wir mit besseren Preisen bei den Fahrzeugen in den Markt. Ein Opel Ampera zu 45.000 Euro oder ein Nissan Leaf zu 37.000 Euro finden nur schwer Käufer. Zum dritten sollten die großen Vorteile von Elektroautos in Großstädten genutzt werden. Verbotszonen für Innenstädte für Verbrennungsmotoren könnten einen Riesenschub geben. Denken Sie nur an den Lieferverkehr mit den qualmenden Diesel in den Fußgängerzonen. Die Nationale Plattform für Elektromobilität ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger angekommen. Sie ist so gut wie nicht präsent und wird nicht mehr wahrgenommen. Wir müssen mehr schneller umsetzen – das ist unser Problem.

Christian Heep: Die Richtung ist vorgegeben. Wir wissen wohin der Weg führt. Es ist an der Zeit, von der anfänglichen Euphorie – sowohl auf medialer als auch politischer Ebene – zur praktischen Umsetzung zu gelangen. Nicht durch große Reden werden wir den Verkehr zunehmend elektrifizieren, sondern durch konkrete Maßnahmen, die auf der einen Seite die entsprechenden politischen, finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen und auf der anderen Seite die Verbraucher, und hier in einem ersten Schritt die öffentlichen Körperschaften und kommunalnahen Unternehmen, zur Anschaffung von solchen Fahrzeugen animieren und motivieren. Die Politik muss nun auch aktiv ambitioniertere Zeichen setzen: Insbesondere in der finalen Umsetzung der Vielzahl an angekündigten Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität. So hat die Bundesregierung es beispielsweise bisher nicht geschafft, die Nachteile der E-Fahrzeuge bei der Dienstwagenbesteuerung auszugleichen, obwohl dies im Mai 2011 als entscheidender Punkt des Maßnahmenpakets angekündigt wurde.

Plastverarbeiter: In China entwickelt sich ein wichtiger Absatzmarkt – es entsteht eine aufstrebende Konkurrenz, die mit staatlicher Hilfe langfristig die traditionellen Absatzmärkte in der Triade – die drei größten Wirtschaftsräume der Welt, USA, EU und Ostasien – erobern will. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Dudenhöffer: Es ist China, das uns in der Elektromobilität davon fährt. Aber nicht nur China, sondern auch Frankreich, USA, Japan. Ja, sogar Holland ist deutlich vor Deutschland. VW bringt sein erstes Elektroauto in China in die Produktion. Warum wohl ? Die Autobauer und Zulieferer sind nah am Thema dran. Der Standort Deutschland fährt hinterher.

Heep: Vergleichen wir China und Europa hinsichtlich der aktuellen Entwicklung im Bereich Elektromobilität, sprechen viele Argumente für den inzwischen größten Automarkt der Welt – China. Die Chinesen entscheiden schnell, geben klare politische Richtlinien vor und die Bevölkerung akzeptiert die Veränderungen. Bei meinem Besuch in Shanghai im Dezember 2011 wurde klar: Elektromobilität wird in China bereits heute gelebt. Dennoch können wir aufholen. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass wir jetzt mit allen Mitteln in diesen Zukunftsmarkt einsteigen und uns auch langfristig erfolgreich als weltweit kompetenter Partner zeigen.

Plastverarbeiter: Im Moment werden von den Herstellern unterschiedliche Antriebskonzepte parallel verfolgt. Die neue Fahrzeuggeneration soll ab 2017 eine Reichweite von circa 600 Kilometern erreichen. Mit welchem Konzept ist das eher zu realisieren?

Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung wird der Range Extender und Plug-In Hybrid – was ja vom Prinzip her nahezu das Gleiche ist – den Mainstream bilden. Reine BEV sind als Zweitwagen für die Stadt interessant und das Carsharing. Als Erstfahrzeug ist der Plug-In die Kombination mit der höchsten Kundenfreundlichkeit, Praktikabilität und Ökonomie. Und nach dem Plug-In macht die Brennstoffzelle viel Sinn. Aber da dürften wir vom Jahre 2025 für Großserien sprechen.

Heep: Wir werden auch in Zukunft verschiedene Antriebskonzepte nebeneinander haben. Welches Konzept sich schlussendlich flächendeckend durchsetzen wird, entscheiden die Verbraucher. Durchschnittlich werden in Deutschland nur 42 Kilometer pro Tag in einem PKW zurück gelegt – kein Problem für die aktuelle Reichweite von reinen Elektroautos, die bei 120 bis 150 Kilometern liegen. Eines muss uns jedoch klar werden: wir sprechen hier von einem echten Systemwechsel, der nicht nur das Fahrzeug an sich betrifft, sondern auch Auswirkungen auf unser Mobilitätsverhalten hat. Vor diesem Hintergrund werden Konzepte, welche die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel inkludieren, zusehend unseren Alltag bestimmen.

Plastverarbeiter: Es arbeiten ja verschiedene Konsortien an E-Mobiliätskonzepten. Ob dies Automobilhersteller in Kooperation mit den Kunststoffherstellern sind, oder wie bei dem Konzept Streetscooter 80 Zulieferer im Verbund. Was halten Sie für den besseren Weg?

Dudenhöffer: Über die Konzepte Streetscooter wird man nicht mehr lange reden. Schade um die Fördergelder. Ich glaube, hier hat man seine Kompetenzen und Stärken wirklich falsch eingeschätzt. Für Zulieferer macht es keinen Sinn, ins Autogeschäft zu gehen. Da fehlt Know-how, Erfahrung und Geld. Und der Kunde Autobauer wird wohl wenig „amused“ sein, wenn sein Zulieferer Autos verkauft. Der Ansatz ist naiv. Die große Welle kommt von den Autobauern, denn die beherrschen die gesamte Wertschöpfungskette.

Heep: Grundsätzlich können wir die Tatsache nur begrüßen, dass mittlerweile viele innovative Akteure ihre Chance auf dem Zukunftsmarkt Elektromobilität erkannt haben und dementsprechend agieren. Eine Vielzahl an neuen Playern stellt sich aktuell auf, um die neue Mobilität aktiv und sichtbar auf den Weg zu bringen. Erfolgreich wird diese Entwicklung aber nur dann sein, wenn sich starke, strategische Partnerschaften zwischen Energieversorgern, Batterieherstellern, Herstellern und Entwicklern von Elektrofahrzeugen, Systemzulieferern, Forschungseinrichtungen, den Verbänden und der Politik bilden.

Plastverarbeiter: Leichtbau ist bei den Fahrzeugen ein absolutes Muss. Wie kann der Spagat zwischen leicht, kompakt und sicher gelingen?

Dudenhöffer: Ich bin davon überzeugt, dass der Spagat gelingt. Leicht, kompakt und sicher, wird schon lange in der Formel 1 mit den kohlefaserverstärkten Chassis praktiziert. BMW ist dabei, hier jetzt die Serienfähigkeit herzustellen und wird den i3 und i8 schon im Jahre 2013 in die Ausstellungsräume der Händler rollen. Nach meinem Wissen hat man schon viel erreicht, sprich, deutlich Zeit im CFK-Prozess eingespart. Das ist der Weg. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden wir hier viel Neues sehen.

Plastverarbeiter: Sieht die deutsche Industrie eine Chance in der E-Mobilität oder wird sie nur als zweitrangiges Geschäft angesehen?

Heep: Der uns bevorstehende Systemwechsel ist sowohl Chance
als auch Herausforderung. So ergeben sich für deutsche Unter-nehmen ganz neue Möglichkeiten, die durch unkonventionelle
Kooperationskonzepte marktfähig realisiert werden können. Und bei der Schaffung von Arbeitsplätzen wird der Zukunftsmarkt Elektromobilität zu den großen Wachstumsbranchen Deutschlands zählen.

 

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