Dübelhälften

Vorschub verdreifacht: Die Beispielelektrode nach dem Schruppen und nach dem Schlichten der beiden linken „Dübelhälften“ auf Endmaß.
(Bild: Moldino Tool Engineering Europe)

Thomas Brezing weiß um die Anforderungen bei der Grafitbearbeitung: „Beim autonomen Elek­trodenfräsen in der Fertigungszelle hatten wir eigentlich schon einen sehr hohen Stand erreicht“ und ergänzt gleichzeitig: „Trotzdem gibt es noch Luft nach oben – und da wollten wir ran.“ Brezing ist Teamleiter Fräsmaschinen bei Fischer Werkzeug- und Formenbau mit Hauptsitz in Horb am Neckar. Wie der Name schon verrät, entstehen hier unter anderem komplexe Multikavitätenwerkzeuge, mit denen im Produktbereich Befestigungstechnik der Fischer-Unternehmensgruppe die weltbekannten Kunststoffdübel produziert werden. Das Unternehmen darf sich zu den modernsten Werkzeugbaubetrieben im deutschsprachigen Raum zählen, was jüngst durch den Branchenpreis „Werkzeugbau des Jahres 2020“ in der Kategorie „Interner Werkzeugbau über 50 Mitarbeiter“ unterstrichen wurde.

Optimierungsvorbild Hartbearbeitung

„Wir setzen konsequent auf Automatisierung, wobei das autonome Fräsen gegenüber dem Erodieren immer noch die größere Herausforderung darstellt“, erklärt Brezing. Darum wird in Horb kontinuierlich an Prozessen gefeilt. Bereits vor zwei Jahren hat Moldino Tool Engineering Europe (vormals MMC Hitachi Tool Engineering Europe) für den Horber Werkzeugbauer die Fräsprozesse in der Hartbearbeitung optimiert. Das japanische Unternehmen für Präzisionswerkzeuge mit Europasitz in Hilden bei Düsseldorf hat sich auf die Bedürfnisse des Werkzeug- und Formenbaus spezialisiert. Johannes Zimmermann betreut als Prozessoptimierer den Fischer Werkzeugbau bereits seit dem ersten Projekt. „Die gemeinsam erarbeiteten Verbesserungen beim Hartfräsen hatten uns so begeistert, dass wir Herrn Zimmermann kurz danach gebeten haben, auch das Grafitfräsen genau unter die Lupe zu nehmen. Er sollte uns präsentieren, wie die Vorgehensweise mit Moldino-Werkzeugen aussehen könnte“, ergänzt Brezing. Denn bis dahin wurde bei der Grafitbearbeitung noch auf Werkzeuge von anderen Herstellern gesetzt.

(v.l.): Johannes Zimmermann, Prozessoptimierer von Moldino, Thomas Brezing, Teamleiter Fräsmaschinen sowie CAM-Programmierer Helmut Spieß.
(v.l.): Johannes Zimmermann, Prozessoptimierer von Moldino, Thomas Brezing, Teamleiter Fräsmaschinen sowie CAM-Programmierer Helmut Spieß. (Bild: Moldino Tool Engineering Europe)

Nicht direkt Probleme, aber Verbesserungsbedarf

Ebenso wie ein großer Teil der Hartbearbeitung findet das Elektrodenfräsen in der gut 16 m langen Fertigungszelle statt. Zwei 5-achsige Bearbeitungszentren zum Grafitfräsen (Makino V33i Graphite) sowie zur Stahl-Hartbearbeitung (Makino D 500) sind hier mit den beiden Senkerodiermaschinen (Makino EDAF 3), der Teilewaschanlage, dem Koordinatenmessplatz (Zeiss Contura) und den Lagerplätzen über einen auf Linearschienen geführten Kuka-Knickarmroboter verkettet. Am Standort Horb werden in dieser Zelle alle benötigten Elektroden, auch für die EDM-Anlagen außerhalb, hergestellt.

„Wir waren mit dem damaligen Ist-Zustand zwar nicht unzufrieden und hatten auch nicht direkt Probleme, aber eben Verbesserungsbedarf“, erläutert Brezing die Ausgangslage. „Da war einmal der hohe Verschleiß, weshalb wir viele Werkzeuge im Jahr kaufen mussten.“ Hinzu kam der Wunsch nach kürzeren Bearbeitungszeiten. Auf den besonders heiklen Punkt Maßhaltigkeit weist Helmut Spieß hin, der als CAM-Programmierer und Fachmann des automatischen Grafitfräsens von Anfang an in das Projekt involviert war.

„Es gab innerhalb einer Serie immer wieder Toleranzüberschreitungen. Diese wurden zwar beim prozessinternen Koordinatenmessen der Kontur aufgedeckt, was aber Nacharbeit einschließlich des Aufwands für die Korrekturprogramme nach sich zog.“ Das Unternehmen setzt für die Fräsprogrammierung auf die Lösungen von Siemens NX, mit dessen parametrischen 3D-System auch die Werkzeuge konstruiert werden.

Beim Schruppen zu viel Aufmaß

Wie zuvor bei der Hartbearbeitung ging Zimmermann auch beim Grafitprojekt nach der von Moldino speziell für den Fräsbereich entwickelten Production-50-Methode (P50) vor. Dabei geht es darum, gemeinsam mit den Anwendern die bestehenden Fräsprozesse zu analysieren, um mit diesen Einblicken eine neue Perspektive auf den gesamten Fertigungsprozess zu erhalten. Durch diese ganzheitliche Betrachtungsweise werden Verbesserungspotentiale identifiziert und können nachhaltig optimiert werden. Diese werden in ausführlichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen festgehalten und zeigen den Unternehmen den Mehrwert dieser Umstellung auf.

Im ersten Schritt der Prozessoptimierung steht die Ist-Analyse: Dafür wurden Zimmermann von Brezing vier unterschiedliche Elektroden für die Identifizierung von Optimierungspotential genannt. Dabei untersuchte er nicht nur die bisherigen Fräsparameter wie Bearbeitungsstrategien, Werkzeugauswahl oder Schnittwerte, sondern auch welchen Einfluss die NC-Programme auf das Verhalten der Maschine haben. Denn gerade diese Parameter beeinflussen die Dynamik und Laufzeit der Prozesse. Dabei ist aufgefallen, dass beim Schruppen die Strategien und das Aufmaßverhalten nicht im Einklang waren. So musste das Schlichtwerkzeug eine große Menge Material wegnehmen, was zu Problemen bei der Maßhaltigkeit führte. Dies kann CAM-Spezialist Spieß bestätigen: „Um doch noch auf Maßhaltigkeit zu kommen, sind wir in den kleinen Bereichen mit dem Vorschub immer weiter heruntergegangen.“ Dies resultierte in längeren Bearbeitungszeiten.

Zusammen mit Spieß feilte Zimmermann an den CAM-Strategien und testete verschiedene Torus- und Kugelfräser-Kombinationen der diamantbeschichteten D-EPDR und D-EPDB-Reihe von Moldino. Um die Prozessnähe zu gewährleisten, fanden alle Tests auf der 5-achsigen Makino V33i statt. „Wir haben dann beim Schruppen gegenüber früher die Aufmaße stark verringert und gehen näher an das Endmaß heran“, beschreibt Spieß die neue Vorgehensweise. „So konnten wir den Vorschub verdreifachen und haben weniger Verschleiß“, ergänzt Zimmermann. Er verweist auf die Vorschubwerte Vf für die Kugelwerkzeuge mit 10 mm Nutzlänge zum Schlichten: „Hier wurden früher 733 mm/min gefahren, heute macht Fischer das mit dem Moldino D-EPDB-2010-10 mit 2.200 mm/min – und das auch in engsten und kleinsten Bereichen.“

Um die Prozessnähe zu gewährleisten, fanden alle Tests auf der 5-achsigen Makino V33i Graphite statt (Bild), die Bestandteil der Fertigungszelle ist. Neben den Maschinen befindet sich der ebenfalls eingebundene Koordinatenmessplatz.
Um die Prozessnähe zu gewährleisten, fanden alle Tests auf der 5-achsigen Makino V33i Graphite statt, die Bestandteil der Fertigungszelleist. Neben den Maschinen befindet sich der ebenfalls eingebundene Koordinatenmessplatz. (Bild: Zeiss Contura)

Höhere Maßhaltigkeit, bessere Oberflächen

Ein Teil der Optimierungen beinhaltet auch die Prüfung der Werkzeugdatenbank sowie die Abstufung der Werkzeuge. Da beim Schlichten jetzt kürzere Nutzlängen eingesetzt werden, entsteht weniger Deflektion und im Ergebnis eine höhere Genauigkeit sowie ein verbessertes Endmaß. „So garantieren wir auch auf längere Sicht die Maßhaltigkeit, was ebenfalls ein Ziel des Projekts war“, führt Zimmermann aus. Wichtig ist zudem ein homogenes Aufmaß, also dass beim Grafitfräsen immer mit dem gleichen Wert gearbeitet wird, „damit auch in Serie eine stets reproduzierbare Qualität erreicht wird.“ Außerdem tragen die verbesserten Anfahrtsstrategien beim Schlichten zur Steigerung der Bearbeitungsgeschwindigkeit bei. Zimmerman resümiert, „wichtig ist das richtige Zusammenspiel aller Parameter.“

Die Schruppstrategien wurden ebenfalls analysiert, so ist beispielsweise die trochoidale Seitenbearbeitung implementiert worden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Schneiden des Torusfräsers besser ausgenutzt werden. Und auch dies ist Zimmermann wichtig: „Alle neu eingestellten Parameter haben wir fest in der Werkzeugdatenbank hinterlegt, sodass Fischer im Tagesgeschäft einfach und absolut prozesssicher an die Toleranzgrenze heranfräsen kann.“ Teamleiter Brezing spricht noch einen zusätzlichen Vorteil an: „Das optische Bild der Elektrode hat sich gegenüber früher deutlich verbessert.“ Dies macht sich auch bei den Werten im Messprotokoll bemerkbar.

Neben den neu entwickelten Bearbeitungsstrategien war auch die Qualität der jetzt verwendeten Moldino-Werkzeuge entscheidend für den Projekterfolg. Die diamantbeschichteten Torus- und Kugelfräser der D-EPD-Reihe sind speziell für die Grafitbearbeitung ausgelegt und decken einen breiten Durchmesserbereich von 0,1 bis 10 mm ab. Das Portfolio beinhaltet dabei Nutzlängen bis 30xD. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die nach hinten verjüngte, tropfenförmige Seitenschneide (DC < 4 mm), auch Backdraft genannt. „So hat die Seitenschneide weniger Kontakt, was den Seitenschnittdruck und damit die Deflektion reduziert und schlussendlich für mehr Maßhaltigkeit sorgt.“ Im Ergebnis werden deutlich bessere Oberflächen erzielt, da der Backdraft die Vibrationen (Eigenfrequenz) verringert.

Mehr trochoidale Seitenbearbeitung, weniger Z-Konstant: Schruppbearbeitung der Beispielelektrode mit dem Moldino-Torusfräser D-EPDR- 4060-20-10.
Mehr trochoidale Seitenbearbeitung, weniger Z-Konstant: Schruppbearbeitung der Beispielelektrode mit dem Moldino-Torusfräser D-EPDR-
4060-20-10. (Bild: Zeiss Contura)

Mit weniger Werkzeugen schneller zum Ziel

Brezing führt insbesondere die enorme Zeitersparnis an, die erreicht wurde: „Früher haben wir zum Fräsen der Projektelektrode 265 Minuten benötigt, jetzt sind es nur noch 185 Minuten.“ Das wirkt sich positiv auf die Fertigungskosten aus, unterstreicht der Teamleiter. „Weil wir in der gleichen Zeit mehr zerspanen und zudem weniger Werkzeuge einsetzen.“ Denn bisher sind bei dieser Projektelektrode sieben Werkzeuge zum Einsatz gekommen, „jetzt machen wir es mit vier.“ Auf diese Weise sind die Beschaffungskosten für die Werkzeuge gesunken.

Weniger Werkzeuge bedeuten auch weniger Rüstaufwand. „Die Manpower, die wir für das Rüsten, also Voreinstellen und Wechseln der Werkzeuge benötigen, ist weniger geworden“, berichtet Brezing. „Dies wirkt sich auch positiv bei der Vorbereitung auf den mannlosen Wochenendbetrieb aus und steigert damit deutlich die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens Fischer.“ Spieß aus der CAM-Abteilung bilanziert das Projekt ebenfalls positiv.

„Eines der Highlights bei diesem Projekt war die Erkenntnis, dass wir auch bei der Grafitbearbeitung mit kleinen Kugelwerkzeugen hohe Vorschübe fahren können“, fasst Brezing abschließend zusammen. „Wir haben beim Schlichten den Vorschub um den Faktor drei erhöht und sind trotzdem noch maßgenauer.“ Bei gleicher Standzeit gegenüber früher arbeitet das Unternehmen mit den  neuen Diamantwerkzeugen dreimal so viel ab. „Wir haben die kleinen Werkzeuge also richtig auf Touren gebracht.“

Die Beispielelektrode mitsamt Halter auf dem Nullpunktspannplatz der Koordinatenmessmaschine.
Höhere Maßhaltigkeit, bessere Oberflächen und darum so gut wie keine Nacharbeit mehr: Die Beispielelektrode mitsamt Halter aufdem Nullpunktspannplatz der Koordinatenmessmaschine. (Bild: Zeiss Contura)

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