Der Formkern des Spritzgießwerkzeugs beinhaltet – von außen nicht sichtbar – an engen Stellen Kupferelemente, um die Wärme zügig zum nächsten Kühlkanal abzuleiten.

Der Formkern des Spritzgießwerkzeugs beinhaltet – von außen nicht sichtbar – an engen Stellen Kupferelemente, um die Wärme zügig zum nächsten Kühlkanal abzuleiten. (Bild: Hermle)

Vor rund vier Jahren entdeckte Jörg Brammeier, Entwicklungsleiter bei Alhorn, auf der Fakuma den Stand der Hermle-Tochtergesellschaft Hermle Maschinenbau (HMG) und informierte sich über ein neuartiges additive Fertigungsverfahren, das Metallpulver mit Überschallgeschwindigkeit auf ein Halbzeug aufträgt – und somit verschiedene Metalle in einem Bauteil kombinieren oder konturnahe Kühlkanäle fertigen kann. Konkret handelte es sich dabei um das Metall-Pulver-Auftrag-Verfahren (MPA). Das thermische Spritzverfahren wird von HMG als Dienstleistung angeboten und hat dafür das 5-Achs-Bearbeitungszentrum C 42 U von Hermle um die Technologie zum Materialaufbau erweitert. Heraus kam die MPA 42. Sie vereint generatives Fertigen und Fräsen und geht damit neue Wege bei der Herstellung großvolumiger Bauteile aus Metall – wie Spritzgießformen. Viel Potenzial für Formenbauer hat die Option, Kupfer selbst an dünnen Stellen mit Werkzeugstahl umschließen zu können. Das sieht auch das Entwicklungsteam bei Alhorn so, wie Sascha Soldato und Waldemar Löwen erläutern: „Das Verfahren ist interessant, weil ich die Wärme wirklich von jedem Hotspot – unabhängig von seiner Lage, der Werkzeuggeometrie oder der -dimension – ableiten kann. So temperiere ich schnell Bereiche, die für andere Medien unerreichbar sind.“ Dabei muss das Kupfer nur bis zum nächsten Kühlkanal gehen, der dann dank ausreichenden Durchmessers die Wärme zügig aus dem Werkzeug leitet. Das ist für Alhorn wichtig. Der Präzisionsformenbauer und Fertiger von Spritzgussteilen baut seit mehr als 40 Jahren hochkavitätige Werkzeuge mit sehr engen Toleranzen für stabile Prozesse. Seit 2014 ist das Unternehmen Mitglied der OKE-Gruppe, ein Verbund von 15 eigeneständigen Firmen, die unter anderem im Bereich Kunststoffspritzguss und -extrusion tätig sind.

Zwei Männer mit Glatze. Der Mann links mit weißem Hemd und Jeans. Der Mann rechts mit Brille, weißem Hemd, blauem Jackett und Jeans. Alhorn-Entwicklungsleiter Jörg Brammeier (links) zusammen mit Werner Gebhart, Vertrieb HMG.
Alhorn-Entwicklungsleiter Jörg Brammeier (links) zusammen mit Werner Gebhart, Vertrieb HMG. (Bild: Hermle)

Damit das Kupfer an der richtigen Stelle sitzt

Etwa 60 Spritzgießwerkzeuge baut das Werkzeugbauunternehmen pro Jahr. Zum Einsatz kommen diese sowohl für externe Anwender als auch für die eigene Spritzgussfertigung. Wie in diesem Fall: Brammeier nimmt ein opalweißes Gehäuse in die Hand. Es wird später in einer Autotür verbaut und beherbergt das Getriebe für einen Fensterheber. Das Unternehmen hat die Formen dafür entwickelt und fertigt nun auf zwei seiner 90 Spritzgießmaschinen die Gehäuse. „Die Simulation zeigte an einer Stelle der Kavität einen Hotspot, den wir mit herkömmlichen Methoden nicht verhindern konnten. Wir hätten das Kunststoffteil länger auskühlen lassen müssen, um Ausschuss durch instabile Maße oder Verzüge im Nachgang zu vermeiden. Das hätte im Endeffekt das Bauteil teurer gemacht und unsere Wettbewerbsfähigkeit gemindert“, erklärt Brammeier.

Der Formenbauer wandte sich an die HMG. Hermle schaute sich die CAD-Daten an und überprüfte oder optimierte die Positionierung der Kupferschicht. Auf Basis der CAD-Daten produzierte Hermle ein Halbfertigteil, das Alhorn intern final bearbeitete – je nach späterer Kontur mittels Hartfräsen, dem Draht- oder Senkerodieren. „Das Know-how, was die Konturierung an den Bauteilen angeht, bleibt bei uns. Dennoch profitieren wir von der optimierten Temperierung“, erläutert Soldato. HMG-Vertriebler Werner Gebhart verdeutlicht: „Wir sind dafür verantwortlich, dass das Kupfer genau an der richtigen Stelle sitzt. Besonders bei sehr dünnen Teilen würde ein Versatz um nur ein Zehntel einen extremen thermischen Unterschied bedeuten. Indem wir Taschen, in die das Kupfer hineinkommt, vorher auf der Maschine mit einer Genauigkeit von einem Hundertstel fräsen, passt aber alles.“ Darauf muss sich der Anwender verlassen können. Denn das, was in dem Halbzeug versteckt ist, kann im Grunde niemand sehen. Daher legte Alhorn vorher Referenzen an dem Rohteil fest. Anhand dieser konnte Hermle das Halbzeug generativ, der Werkzeugbauer final bearbeiten.

Maschinenhalle. Alhorn hat die Fertigung der mit Kontakten und einer Achse bestückten Gehäuseteile automatisiert.
Alhorn hat die Fertigung der mit Kontakten und einer Achse bestückten Gehäuseteile automatisiert. (Bild: Hermle)

Für die Automation ein (Zeit-)Gewinn

Den Einsatz der Form und des Kerns mit dem besonderen Innenleben zeigt Brammeier dann live in der modernen Spritzgussfertigung. Hier werden auf mehreren Drehteller-Spritzgießmaschinen auf Werkzeugen mit jeweils einem Oberteil und zwei Unterteilen die komplexen Gehäuse produziert. Integriert in die Fertigung ist eine Automation, die mit mehreren 6-Achs-Robotern, Vorrichtungen und Stanzbiege-Werkzeugen Kontakte vorbereitet und positionsgenau in die Spritzgießwerkzeuge zum Umspritzen platziert. Anschließend durchlaufen die fertig gespritzten Bauteile diverse optische und elektrische Vollprüfungen. Dabei belegt die geringe Ausschussquote, wie exakt die einzelnen Schritte aufeinander abgestimmt sind und wie stabil der Prozess läuft. „Ohne diese optimierten Temperierungen hätten wir die Bauteile in den geforderten Zykluszeiten und Qualitäten nicht herstellen können“, formuliert Brammeier den Nutzen deutlich. Mit der HMG war es bereits das dritte Projekt – zwei weitere sind in der Planung.

Quelle: Maschinenfabrik Berthold Hermle, Alhorn

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