In einer Maschinenhalle: Links eine jüngere Frau mit braunen hochgesteckten Haaren und grünem Jackett. In der Mitte eine Frau (Siegrid Sommer) mit kurzen schwarzen Haaren und einem schwarzen Hosenanzug. Links ein Mann (Philip Bittermann) mit kurzen dunklen Haaren, weißem Hemd und grauem Anzug. In der MitteSiegrid Sommer ließ es sich nicht nehmen, ihre Gäste noch einmal persönlich durch die Werkshalle zu führen.

Siegrid Sommer ließ es sich nicht nehmen, ihre Gäste noch einmal persönlich durch die Werkshalle zu führen. (Bild: Harald Wollstadt)

Der Termin unseres Gesprächs ist Montag, der 25. März 2024. Das ist darum bemerkenswert, weil Siegrid Sommer nur wenige Tage später, nämlich den 28. März 2024, ihre Position als Geschäftsführerin bei Günther Heisskanaltechnik verlassen und in den Beirat wechseln wird. Damit beendet nicht nur die ranghöchste Angestellte den operativen Teil ihrer Karriere, sondern auch die mit der längsten Betriebszugehörigkeit: Sommer war seit dem Jahr 1985 Teil des Unternehmens. Höchste Zeit also für einen Besuch in Frankenberg, für ein Interview mit ihr und dem künftigen alleinigen Geschäftsführer: Dr. Stefan Sommer.

Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Geschichte Ihres Unternehmens geben?
Siegrid Sommer: Gerne. Aber da muss ich mich wirklich kurzfassen, sonst sitzen wir hier wahrscheinlich den ganzen Tag… Günther Heisskanaltechnik wurde 1983 von Herbert Günther gegründet. Herr Günther hatte bereits davor in einer anderen Firma der Heißkanal-Branche gearbeitet und sich dann mit der Idee eines außenbeheizten Heißkanalsystems selbstständig gemacht. 1984 haben wir dann die ersten kleineren Systeme ausgeliefert – eine Düse mit der Nummer 3 haben wir im Übrigen vor ein paar Jahren zurückerhalten und nun in einer kleinen Vitrine hier im Gebäude ausgestellt. Zum 1. Januar 1985 kam dann ich dazu, als Mädchen für alles der ersten Stunde: Schriftarbeiten, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Korrespondenz und alles was dazugehört am Vormittag, nachmittags wurde dann gezeichnet und konstruiert. Und das alles zu Beginn noch im Keller des Wohnhauses der Familie Günther und einer alten Feldscheune. Noch im Jahr 1985 konnten wir die Räume einer ehemaligen Weberei beziehen, die leider insolvent gegangen war, aber zu einem passenden Zeitpunkt für unsere eigene Expansion. Für den nächsten großen Schritt, das erste eigene Gebäude, erwarben wir das Gelände einer ehemaligen Stuhlfabrik. Hier entstand dann unsere Fertigungshalle, die wir zum Jahresende 1999 beziehen konnten. Im Jahre 2000 haben wir dann die Verwaltung aufgebaut. 2007 haben wir 1,5 Mio. Euro in die Hand genommen, um ein Forschungslabor mit eigenem Reinraum inklusive Siebdruck-Anlage und Ofen für die Dickschicht-Technik einrichten zu können. Das war eine spannende Geschichte und begründete die erfolgreiche Entwicklung der Blueflow-Heizer. Vielleicht begründet diese Anekdote auch unseren Ruf in der Branche: Denn so heißt es immer wieder, harte Nüsse, die werden bei Günther Heisskanaltechnik geknackt. 2009 stand mit der Umstellung auf SAP die nächste große Investition an, sodass wir mittels Betriebsdatenerfassung mehr Transparenz in unseren Prozessen erreichen konnten, also beispielsweise wissen, wie viel Zeit wir wirklich für die Fertigstellung einer unserer Heißkanäle brauchen. 2014 haben wir dann noch eins draufgesetzt, indem wir ein Fertigungs-Planungstool eingeführt haben. So können wir genau abschätzen, welche Durchlaufzeiten ab dem Auftragseingang zu erwarten sind. Besonders spannend wird das immer dann, wenn der Kunde uns seinen Wunschtermin für die Lieferung nennt und das Planungstool einen Starttermin in der Vergangenheit ausgibt. Dann sind unsere Fertigungsplaner und Prozessmanager gefragt, die ohnehin gut ausgelastet sind. Aber mit der richtigen Fokussierung unserer Kapazitäten gelingt das. Was aber auch heißen kann, dass andere, weniger drängende Projekte, die zu diesem Zeitpunkt bereits laufen, erst einmal zurückgestellt werden müssen. Und das kann sich nur ein Unternehmen, wie wir es sind, leisten, sprich: das über die entsprechende Liquidität verfügt. 2018 haben wir dann das Verwaltungsgebäude aufgestockt – um die Zeit also, als die Pandemie ausbrach. Nun liegt das zwar hinter uns, aber geblieben ist, dass viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun mobil arbeiten und wir die erweiterte Bürofläche aktuell gar nicht benötigen. Aber ich sehe das ganz praktisch: So sind wir für weiteres Wachstum gerüstet. Und für die Zeit, in der selbst dies nicht mehr genügt, haben wir hier nebenan bereits ein Grundstück im Gewerbegebiet mit 24.000 m2 Fläche erworben. Wir sind also bereit, auch in den kommenden Jahren kräftig zu expandieren.

Eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren und schwarzen Jackett sitzt an einem Besprechungstisch. Die scheidende Geschäftsführerin bleibt dem Unternehmen durch den Wechsel in den Beirat erhalten. Und hat auch sonst viele Pläne für die Zeit „danach“.
Die scheidende Geschäftsführerin bleibt dem Unternehmen durch den Wechsel in den Beirat erhalten. Und hat auch sonst viele Pläne für die Zeit „danach“. (Bild: Harald Wollstadt)

Wenn man Ihnen so zuhört, dann folgte auf eine Expansion die nächste, in Summe also eine Erfolgsgeschichte. Aber trotzdem gab es doch bestimmt die eine oder andere Herausforderung während Ihrer Zeit hier im Unternehmen, auf die Sie besonders stolz sind, dass Sie diese gemeistert haben.
Siegrid Sommer: Die vielleicht größte Herausforderung war weniger technischer Natur, sondern die Tatsache, dass ich mich als Frau in einer Männerdomäne behaupten musste. Das war 1985 nicht so einfach, das können Sie mir glauben. Aber da kann ich auch nur sagen: Danke an Herrn Günther, der mir immer den Rücken gestärkt hat und der mir auch immer gesagt hat: „Das kannst du, und du musst dafür auch nicht studieren.“ Mein Entwicklungsleiter und unser Fertigungsleiter haben mir am vergangenen Freitag auf der Abschiedsfeier ein paar Zeilen mit auf den Weg gegeben: „Wie kann es sein, dass eine junge Frau, eine ausgebildete technische Zeichnerin, bei ihrer Industriemeister-Prüfung die Benchmark setzt und gleichzeitig ganz nebenbei eine Schwangerschaft austrägt? Wie kann es sein, dass eine Frau nach der Konstruktionsleitung auch die technische Leitung übernimmt und wiederum ein paar Jahre später in die Geschäftsleitung berufen wird?“ Bis heute bin ich eine der wenigen Geschäftsführerinnen, die in einem technischen Unternehmen so lange an der Spitze stand. Das ist es, was ich rückblickend als ganz persönliche Herausforderung empfunden habe und auf die ich stolz bin, sie gemeistert zu haben. Vor 35 Jahren, da gab es den Begriff in Deutschland noch gar nicht, habe ich schon Homeoffice gemacht. Mein Sohn im Kinderzimmer, stand ich tagsüber am Zeichenbrett, am Abend kam dann Herr Günther, der die aktuelle Arbeit abholte und neue vorbeibrachte. Das war unser Homeoffice, denn es gab noch keine Computer, und es gab noch kein Handy. Die ersten Schreiben habe ich damals, wenn es schnell gehen musste, über einen Teleschreiber abgesetzt. Die jungen Leute wissen wahrscheinlich gar nicht mehr, was das ist. Wir haben dann auf einem Lochband geschrieben, welches wir abends um 18 Uhr, weil dann die Telefoneinheiten günstiger waren, eingespielt haben. Um solche Aspekte muss sich heute niemand mehr einen Kopf machen.

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„Ich bin mit Herz und Seele Technikerin.“

Siegrid Sommer

Und wenn Sie einmal an Ihre Anfänge zurückdenken und diese mit den letzten Wochen und Monaten vergleichen: Was sind die aus Ihrer Sicht bemerkenswertesten Veränderungen in der Kunststoffindustrie – im Guten wie im Schlechten?
Siegrid Sommer: Ich würde sagen, jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Als wir vor 40 Jahren anfingen, konnten im Kunststoffbereich viele mit dem Begriff Heißkanal nicht wirklich etwas anfangen. Werkzeugmacher haben damals im Grunde ihre eigenen Heißkanalsysteme entwickelt. Damals war aber auch die Anzahl der Kavitäten pro Werkzeug wesentlich kleiner, 2-fach-, 4-fach- und 8-fach-Werkzeuge waren schon selten. Und wenn sie heute mal schauen: Wer fängt denn noch unter 24- oder 48-fach an?
Es wird also immer mehr und mehr gefordert; und auch die Kunststoffe selbst haben sich verändert. Wenn ich überlege, als in den ersten Jahren Polycarbonat verarbeitet wurde, hat es niemanden interessiert, wenn da schwarze Pünktchen im Material zu sehen waren – das war schlicht der Standard beim Kunden. So etwas bräuchte ich doch heute niemandem mehr vorstellen! Und mit den Kunststoffen mussten wir uns auch kontinuierlich mitentwickeln und mussten die Herausforderungen, die ein neuer Kunststoff mit sich brachte, mit unseren Technologien adressieren und darauf abstimmen. Deswegen ist es auch so wichtig, mit den Materialherstellern zusammenzuarbeiten und sich regelmäßig auszutauschen. Ganz aktuell geht es hier beispielsweise um Biokunststoffe. Wobei diese uns bisher vor keine größere Herausforderung gestellt haben und wir diese mit unseren Standardsystemen verarbeiten können. Auch die Messen haben sich verändert. Früher haben wir dort noch über richtige Projekte gesprochen, da sind die Leute mit Zeichnungen unterm Arm und Teilen oder auch Prototypen in der Hand auf unseren Stand gekommen – und wenn alles gut lief, wurde noch auf der Messe ein Kontrakt unterschrieben oder auch mit Handschlag besiegelt. Heute sind Messen überwiegend etwas, wo man präsent ist; wo man hingeht, um zu sehen und gesehen zu werden. Deswegen liebe ich persönlich auch immer noch die Fakuma, weil die noch ein bisschen anders ist als andere große Kunststoff-Messen. Da wuchs und wächst über die Jahre eine regelrechte Familie zusammen, die sich immer wieder trifft – man kennt sich untereinander. Es hat sich einiges geändert über die Jahre, und es wird sich auch in Zukunft noch vieles ändern. Für ein Unternehmen wie Günther Heisskanaltechnik heißt das, man muss sich immer wieder neu hinterfragen und neu aufstellen. Aber das haben wir bisher und das werden wir im Team immer gut meistern. Und darum ist mir vor der Zukunft auch keineswegs bange.

Stichwort Familie: Sie haben am Donnerstag ihren letzten Arbeitstag als Geschäftsführerin, ab dann ist Ihr Sohn alleiniger Geschäftsführer. Nun ist er bereits seit längerem in verschiedenen Positionen im Unternehmen. Sie hatten also den Luxus einer wirklich langfristigen Übergabe. Um aber hier vielleicht einmal das Destillat herauszubilden – was sind die wichtigsten Dinge, die Sie ihm mit auf den Weg gegeben haben?
Siegrid Sommer: Ich habe ihm mit auf den Weg gegeben, dass er, wenn es ums Unternehmen geht, die Werte, die wir haben, weiterleben und wichtige Entscheidungen im Team erarbeiten soll, dann steht auch das Team hinter ihm – und zwar nicht nur das Team hier vor Ort, sondern das komplette Unternehmen. Und dass der Kunde bei all unserem Handeln stets im Mittelpunkt stehen muss. Denn weder ein Herr Günther noch eine Frau Sommer zahlt das Gehalt der Mitarbeiter; das sind unsere Kunden. Sie geben uns letztendlich die Möglichkeit, für sie zu arbeiten und damit das Unternehmen am Leben zu halten und zu wachsen. Weiterhin wichtig: Er darf die Liquidität nicht aus den Augen verlieren. In unserer Produktion steht keine Maschine, die älter als zehn Jahre ist. Und keine davon ist finanziert. Und auch wenn wir am Ende des Tages ein gewinnorientiertes Unternehmen sind: Er darf die Menschlichkeit nicht verlieren; muss für alle da sein, egal ob Mitarbeiter, Kunde oder Lieferant.

Mann mit kurzen braunen Haaren, Brille und hellblauem Hemd sitzt an einem Besprechungstisch. Dr. Stefan Sommer ist ab jetzt alleiniger Geschäftsführer bei Günther Heisskanaltechnik.
Dr. Stefan Sommer ist ab jetzt alleiniger Geschäftsführer bei Günther Heisskanaltechnik. (Bild: Harald Wollstadt)

Herr Dr. Sommer, was hat Sie eigentlich motiviert, bei Günther Heisskanaltechnik in die Geschäftsführung einzusteigen?
Dr. Stefan Sommer: Der Grundstein wurde, glaube ich, bereits während meiner Promotion gelegt, als ich erstmals eigene Projekte managen und kleinere Teams führen durfte. Damals waren das natürlich Entwicklungsteams, aber nicht nur in der eigenen Arbeitsgruppe, sondern auch die Organisation von internationalen Projekten. Aber warum nun Geschäftsführung und dann auch eines mittelständischen Familienunternehmens? Das ist ja in sich was Besonderes, Geschäftsführer eines Konzerns beispielsweise, das sind meist Finanzpersonen, die irgendwelche Finanzen hoch- und runterrechnen. Bei einem Familienunternehmen sieht das ganz anders aus, hier ist man Techniker, ist man Kaufmann, ist man aber auch gleichzeitig Seelsorger für ganz viele Mitarbeiter und ganz nah an der Basis dran. Und das ist eigentlich das Faszinierende an so einem mittelständischen Familienunternehmen, dass man in der Geschäftsführung in allen Bereichen den Einblick hat. Ich will nicht sagen, dass ich unbedingt der Fachexperte in jedem Detail bin. Aber doch zumindest der Ansprechpartner für alle. Und das ist eine große Herausforderung, auch manchmal anstrengend, muss man ganz offen sagen, weil man am Ende wirklich für jeden Aspekt verantwortlich ist. Ich will mich hier aber natürlich nicht beschweren, im Gegenteil: Es macht sehr viel Freude, wenn man auch sieht, dass man Dinge bewegen kann. Ich kann mich in der Technik einbringen und somit aktiv unsere Produkte mitgestalten, im Vertrieb beim Kunden vor Ort sein und natürlich auch in der Personalführung meine Kolleginnen und Kollegen auf ihrem Karriereweg begleiten. Und natürlich habe ich als Geschäftsführer der Firma Günther Heisskanaltechnik auch einen sehr guten Kontakt zu unserem Gründer Herrn Günther, der im Hintergrund noch immer gerne informiert ist, mir aber im operativen Tagesgeschäft alle gewünschten Freiheiten lässt. Als er mich im Januar 2023 zum Geschäftsführer bestellte, gab er mir mit auf den Weg, ich solle agieren wie ein Unternehmer und nicht nur wie ein Geschäftsführer. Also nicht einfach zu führen und zu verwalten, sondern auch strategisch wie ein Unternehmer zu agieren. Und das sehe ich als einen ganz großen Vertrauensbeweis beziehungsweise einen großen Vertrauensvorschuss, dem ich hoffe, gerecht zu werden.

Ist Herr Günther eigentlich auch noch regelmäßig hier im Unternehmen?
Stefan Sommer: Herr Günther hält natürlich engen Kontakt zum Unternehmen, schließlich ist er ja der Beiratsvorsitzende. Circa einmal in der Woche schaut er im Büro rein, darüber hinaus tauschen wir uns mindestens ein- bis zweimal die Woche aus. Dann geht es aber um strategische Fragen, nicht um das aktive Tagesgeschäft.

Ob Bundeskanzler oder Unternehmenslenker: Gerne werden die ersten 100 Tage im Amt als richtungsweisend dargestellt. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Stefan Sommer: Ich glaube, es wäre vermessen, nur auf die ersten 100 Tage zu schauen, schließlich haben wir hier keinen Bruch, sondern einen fließenden Übergang, der sich über die letzten Jahre erstreckte. Im Endeffekt bin ich jetzt im siebten Jahr im Unternehmen und im zweiten Jahr in der Geschäftsleitung, und darum gibt es bereits jetzt einige Projekte, die von mir geführt wurden. Momentan haben wir mehrere große Themen vor der Brust, beispielsweise ein großes Digitalisierungsprojekt, bei dem es um eine bessere Programmierung geht, die Verzahnung von der Konstruktion direkt zum automatisierten Programm. Diese Art von Projekt sieht man nicht sofort, wie es beispielsweise bei der Investition in eine neue Maschine oder ein Robotiksystem der Fall ist. Darüber hinaus haben wir noch laufende Forschungsprojekte, die mir sehr am Herzen liegen. Außerdem schreibe ich mir groß auf die Fahne, ein weiteres Standbein für die Firma aufzubauen. Heißkanaltechnik hat das Unternehmen in den letzten 40 Jahren groß gemacht. Was aber nicht heißt, dass wir mit neuen Produkten nicht noch größer werden können, die nicht unbedingt mit Heißkanaltechnik zu tun haben. Wir sind bekannt dafür, in Nischen zu arbeiten, und ich sehe gerade hier in Europa ein großes Potenzial für Projekte, die ich in den nächsten 100 Tagen anstoßen möchte. Ansonsten hoffe ich natürlich, dass aus den ersten 100 Tagen viele weitere 100 Tage werden.

Dann vielleicht auch einmal etwas langfristiger: Wie sehen Sie die Zukunft der Kunststoffbranche und welche Rolle soll hier Günther Heisskanaltechnik spielen?
Stefan Sommer: Die Kunststoffbranche erlebt hier in Europa sicherlich gerade einen großen Wandel. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema, genau wie auch Energieeinsparungen. Grundsätzlich sehe ich, dass sich das Unternehmen diverser aufstellen muss. Das heißt, dass wir versuchen, neben unserem europäischen Markt auch andere Regionen der Welt stärker zu erschließen – insbesondere sehe ich da den amerikanischen Markt, wo langsam auch die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz Fahrt aufnehmen und wo wir mit unseren Blueflow-Lösungen punkten können. Die Kunststoffbranche wird sich gerade hier in Europa immer stärker auf Spezialanwendungen fokussieren, während sich die klassischen Applikationen wie mit unverstärktem Polypropylen mehr in die Niedriglohnländer verlagern werden. Für diese wird auch nicht unbedingt ein Günter Heißkanal benötigt, da bin ich ganz offen. Wir sehen uns eher bei den technischen Kunststoffen und Hochleistungskunststoffen, also hundertprozentig bioabbaubare Kunststoffe, Kunststoffe mit vielen Additiven, und auch das klassische Polyamid-6 wird vielleicht nicht komplett verdrängt werden, der Marktanteil aber sicherlich weniger werden. Papierspritzguss kommt ebenfalls immer wieder auf. Und hier, bei diesen Spezialanwendungen, sehe ich unsere langfristige Zukunft.

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"Die Kunststoffbranche wird sich immer stärker aus Spezialanwendungen fokussieren"

Dr. Stefan Sommer

Stichwort USA: Heißt das, dass Günther Heisskanaltechnik hier künftig auch eine stärkere eigene Präsenz haben wird?
Stefan Sommer: Bereits in der Vergangenheit gab es einmal eine eigene Niederlassung in den Staaten, die mehr ein Service-Stützpunkt, aber auch mit einer kleinen Produktion vor Ort war. Das Ganze war damals nicht sehr erfolgreich, und auch zumindest im Moment sehe ich den amerikanischen Markt eher als Vertriebsmarkt. Wie sich dieses Bild in zehn, fünfzehn Jahren darstellt – das muss man dann einfach schauen. In jedem Fall soll aber unser Know-how hier in Deutschland bleiben.

Was Sie definitiv bereits vorher beschäftigen wird: der Fach- beziehungsweise Arbeitskräftemangel. Wie wollen Sie Günther Heisskanaltechnik positionieren, um junge Menschen für Ihr Unternehmen zu begeistern?
Stefan Sommer: Hier vor Ort ist es sicherlich auch für uns noch mal schwieriger, Fachkräfte, vor allem auch junge Fachkräfte zu bekommen. Das hängt mit der schlechten Infrastruktur hier in der Region zusammen, aber auch damit, dass sich im Raum Frankenberg gleich mehrere Unternehmen um Fachkräfte wie studierte Kunststoffingenieure oder Ähnliche reißen.
Diesem Thema können wir nur durch einen engen Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und Wirtschaftsverbänden wie auch den Unternehmen vor Ort Herr werden, sodass Frankenberg beispielsweise auch attraktiv für Rückkehrer wird. Denn leider verhält es sich so, dass nur ganz selten völlig Fremde mit akademischem Hintergrund nach Frankenberg ziehen – das ist eine Realität, der wir uns stellen müssen. Ausbildung ist ebenfalls ein heikles Thema. Die Kombination aus zurückgehenden Geburtenjahrgängen und einer zu großen Diversität an Ausbildungsberufen führt dazu, dass es immer schwieriger wird, Berufsschulklassen ausreichend zu besetzen. Das führt dazu, dass viele Ausbildungsberufe nicht mehr hier in Frankenberg oder zumindest in unmittelbarer Nähe angeboten werden können und somit junge Menschen ohne Führerschein hier keine Ausbildung mehr starten können. Denn mit öffentlichem Nahverkehr in der Region ist das schier unmöglich. Darum setzen wir nun bereits seit vielen Jahren erfolgreich auf das duale Studium und haben hier mit der Technischen Hochschule Mittelhessen einen sehr guten Partner vor Ort. Dieses duale Studium, gerade das Maschinenbaustudium, ersetzt in einigen Bereichen mittlerweile die klassische duale Ausbildung. Diese Option ist natürlich auch für die jungen Menschen attraktiv, die am Ende einen Bachelor-Abschluss in der Hand haben. Darüber hinaus setzen wir auf Kooperationen mit den Universitäten, über die wir Studierende über Praktika oder Abschlussarbeiten erfolgreich an uns binden können. So haben wir mittlerweile von der Bachelorarbeit bis hin zur Promotion so ziemlich alles im Unternehmen gehabt und konnten den einen oder anderen danach auch fest übernehmen.

Und wie steht es um die Fachkraft Siegrid Sommer, bleiben Sie und Ihre Expertise dem Unternehmen in irgendeiner Funktion erhalten?
Siegrid Sommer: Bei uns ist über die Gesellschafterverträge geregelt, wie die Nachfolge stattfindet. Das Unternehmen gehört sich im Grunde genommen selbst. Hauptanteilseigner ist nach wie vor Herr Günther, wobei seine Gründeranteile irgendwann an die Firma fallen werden. Verdiente Geschäftsführer haben dann die Möglichkeit, Anteile zu erwerben und sich damit einzukaufen. Die Firma, das steht fest im Gesellschaftsvertrag, darf weder verkauft noch vererbt werden. Damit will man erreichen, dass das Unternehmen auf lange Jahre gesichert ist und nicht durch eine Vielzahl von Gesellschaftern zerschlagen werden kann. Und um Ihre Frage zu beantworten: Im Gesellschaftervertrag steht ebenfalls, dass ich mit meinem 65. Lebensjahr als aktive Geschäftsführerin automatisch ausscheide und in den Beirat wechsle. Bei dessen quartalsmäßiger Tagung ist dann auch der aktuelle Geschäftsführer anwesend, der dem Beirat dann Rede und Antwort stehen und sich verantworten muss.

Daneben bleibt dann hoffentlich noch ein bisschen Zeit für Sie selbst. Wenn Sie uns also eine etwas persönliche Frage gewähren: Welchen Hobbys geht eine Siegrid Sommer nach?
Siegrid Sommer: Zunächst einmal freue ich mich, wieder mehr Zeit mit meinem Mann verbringen zu können. Ihm habe ich viel zu verdanken, so hat er im Grunde die Erziehung unseres Sohnes fast alleine gestemmt. Und ich denke, er hat es ganz gut hingekriegt. Durch meine Arbeit und die vielen Reisen, die ich im In- und Ausland hatte, hatte ich immer mehr Arbeit als Familie, und nun freue ich mich darauf, dass wir nun vieles gemeinsam machen können; und das hoffentlich noch viele, viele Jahre in Gesundheit.
Ansonsten möchte ich es einfach nur genießen, nicht ständig Termine zu haben. Denn letztendlich bist du auch als Geschäftsführer sehr fremdbestimmt – und das ist nach Corona sogar noch schlimmer geworden als vorher, vor allem durch die Vielzahl an Teams-Meetings, die schnell den Kalender füllen. So bleibt dann oft zwischendurch keine Zeit mehr, einmal einen Brief oder eine E-Mail in Ruhe zu lesen. Also, diesen Part werde ich nicht vermissen. Es muss jetzt aber niemand Angst haben, dass mir langweilig wird: Wir haben ein großes Grundstück, wir haben ein großes Haus – wir haben also sicherlich Arbeit genug. Denn wir bewirtschaften unseren Garten selbst, auch wenn das sicherlich in all den vergangenen Jahren zu kurz gekommen ist. Und außerdem sagt man mir nach, ich sei eigentlich doch auch eine recht gute Hausfrau und kann also beispielsweise auch noch einkochen und selbst Marmelade machen. Das ging in der Vergangenheit aber immer nur unter Zeitdruck, jetzt will ich das auch einfach einmal genießen. Vor vielen Jahren habe ich auch einmal angefangen, Golf zu spielen, habe es aufgrund meiner mangelnden Zeit aber nie wirklich geschafft, über die Platzreife hinauszukommen. Ich denke, das werden mein Mann und ich sicherlich wieder aufleben lassen. Und dann bin ich noch als ehrenamtliche Richterin auf dem Arbeitsgericht sowie dem Sozialgericht tätig und bin auch Mitglied im Stiftungsverein eines international agierenden Technologiekonzerns. Also, es wird mir mit Sicherheit nicht langweilig.

Quelle: Günther Heisskanaltechnik

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