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900 Nm fest verankert im mit 3D-Druck gefertigten Griff: 3S AIG XS zum Warten und Instandhalten von Armaturen. (Bild: 3S Antriebe)

In Deutschland gab es 2016 laut Bundeskartellamt über 6.000 Wasserversorger. Sie stellen sicher, dass für Menschen und Unternehmen der so selbstverständlich gewordene Rohstoff nicht zur Neige geht – immerhin verbraucht jeder Bundesbürger im Schnitt gut 120 Liter am Tag. Die Wartung des Netzes hat daher eine große Priorität, denn es lässt sich leicht erahnen, wie wichtig die korrekte Funktionsweise etwa der benötigten Erdarmaturen ist: Lassen sie sich zum Beispiel nicht schließen, sind bei Rohrbrüchen ganze Straßen geflutet.

Damit das kostbare Nass gebändigt werden kann, müssen diese Armaturen stets gangbar sein; das gilt übrigens auch für alle weiteren Rohrleitungen, etwa bei Gas- und Fernwärmeversorgung. Besonders bei älteren Armaturen kann hier viel Kraft nötig sein. „Dann müssen mehrere Mitarbeiter die Armatur mit hohem Kraftaufwand ein paarmal auf- und zudrehen, um diese wieder gangbar zu machen“, erläutert Daniel Bohle, der beim Berliner Unternehmen 3S Antriebe als Konstrukteur tätig ist. Mit einem Schieberdrehgerät und diversen Zubehörteilen lässt sich jedoch der Anteil an körperlicher Schwerstarbeit erheblich reduzieren.

Das Unternehmen hat ein solches Schieberdrehgerät für den weltweiten Einsatz entwickelt. Das 3S AIG XS kann bis zu 900 Nm Kraft an die Armatur bringen; dank entsprechender Hebelwirkung lässt sich die Maschine bis zu 250 Nm von nur einer Person bedienen. Dieser Kraftprotz ist kein Massenprodukt, was die üblichen und damit einhergehenden Herausforderungen mit sich brachte: Qualitätsschwankungen mit teuren Nacharbeiten, Herausforderungen beim Preis und mangelnder Transparenz bei der Preisgestaltung. Hinzu kam ein relativ hohes Maß an Komplexität der Baugruppe durch verschiedene Techniken und Materialien.

Wirtschaftliche Fertigung bei kleiner Losgröße

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Der funktionsintegrierte Griff wird mit der additiven Fertigung 40 Minuten schneller hergestellt bei stets gleichbleibender Qualität und ohne Nachbearbeitung. (Bildquelle: 3S Antriebe)

Mit diesen Herausforderungen drängte sich die additive Fertigung für das Schiebedrehgerät regelrecht auf – weil sie für kleinere Losgrößen wirtschaftlich und flexibel nutzbar ist. Nachdem das eigentliche Gehäuse wegen seiner Komplexität von Anfang an auf diese Weise hergestellt wurde, legte Daniel Bohle nach diesem Erfolg den Fokus auf den Griff des Schieberdrehgeräts: „Das Bauteil war früher aus Metall gefertigt, wofür wir mehrere Partner benötigten. Wir fertigen zwar in Serie, aber es ist natürlich keine Massenproduktion mit Millionen Stück. Die additive Fertigung ermöglicht uns hier, unabhängiger und mit einem zentralen Ansprechpartner zu agieren“, erläutert der Konstrukteur.

Dieser Partner ist Hasenauer & Hesser mit Sitz in Mühlacker. Hans-Jörg Hesser aus der Geschäftsführung verrät ein paar Details zum Auftrag: „3S Antriebe benötigte bei kurzen und verlässlichen Lieferfristen ein präzise und wirtschaftlich zu fertigendes Bauteil, und das trotz vergleichsweise kleinen Losgrößen. Funktionsintegration spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle, ist aber ebenfalls dabei. Mit Hilfe des 3D-Drucksystems EOS P 770 verfügen wir über die passende Fertigungsanlage.“ Beim Bau des Griffs setzt das Unternehmen den Werkstoff PA 12 (PA 2200) ein.

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Funktionsprinzip des Laser-Sinterns (Bildquelle: EOS)

Das weiße Polyamid 12-Pulver, auch bekannt als Nylon, ist einer der bewährtesten Werkstoffe für den 3D-Druck am Markt. Bauteile, die damit gefertigt werden, sind robust, langzeitstabil, chemikalienresistent und äußerst vielseitig einsetzbar. Additiv gefertigte Endprodukte sind ebenso fest, flexibel und langlebig wie Spritzlinge. Die Polyamid 12-basierten Werkstoffe von EOS, Krailling, bilden eine leistungsfähige Alternative für die im Spritzguss bewährten Kunststoffe wie ABS oder PA6. Das langlebige Polymer ist sehr leicht und sorgt so mit der 3D-optimierten Bauweise für Gewichtsersparnis.

Der eigentliche Produktionsprozess des Teils für den Schiebedrehregler wird in üblicher Form ausgeführt: CAD-Daten bilden die Grundlage, der industrielle 3D-Drucker erstellt den Griff im Anschluss im Schichtbauverfahren. Die erwähnte Funktionsintegration ermöglicht, den Schalter ergonomisch günstig direkt im Griff zu platzieren. Entscheidend ist jedoch, dass bei der gewählten Lösung bei maximaler Flexibilität die Anzahl der Teile und damit die Komplexität der Lieferkette reduziert werden konnten. Zudem zählten für 3S Antriebe weitere Faktoren, insbesondere die Verlässlichkeit als Partner für die Anwender im In- und Ausland sowie die Qualität.

Statt vier Zulieferern nun alles aus einer Hand

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System zum industriellen 3D-Druck (Bildquelle: EOS)

Der von Daniel Bohle neu konstruierte Griff wird in einem Druck gefertigt und die Anzahl der Teile wurde von neun auf ein einziges reduziert. Musste das Unternehmen zuvor noch mit jeweils vier Zulieferern zusammenarbeiten, ist es nun ausschließlich Hasenauer & Hesser. „Das vereinfacht schlichtweg alles, von der Buchhaltung über Verhandlungen bis hin zur Lagerhaltung“, so Bohle. „Wir haben jetzt einen Ansprechpartner für alles, das senkt den Aufwand ganz enorm. Und natürlich profitiert die Qualität, die nun gleichbleibend ist, da die Handarbeit vollständig entfällt.“

Durch die additive Fertigung erübrigt sich das Entgraten, Schneiden, Kleben und Justieren. Dank Funktionsintegration entfällt auch das Schneiden von Gewinden, obgleich diese auch mitgedruckt werden könnten. Die Montagezeit pro Teil sinkt um rund 40 Minuten. Für Bohle zählt vor allem, dass die Lieferzeit zuverlässig, kalkulierbar und kürzer ist: „Wenige Tage statt vieler Wochen.“

Ein weiteres Ergebnis ist eine sauberere Fertigung für die Mitarbeiter, denn das Schleifen und die Laminierung entfallen. Das Thema Wirtschaftlichkeit hat für Bohle mehrere Aspekte: „Es zählt ja nicht nur der Preis an sich, auch dessen Zustandekommen. Beim 3D-Druck ist das alles transparent und volumenbasiert kalkulierbar. Ich persönlich bin froh um jedes Teil, das ich nun aus Kunststoff fertigen kann.“

 

Auf einen Blick

Was industrieller 3D-Druck leisten kann
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Laser-Sinter-Bauvorgang (Bildquelle: EOS)

Der Markt für den industriellen 3D-Druck hat in den letzten Jahren deutlich an Dynamik zugelegt. Lange Zeit wurde die Technologie vor allem zum Bau von Anschauungs- und Funktionsprototypen eingesetzt, wo sie die Produktentwicklung für Unternehmen erheblich beschleunigte. Heute hat die additive Fertigung einen Reifegrad erreicht, der es ermöglicht, Komponenten und Endteile auch in Serie herzustellen. Das liegt vor allem an dem robusten und stabilen AM-Bauprozess, der mittlerweile realisierbar ist. So können Bauteile mit einer sehr hohen Qualität reproduzierbar additiv gefertigt werden. Der immer schneller werdende Bauprozess und eine zunehmende Automatisierung von vor- und nachgelagerten Prozessschritten sorgen gleichzeitig dafür, dass die Systeme stetig produktiver und letztlich die Stückkosten geringer werden.

Doch gerade für die Serienfertigung muss differenziert werden, denn derzeit etablieren sich unterschiedliche AM-Technologien für unterschiedliche Anwendungen. So ist FDM (Fused Deposition Modeling, deutsch: Schmelzschichtung) beispielsweise ein – auf den Drucker selbst bezogen – kostengünstiges aber langsames Fertigungsverfahren für Anwendungen mit üblicherweise niedrigeren Anforderungen an die Bauteileigenschaften. Im Vergleich sind Pulverbettverfahren sowohl bezüglich Bauteilkosten, Geschwindigkeit als auch Reproduzierbarkeit am besten für Serienanwendungen geeignet. Das führende Pulverbettverfahren wiederum ist das Laser-Sintern.

Das Funktionsprinzip ist dabei wie folgt: Zunächst wird eine dünne Schicht des Pulverwerkstoffs auf eine Bauplattform aufgetragen. Ein starker Laserstrahl schmilzt das Pulver exakt an den Stellen auf, die die computergenerierten Konstruktionsdaten vorgeben. Danach senkt sich die Bauplattform ab und es erfolgt ein weiterer Pulverauftrag. Der Werkstoff wird erneut aufgeschmolzen und verbindet sich an den definierten Stellen mit der darunterliegenden Schicht. Diese Schritte wiederholen sich solange, bis das Bauteil fertig aufgebaut ist.

ist Business Development Manager bei EOS in Krailling.

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Unternehmen

EOS GmbH – Electro Optical Systems

Robert-Stirling-Ring 1
82152 Krailling
Germany