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Das Lufteinlassventil wird in einem Spritzgießschritt aus Polyamid und Flüssigsilikon produziert. Das Polyamid-Gehäuse umschließt einen Metalldraht, über den die Ventilstellung gesteuert wird. Das Funktionselement ist nur 4 mm breit und 3 mm hoch. (Bild: SEI WOO)

Mit kniffeligen Entwicklungsprojekten ist der Silikonverarbeiter SEI WOO in die oberste Liga des Mikrospritzgießens aufgestiegen, denn in der Breite messen die komplexen Mehrkomponentenbauteile gerade einmal vier und in der Höhe drei Millimeter. Die Silikondichtung, die ein Schussgewicht von 0,02 Gramm ausmacht, befindet sich am oberen Ende des thermoplastischen Ventilgehäuses. Dieses beinhaltet einen feinen Memory-Metalldraht, der funktionsentscheidend ist.
SMA steht für Shape Memory Alloy. Unter Strom erwärmt sich der Draht und zieht sich dabei zusammen, womit das SMA-Ventil betätigt wird. Wird der Stromfluss unterbrochen, kühlt der Draht in Bruchteilen einer Sekunde ab, und das Ventil schließt. Auf diese Weise wird der Füllgrad der Luftkammern und damit der Massagedruck gesteuert.
Die beiden polymeren Materialien werden in einem Schritt auf einer Engel E-Victory 140 combi Spritzgießmaschine vereint. In einem 16+16-fach-Drehtellerwerkzeug werden zunächst die Gehäuse aus Polyamid (PA) spritzgegossen. In der zweiten Drehtellerposition wird Flüssigsilikon (LSR) direkt angespritzt, während zeitgleich 16 weitere Gehäusegrundkörper produziert werden. PA und LSR gehen eine chemische Verbindung ein. Da die Kontaktfläche aber sehr klein ist, werden die fertigen Teile im Anschluss an die Spritzgießproduktion aus Sicherheitsgründen zusätzlich bei 200 °C getempert, um Thermoplast und Silikon dauerhaft miteinander zu verbinden. Danach gehen die Teile zur kamerabasierten 100-Prozent-Qualitätskontrolle und dann sofort in die Logistik für den Versand zum renommierten Kunden, „der Weltmarktführer im Bereich der Fahrzeugsitzmassage ist“, wie Peter Lehmann, Geschäftsführer der SEI WOO Hi-Tech Polymer, berichtet. Über 200 Mio. dieser Bauteile hat SEI WOO bis heute ausgeliefert.

Ausschussquote auf null gesenkt

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Partner seit mehr als 20 Jahren: Peter Lehmann von SEI WOO (links) und Leopold Praher von Engel.Bildquelle: Engel

„Der Mehrkomponentenspritzguss reduziert das Fehlerrisiko, das bei der Montage der einzelnen Mikroteile immens wäre“, sagt Lehmann und betont: „Die Null-Fehler-Philosophie ist ein Eckpfeiler unseres Erfolgs.“ Oft arbeitet der Silikonverarbeiter bereits in der Phase der Produktenwicklung und -optimierung eng mit dem Kunden zusammen. Die Einlassventile für die Sitzmassagefunktion sind dafür das beste Beispiel. „Das Produkt lief zunächst bei einem anderen Verarbeiter, doch der Ausschuss war hoch“, so Lehmann. „Wir haben das Produkt neu konzipiert, das Design angepasst und konnten den prozessbedingten Ausschuss auf null senken.“ Mit seiner hohen Entwicklungskompetenz, seiner starken Kundenorientierung und viel Flexibilität hat sich SEI WOO im Bereich LSR das Vertrauen der großen Player im Markt erarbeitet.
Die Gründung des Unternehmens in Österreich im Jahr 2000 zeigt die frühe Weitsicht der SEI WOO Gruppe mit Sitz in Singapore für das große Potenzial des Flüssigsilikons. Aufgrund seiner herausragenden Beständigkeit und Bio-kompatibilität sowie der effizienten Verarbeitbarkeit verbucht LSR seit vielen Jahren wachsende Marktanteile. Mit der Spezialisierung auf die Mikrotechnik und Mehrkomponentenanwendungen schöpft der Verarbeiter die Chancen einer weiteren Nische für sich aus. Zu den kleinsten Teilen, die das Unternehmen bis heute gefertigt hat, gehören Dichtungs-ringe für Smartphone-Ladekabel mit einem Produktgewicht von wenigen Tausendstelgramm. „Wir bewegen uns mit diesem Produkt in einem Bereich, in dem die Gravitation außer Kraft gesetzt wird“, sagt Lehmann. „Das Handling von Mikroteilen ist eine Herausforderung.“

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Die Erfahrung und Innovationsstärke des Maschinen- und Anlagenbauers im Bereich Flüssigsilikon gaben für den Kunststoffverarbeiter den Ausschlag, von Beginn an auf den österreichischen Anbieter zu setzen. 17 Spritzgießmaschinen der Baureihen Victory, E-victory und E-mac umfasst der Maschinenpark in Holzhausen.Bildquelle: SEI WOO

Reproduzierbare Qualität zu wettbewerbsfähigen Stückkosten

Es sind vor allem neue Anwendungen, die den Trend zu immer kleineren Bauteilmaßen treiben, unter anderem in den Bereichen Automobilelektronik, Mobilfunk, Lautsprechertechnik und Medizin. Dabei steigen mit sinkenden Bauteilmaßen die Anforderungen an den Spritzgießprozess immer weiter an. „Ich kann für unsere Kunden nur das herausholen, was mir die Spritzgießmaschine und das Werkzeug bieten“, macht Lehmann deutlich. Stabile Produktionsprozesse, höchste Reproduzierbarkeit und Präzision lauten die Anforderungen, die im Falle der Lufteinlassventile von einer Engel E-victory Spritzgießmaschine optimal erfüllt werden. Mit ihrer elektrischen Spritzeinheit in Kombination mit einer servohydraulischen, holmlosen Schließeinheit vereint dieser Maschinentyp eine sehr hohe Präzision mit einer herausragenden Wirtschaftlichkeit. Dies kommt vor allem bei Mehrkomponentenanwendungen zum Tragen. Da in der holmlosen Schließeinheit die Werkzeugaufspannplatten bis an den Rand vollständig ausgenutzt werden können, passen selbst große, ausladende Werkzeuge mit Drehtisch auf vergleichsweise kleine Spritzgießmaschinen.
Insgesamt 17 Spritzgießmaschinen, darunter sechs Mehrkomponentenmaschinen, stehen in den hochmodernen Produktionshallen von SEI WOO in Holzhausen. Alle kommen sie von dem Maschinenbauer im nur 50 Kilometer entfernten Schwertberg. Das Maschinenspektrum umfasst neben E-victory Hybridmaschinen, die für die Produktion der Lufteinlassventile Einsatz finden, hydraulische victory sowie vollelektrische E-mac Maschinen, in die der Silikonverarbeiter für medizin-technische Projekte investiert hat. Ein aktuelles Beispiel sind Kabeldurchführungsdichtungen für Herzschrittmacher.

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Der Silikonverarbeiter produziert ein breites Teilespektrum unter anderem für die Branchen Automobil, Luftfahrt, Elektronik und Life Sciences. Mikro- und Mehrkomponentenbauteile machen im Portfolio einen immer größeren Anteil aus. Bildquelle: SEI WOO

Erfahrung und Innovationsstärke entscheidend

Alle Maschinen arbeiten vollständig automatisiert. „Ohne Automatisierung haben wir in Europa keine Chance“, so Lehmann. „Ich biete unseren Kunden erst dann Musterteile an, wenn ich mir sicher bin, dass wir diese Teile automatisiert herstellen zu können.“
Die Erfahrung mit LSR und die Innovationsstärke in diesem Bereich gaben für Peter Lehmann den Ausschlag, von Beginn an auf das österreichische Maschinenbauunternehmen zu setzen. „Ich konnte bereits bei meinem früheren Arbeitgeber Erfahrung mit Engel sammeln und weiß, dass Engel zu den Technologieführern zählt. Das gibt uns viel Sicherheit und verschafft uns den notwendigen Wettbewerbsvorsprung.“

So gehört der Auomobilzulieferer zu den ersten Anwendern des neuen LSR-Mikrospritzaggregats, das der Maschinen- und Anlagenbauer im Herbst 2020 vorstellt. Zur Marktpremiere werden Präzisionskomponenten für die Augenheilkunde mit einem Teilegewicht von 0,0013 Gramm produziert. „Wir setzen damit neue Maßstäbe“, sagt Leopold Praher, Vertriebsleiter Elast/LIM von Engel. Eine hohe Flexibilität stand bei der Entwicklung des Mikrospritzaggregats im Fokus. Dank Schnellkupplungssystem lässt sich das Aggregat in weniger als 30 Minuten gegen ein herkömmliches Schneckenspritzaggregat tauschen. „Unsere Kunden können die Produktivzeit der Spritzgießmaschine optimal ausschöpfen“, so Praher.

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SEI WOO Österreich in Holzhausen erwirtschaftet mit 25 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von derzeit fast 5 Millionen Euro. Bildquelle: SEI WOO

Entwicklungspartner für das LSR-Mikrospritzaggregat ist ACH Solution. Das auf Silikon und Mehrkomponentenprozesse spezialisierte Werkzeugbauunternehmen ist ebenfalls in Oberösterreich beheimatet und zugleich der wichtigste Werkzeugbaupartner von SEI WOO. Die räumliche Nähe der drei Partnerunternehmen zueinander ist kein Zufall. Oberösterreich ist für die weltweite Silikonbranche eine bedeutende Clusterregion. „Wir profitieren stark von der Nähe unserer Zulieferer. Vor allem im Servicefall und wenn wir Ersatzteile brauchen, sind wir enorm schnell unterwegs“, sagt Peter Lehmann. „Auch das stärkt unsere Wettbewerbsposition.“

ist Public Relations Manager bei Engel in Schwertberg, Österreich.

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